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Christiane Carstens, Lisa Kreuzer und Gabi Herz in Pia Frankenbergs Berlin-Film „Nie wieder schlafen“ über den Roadtrip von drei Freundinnen.

© Filmgalerie 451

Die Filme von Pia Frankenberg: Frauensolidarität ohne Kitsch

Die Schriftstellerin Pia Frankenberg hat vor dreißig Jahren drei Komödien gedreht, die im deutschen Kino ziemlich einzigartig sind. Jetzt kann man sie noch einmal entdecken.

Von Andreas Busche

Klar, weibliche Ästhetik ist für sie ein Begriff, erklärt die Filmemacherin im Interview. Gelegentlich werde diese sogar ihren Filmen attestiert. „Da würde ich sagen, das ist interessiert, das würde ich wirklich spannend finden. Aber im Prinzip beschäftige ich mich damit nicht, weil mich solche Sachen immer ungeheuer lähmen.“ Die Interviewerin, Kippe im Mundwinkel, guckt etwas verdutzt und notiert in ihr Heftchen.

Die Szene stammt aus Pia Frankenbergs Langfilmdebüt „Nicht nichts ohne dich“, das 1986 beim Nachwuchsfilmfestival in Saarbrücken den Max Ophüls Preis gewann. Gerade erst im Sommer zuvor hatte eine andere deutsche Komödie über das Verhältnis von Männern und Frauen in den Kinos Euphorie ausgelöst.

Kein deutsches „Frauenwunder“

Frankenbergs Film ist im Grunde das komplette Gegenteil von Doris Dörries „Männer“ – auch wenn die Sehnsucht nach einem deutschen „Frauenwunder“ im Kino damals Anlass zu steilen Vergleichen gab. Ihre alleinerziehende Filmemacherin Martha, gespielt von Frankenberg, fühlt sich dysfunktional, weil sie sich selbst als oberflächlich empfindet, andererseits auch gar keine Lust darauf hat, sich mit „weiblichen“ Attributen – oder „sowas wie Frauensolidarität“ – zu identifizieren.

Das sind starke Sprüche für eine Regisseurin, die die erste Welle der Frauenbewegung im Kino knapp verpasste, und in den bundesrepublikanischen Achtzigern ihren eigenen Weg finden musste. Eine weibliche Ästhetik ist zwar auch in Frankenbergs drei langen Spielfilmen zu erkennen, die zwischen 1985 und 1992 entstanden (bevor sie sich, bis heute, dem Schreiben zuwandte). Aber sie selbst würde ihren erzählerischen Eigensinn nie auf ihr Frausein reduzieren. „Ich wollte ganz bewusst keinen Film machen, der diese normale Erzählstruktur hat“, sagte Frankenberg 1986 lediglich. „Solche Filme langweilen mich.“

Ian Dury und Pia Frankenberg in der Hamburger Screwball-Komödie „Brennende Betten“

© Filmgalerie 451

Karriere machte man so nicht im deutschen Kino der 1980er Jahre, aber Frankenberg gelangen immerhin drei Komödien und eine paar Kurzfilme, die so einsam in dieser traurigen Dekade herumstanden, dass sie nach der Wende fast vergessen waren. In diesen Tagen sind sie noch einmal im Kino zu sehen, parallel dazu erscheint das DVD-Boxset bei Filmgalerie 451.

„Nicht nichts ohne dich“, in Schwarz-Weiß in Hamburg gedreht, stellt gewissermaßen das Rohmaterial für die hanseatische Screwball-Komödie „Brennende Betten“ (1988) dar, in der Frankenbergs Gina wegen des angespannten Wohnungsmarkts wider Willen in einer WG mit einem pyromanischen Paukisten (der britische Pubrocker Ian Dury) lebt. Hinter der Kamera stand die Godard/Truffaut-Legende Raoul Coutard, der Frankenbergs sprunghaftes Komik-Timing in eine schwungvolle Paar-Choreografie übersetzt.

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In ihrem letzten Film von 1992 stand Frankenberg dann nicht mehr vor der Kamera, aber sie fand in Lisa Kreuzer, Gabi Herz und Christiane Carstens drei wunderbar unverstellte Darstellerinnen, die die rastlose Energie der Regisseurin mit ihren sehr unterschiedlichen Temperamenten tragen.

Dreißig Jahre später ist das Quasi-Roadmovie „Nie wieder schlafen“ vor allem als filmisches Dokument des Wende-Berlins in Erinnerung geblieben, deren Brachen und offene Wunden die drei Freundinnen zu Fuß erkunden. Aber im Film klingt auch noch mal ironisch der skeptische Satz von Frankenbergs Martha an, in deren Filmen „sowas wie Frauensolidarität“ eher ungewollt passiert.

Denn einen so unkitschigen, neugierigen und dabei leichthändigen Film über eine Frauenfreundschaft wie „Nie wieder schlafen“ hat es im deutschen Kino seitdem nicht mehr gegeben. 2019 wurde er in der Berlinale-Retrospektive „Selbstbestimmt – Perspektiven von Filmemacherinnen“ wiederentdeckt. Sie stellte den Solitär Pia Frankenberg endlich in eine Ahnenreihe mit den großen deutschen Regisseurinnen.

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