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Kleinwüchsigenband. Dieses Duo namens Time Bandits gehört ebenfalls zu den von Till Lindemann ausgewählten Acts.

© United Images / Frank Altmann

Die Puppen tanzen lassen: Till Lindemanns Zirkusshow gastiert in Berlin

Der Rammstein-Sänger hat gemeinsam mit dem Zirkus Flic Flac eine Show ausgedacht. „The Greatest Comedian Freakshow“ will provozieren und amüsieren. Ob das klappt?

„Sie sehen hier, was die Natur für Spiele zu belieben betreibt und welch seltsame Menschen auf unserer Erde hausen.“ So kündigt der Ausrufer die „Abnormitäten“ an, den Mann mit dem Bulldoggkopf, die zusammengewachsenen Zwillinge, das Gorillamädchen, den Riesen und die anderen, die sich in Ödön von Horváths trauriger Rummelplatzballade „Kasimir und Karoline“ zum Amüsemang der Besucher:innen als Freaks vorführen lassen. Der berühmte Dramatiker, stets auf der Seite der sogenannten kleinen Leute, hat diese Figuren allerdings aus dem gegenteiligen Grund erfunden: um von der leidigen menschlichen Tendenz des Herabschauens auf andere zu erzählen.

Rammstein-Frontmann Till Lindemann, wie man ihn von der Konzertbühne (hier bei einem Auftritt in Mexiko) kennt.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Carlos Santiago/ Eyepix Group

Es ist nicht bekannt, ob der Rammstein-Sänger Till Lindemann ein großer Horváth-Fan ist. Jedenfalls hat er sich jetzt auch eine Kuriositätenrevue einfallen lassen: „The Greatest Comedian Freakshow“, zu sehen im Zirkus Flic Flac auf dem „Zentralen Festplatz“ in Berlin, am Arsch der Heide also, der Jungfernheide, um genau zu sein. Das Flic-Flac-Zelt steht hier gleich neben einem Jahrmarkt, allerdings taucht weder hüben noch drüben ein Mann mit Bulldoggkopf auf, auch kein Till Lindemann. Zumindest zur ersten Voraufführung der Freakshow ist der prominente Pyro- und Porno-Poet nicht erschienen, was schade ist.

Eigentlich hätte man erwarten dürfen, dass er sich jeden Abend einen der Jacuzzis mietet, die im Zirkus Flic Flac als alternatives Sitzplatzangebot direkt an der Bühne stehen. Zum Pauschalpreis von 9999 Euro können Zuschauer:innen sie sich mit 400 Litern Sekt statt Wasser befüllen lassen und darin baden. Ein schauerlicher Gedanke, aber gut, nicht nur die Natur beliebt bisweilen seltsame Spielchen zu treiben.

Body-Trapez, eine der Artistiknummern der „Greatest Comedian Freakshow“.

© United Images / Frank Altmann

Schwer zu sagen, wie viel von dieser „Greatest Comedian Freakshow“ tatsächlich auf Lindemanns Mist gewachsen ist, auf den Plakaten steht „nach einer Idee von“, er selbst ist darüber als gemalter Zirkusdirektor oder Droschkenkutscher zu sehen.

Kay Ray findet politische Korrektheit doof

So oder so: Der Abend beginnt mit einem Wow-Effekt. Es öffnet sich ein Spalt im Raum-Zeit-Kontinuum, und heraus fällt ein Kabarettist aus den frühen 1980er Jahren. Der nennt sich Kay Ray, wirft mit dem Z- und dem N-Wort um sich, beleidigt muslimische, schwule und adipöse Menschen und findet überhaupt „politische Korrektheit“ richtig doof. Er sagt, er käme gerade „aus dem Biopuff – mit Frauen aus der Region“. Nachsatz: „Eine ist jetzt nicht mehr ungespritzt.“

Was soll man sagen? Wo Freakshow draufsteht, ist Freakshow drin. Womöglich versucht der Mann auch bloß, sich um einen Auftritt bei Dieter Nuhr zu bewerben. Oder bei Jan Böhmermann, schwer zu trennen.

Ein Hundegesicht auf dem Po

Auch wenn Kay Ray gerade nicht da ist, möchte der Abend gern aus dem Rahmen des Konventionellen fallen. Auf eine sehr unterleibsfixierte Weise, muss man sagen. Eine Performerin namens Duckie L’Orange läuft bellend mit heruntergelassener Hose herum, sie hat sich ein Hundegesicht auf den Po gemalt, später spielen dann noch Würste eine Rolle.

Das Duo Daredevil Chicken Club performt eine Kostümwechsel-Nummer, die damit endet, dass der Mann nackt über die Betten am Bühnenrand springt, die von besonders Komfortbedürftigen ebenfalls gemietet werden können (169 Euro).

Und schließlich vollführen zwei australische Künstler einen Act mit dem Titel „Pupetry of the Penis“, der genau das hält, was der Titel verspricht. Sie kneten Penis und Skrotum zu komischen Figuren zusammen, zeigen die Kunst des Sackfalten-Origamis und spielen mit kleinen Figürchen auf den Hoden berühmte Musikvideos nach („Wrecking Ball“ von Miley Cyrus).

Mit irgendeinem Lindemann-Lied entlässt der Abend die Besucher:innen in die Nacht. Und mit der Frage, wie wohl Ödön von Horváth diese Show gefallen hätte.

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