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Shauna (Fanny Ardant) und Pierre (Melvil Poupaud) trennen 25 Jahre.

© Alamode Verleih

„Im Herzen jung“ im Kino: Eine Liebe gegen gesellschaftliche Konventionen

In „Im Herzen jung“ erzählt die Regisseurin Carine Tardieu eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die 25 Jahre trennen. Eine zarte Utopie, die allerdings an der behäbigen Inszenierung hapert.

Von Andreas Busche

Das erste Mal begegnen sich Pierre und Shauna im Krankenhaus. Ihre beste Freundin Mathilde liegt im Sterben, Mathilde wiederum ist die Mutter seines Freundes Georges – wie Pierre ebenfalls ein Onkologe. Für den Arzt ist es eine verwundbare Zeit, nur vier Tage zuvor haben er und seine Frau ihr Neugeborenes verloren.

Die Begegnung mit der 25 Jahre älteren Shauna berührt ihn. Er bringt ihr eine Tütensuppe aus dem Automaten, von der er ihr allerdings lachend abrät. Mit den Worten „Lass uns so lange wie möglich die Luft genießen, die wir teilen“ versucht Pierre Shauna zu trösten. Die Dimensionen dieses Satzes versteht man in Carine Tardieus „Im Herzen jung“ erst eine ganze Weile später.

Liebeserklärung an Fanny Ardant

Die Regisseurin, die hierzulande mit gefühligen Dramen wie „Eine bretonische Liebe“ (2017) bekannt wurde, hat ein Drehbuch der 2015 verstorbenen Regisseurin Sólveig Anspach verfilmt, das die Geschichte ihrer Mutter erzählt.

Die wird in „Im Herzen jung“ von Fanny Ardant gespielt, die wiederum seit den 1980er Jahren, vor allem in den späten Filmen von François Truffaut, eines der prägenden Gesichter des jüngeren französischen Kinos ist. Das Publikum hat sie gewissermaßen beim würdevollen Altern begleitet; François Ozon schenkte ihr und sieben weiteren Schauspielerinnen mit „8 Frauen“ bereits vor zwanzig Jahren eine Hommage.

„Im Herzen jung“ ist eine andere Form der Liebeserklärung an die heute 74-Jährige. Eine Wertschätzung des Älterwerdens, das in unseren westlichen Gesellschaften immer noch mit überholten sozialen Rollenbildern assoziiert wird. Zum Beispiel mit dem der Großmutter; selten aber mit dem der libidinösen Frau.

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15 Jahre nach dem Tod von Mathilde treffen sich Shauna und Pierre (Melvil Poupaud) über Georges (Sharif Andoura) zufällig wieder, und ihre zurückhaltende, warmherzige Art weckt bei Pierre Erinnerungen an die erste Begegnung. Inzwischen hat er ein zweites Kind mit seiner Frau Jeanne (Cécile de France), noch eine Ärztin.

Doch ihre zögerlichen Textnachrichten rühren an einem Begehren, das die verwitwete Shauna, aber auch Pierre lange nicht mehr gespürt haben. Als er Jeanne seine Affäre beichtet, ist ihre erste Reaktion ein Lachen. Ihr Mann und eine „alte Frau“? So sieht in etwa das dramatische Komplexitätslevel von „Im Herzen jung“ aus, dem der banale deutsche Titel (im Original: „Die jungen Liebenden“) leider vollauf gerecht wird.

Der Altersunterschied der „jungen Liebenden“

Das alles ist natürlich – von der gefälligen Inszenierung über die gutbürgerlichen Interieurs bis zum Klimperpiano auf der Tonspur – Arthouse-Material par excellence. Die Kamera von Elin Kirschfink registriert behutsam jeden Altersfleck und die blauen Venen auf der Hand von Ardant; einmal sagt Shauna sogar, es bringe Unglück, die Hände zu vergleichen. Der Altersunterschied der „jungen Liebenden“ wird ständig (auch visuell) thematisiert, etwa wenn sie gemeinsam in der Badewanne sitzen. Aber auch durch ihr soziales Umfeld.

Interessant wird „Im Herzen jung“ erst in den unbewussten Momenten, die allerdings so zentral für den Film sind, dass der Regisseurin dieser Subtext unmöglich entgangen sein kann. Denn die aufblühende Liebe zwischen Pierre und Shauna ist gesäumt von Anzeichen des Todes, der Krankheit und des körperlichen wie mentalen Verfalls.

Nach ihrem zweiten Treffen zum Beispiel bitte Shauna Pierre, ihr von der Brustkrebsbehandlung einer seiner Patientinnen zu berichten, fast wie ein morbides erotisches Vorspiel. Auch ihre eigene Parkinson-Diagnose nimmt in dieser zarten Liebesgeschichte einen Stellenwert ein, der der Intention Tardieus – dass Liebe und Sex kein Alter kennen – auf irritierende Weise entgegensteht.

Fast möchte man in „Im Herzen jung“, mit seiner Verquickung von Liebe, Sex und versehrten Körpern, Anknüpfungspunkte an ein mögliches Spätwerk von David Cronenberg suchen. Wären nur der Tonfall und die Bilder weniger gediegen.

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