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Starker Rücken. Bäuerin in Le Crêt, 1986.

© M. Jacot / Fotostiftung Schweiz

Fotografin Monique Jacot: Liebender Blick

Endlich in Berlin: Das Verborgene Museum feiert die Schweizer Fotografin Monique Jacot.

Monique Jacot hat einen besonderen Blick: wie sie das kleine Mädchen vor dem Fernseher einfängt, 1959 in Los Angeles, das mit dem Daumen im Mund auf den Flimmerkasten starrt. Sie fotografiert es schräg von unten, das macht das Kind groß. Die Künstlerin nimmt es ernst in seiner Gebanntheit und Aufregung.

Achtzig Jahre musste die Schweizerin alt werden, damit nun auch in Deutschland ihr Werk gewürdigt wird. In ihrer Heimat gilt sie als eine der wichtigsten Fotografinnen. Das Verborgene Museum leistet Pionierarbeit mit ihrer ersten Retrospektive. Die Räumlichkeiten der von einem Verein getragenen Institution, verborgen in einem Charlottenburger Hinterhof, sind begrenzt. So kann jeweils nur ein kleiner Ausschnitt aller künstlerischen Phasen und Themen der in Neuchâtel geborenen, frankophonen Schweizerin gezeigt werden.

In den frühen fünfziger Jahren wendet sich die junge Frau schon bald von der klassischen Atelierfotografie ab, sie will hinaus auf die Straße. Ihre ersten Reportagen verkauft Monique Jacot an lokale Zeitungen, später arbeitet sie für „Du“, „Annabelle“, „Elle“ und „Vogue“, „Geo“ und „Stern“. Ein geregeltes Einkommen garantieren ihr außerdem die Aufträge der Weltgesundheitsorganisation, für die sie in krisengebeutelten Ländern die hygienischen Zustände dokumentiert.

Das hohe Alter sieht man ihr nicht an – nur ihren Bildern

Die Ausstellung ist aus Anlass des Berliner Monats der Fotografie zustande gekommen, der in diesem Jahr unter dem Motto „Umbrüche und Utopien“ steht. Immer wieder hat sich Monique Jacot Frauenthemen gewidmet, Arbeiterinnen am Fließband fotografiert oder Schweizer Frauenrechtlerinnen bei Demonstrationen. 1960 ist sie beim ersten Fallschirmsprung einer Frau in der Schweiz dabei. Der Betrachter sieht von oben den gestreiften Schirm und die Felder, geometrisch durchschnitten von einem Feldweg. Die Aufnahme hat die Ruhe eines konstruktivistischen Gemäldes.

Fünf Jahre lang beschäftigte sich die Fotografin mit einer Serie über Bäuerinnen und deren tägliche Arbeit. Nah ist sie an diesen Frauen dran. Beschönigen will sie das Leben auf dem Land nicht, das Federnrupfen und Zwiebelernten. Aber der imposante, kräftige Rücken einer Traktor fahrenden Frau liest sich wie eine Ehrerbietung der Künstlerin. Leiser Humor spricht ebenso aus ihren Bildern. Da beugt sich eine Landwirtin neben einem Kälbchen nieder, auf ihrer Kittelschürze, der Betrachter erkennt es nur auf den zweiten Blick, ist ein tropisches Muster mit Palmen gedruckt.

Monique Jacot ist wach, schnell und immer noch umtriebig. Das hohe Alter sieht man ihr nicht an – nur ihren Bildern. Von der Reportagefotografie hat sich die Künstlerin in den letzten Jahren zurückgezogen. Sie reist nicht mehr so viel wie früher, arbeitet nun experimenteller, spielt mit Belichtungsmethoden und Druckverfahren von Polaroids, konzentriert sich auf wundersame Ornamente von Blättern oder Federn. Oder sie setzt einen Kartoffelsack in Szene, aus dem die Knollentriebe durchs lockere Gewebe schießen. Widersprüchlich ist dieser künstlerische Wandel nicht. Die Ausstellung belegt, wie sich das Auge der Beobachterin Monique Jacot schon früh immer wieder auch in poetischen Momentaufnahmen verfing, in Spiegelungen und Schattenwürfen. Die Menschenfreundin wurde zur Naturliebhaberin.

Verborgenes Museum, Schlüterstr. 70, bis 1. März 2015, Do / Fr 15–19 Uhr, Sa / So 12–16 Uhr. Katalog 25 €.

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