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Tugan Sokhiev war von 2012 bis 2016 Chefdirigenten des DSO Berlin

© Patrice Nin

Die Staatskapelle Berlin in der Philharmonie : Sound und Kontrolle

Haochen Zhang beeindruckt gemeinsam mit der Staatskapelle Berlin im klanggewaltigen 2. Klavierkonzert von Prokofiew, Tugan Sokhiev dirigiert Rachmaninows „Sinfonische Tänze“ mit deftigem Schmalz - und doch in kammermusikalischem Charme..

Von Keno-David Schüler

Flüchtige Pizzicati der Streicher heben den Vorhang für die vom Klavier gesungene, lyrische Weise. Wie bezaubernd ist doch die eröffnende Idylle im zweiten Klavierkonzert Sergej Prokofiews – doch flüchtig. Denn schnell wird sich die Fahrt beschleunigen, die spritzende Gischt türmt sich bald zu haushohen Fluten des Prokofiew’schens Klangozeans.

Die Gefahr Schiffbruch zu erleiden, gerade in der massigen Solokadenz des Kopfsatzes, kennt Pianist Haochen Zhang nicht. Wie schäumen da die virtuosen Läufe, explodieren wuchtige Bässe, oder aber kräuseln sich die leichten Wellen im piano-Passagenwerk.

Fulminanter Solist

Ebendiese, beherrschende Souveränität manifestiert sich in dem aberwitzigen Tempo des zweiten Satzes, der kongenialen Verzahnung mit dem Dirigenten Tugan Sokhiev im dritten oder der dynamischen Flexibilität im vierten Satz. Zhang schwebt immer solistisch über dem Orchester; oder schwimmt da mit, wo es musikalische Logik und die Partitur verlangt; nie aber geht er unter. Auch wenn manche Stellen etwas leichter, spielerisch vibrierender genommen sein könnten, beeindruckt die umarmende Partnerschaft mit dem immer wieder impulsgebenden Ensemble. 

Vom Wunderkind zum Künstler

Zhang gelangte zu nachhaltigem internationalen Ansehen, als er sich 2019 zum jüngsten Gewinner der Geschichte des Van Cliburn International Piano Competition spielte. Der chinesische Pianist, der schon im Alter von 11 Jahren eine Tour durch sein Heimatland bestritt – im Gepäck u.a. sämtliche Etüden aus Chopins Opus 10 – hat es mitnichten nötig sich hinter der Wunderkind-Biographie zu verschanzen.

Aus der Zugabe, Brahms „Intermezzo“ Opus 118, Nr. 2, spricht eine mit allen Wassern gewaschene Künstlerpersönlichkeit. Wie herrlich singend, wunderbar natürlich fließend und unsentimental gerät das so oft übersüss servierte Spätstück. Gerne willkommen wäre der junge Virtuose auch zukünftig in Berlin. Dann vielleicht bald mal mit etwas Beethoven? Seine jüngste Einspielung der fünf Klavierkonzerte mit dem Philadelphia Orchestra zeugt von stilbewusster Reife und künstlerischem Format.

Mit großer Geste

Demselben Orchester hatte Sergej Rachmaninow 1940 seine „Sinfonischen Tänze“ gewidmet – das letzte Werk in sinfonischem Großformat. In meisterschaftlicher Orchestration ergießen sich die „ewigen Melodien“ und die romantisch-gewürzten Harmonien von der Bühne in den Saal.

Der Komponist zieht hier nicht nur nochmal alle Register, sondern auch die Bilanz seines sinfonischen Schaffens – so wird das Jugendwerk, die 1. Symphonie, oder die obligatorische Dies Irae-Sequenz (Totensequenz) adaptiert. Und, ja: Hollywood winkt spätestens aus den vom Klavier getragenen Streicherlinien im unisono oder den Saxophonsoli des ersten Satzes: : das Stück ist ein prädestinierter Crowd Catcher.

Das „tanzhafte“ Element, im Titel vorangestellt, muss allerdings Erwartungen auf leichte Muße enttäuschen, wird ersteres doch konzeptionell im ausgedehnten, sinfonischen Rahmen elaboriert. Sokhiev zeigt sich als Mann der großen Geste, dem es oft zum Gewinn gelingt, die Berliner Staatskapelle zu inspirieren – stellenweise auf Kosten der Präzision im Zusammenspiel. Zum Ende dann die Überraschung: Der letzte Gong-Schlag wird ausgehalten. Aus dem gebannten Lauschen auf das Ausklingen im Saal bricht schließlich, ähnlich überproportional lang wie lärmend, der Schlussapplaus die spannungsvolle Stille. 

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