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Fünfeinhalb Oktaven Holz. Taiko Saito, ausgezeichnet mit dem diesjährigen Jazzpreis Berlin

© Photomusix/Cristina Marx

Jazzpreis Berlin für Taiko Saito: Fünfeinhalb Oktaven Holz

Beim Preisträgerkonzert in der RBB Dachlounge demonstriert Taiko Saitoneben nicht nur ihre technischen Fähigkeiten, sondern auch ihre ungemeine Vielfalt.

Von Gregor Dotzauer

Palisander ist ein ganz besonderes Holz. Wenn es aus den tropischen und subtropischen Wäldern, in denen es gedeiht, in zivilisiertere Gebiete gelangt, krümmt es sich getrocknet gerne zu Gitarrenzargen, dient als Griffbrett oder schwingt mit seiner unvergleichlichen Dichte und Härte als Boden unter Fichten- oder Zederndecken. Noch höhere Weihen erfährt es in Geigenbögen, Wirbeln, Kinn- und Saitenhaltern. Doch nur in den Klangstäben der Marimba kehrt es ein Stück weit an den Ort zurück, dem es entstammt – und dem es in den vergangenen Jahren oft genug räuberisch entrissen wurde.

Geheimnisvoller, wie ein ausgehöhlter Baumstamm, gibt es seine Resonanzfähigkeiten trotz minimalem Sustain in den tiefen Regionen auf keinem anderen Instrument preis. Weiter oben hebt ein dumpfer Gesang an, und im Diskant, wo sich die Baumkronen zum Himmel hin lichten, klackert es munter vor sich hin.

Taiko Saito gebietet mit ihrer fünfeinhalb Oktaven umfassenden Marimba der japanischen Firma Korogi noch über eine halbe Oktave mehr als das handelsübliche Spitzenmodell. Der Reiz ihrer Musik liegt aber weniger in der Besiedlung sämtlicher Tonräume als in den jeweiligen Timbres, die sich ihnen mit den Mallets, den diversen Schlägeln, entlocken lassen: trocken und präzise im vierstimmigen Spiel, oder mit viel Luftwiderstand und Holzkontakt beim Einsatz von Gerätschaften, die wie riesige Fliegenklatschen aussehen.

Welcher Reichtum an Texturen sich erzeugen lässt, kann man unter anderem auf ihrem aktuellen Soloalbum „Tears of a Cloud“ (Trouble in the East Records) hören. Ein Reigen frei improvisierter Stücke mit geschmeidigem Gestus, die Elemente der komponierten zeitgenössischen Musik mit denen des Jazz zusammenführen.

Oder man besucht das Konzert, das sie als diesjährige Preisträgerin des mit 15.000 Euro dotierten Jazzpreises Berlin in der RBB Dachlounge gibt und gerät in einen warmen perkussiven Gewitterschauer, an dem neben ihrem langjährigen Duopartner, dem Pianisten Niko Meinhold am präparierten Klavier und einem Toy Piano, auch der Schlagzeuger Moritz Baumgärtner und drei weitere Malletspieler, Julius Apriadi, Maria Schneider und Arthur Hermann, beteiligt sind.

Taiko Saito, 1976 in Sapporo geboren, lernte an der Toho Gakuen School of Music im Westen von Tokio bei Keiko Abe, der namhaftesten japanischen Vertreterin ihres Instruments, zunächst klassische Marimba. Dann aber packte sie beim Hören von Aufnahmen des amerikanischen Vibraphonisten David Friedman die Lust am Improvisieren. Sie beschloss, bei ihm in Berlin, wo er 1989, noch vor Gründung des Jazzinstituts, eine Professur übernommen hatte, Mallets und Komposition zu studieren. Der 79-Jährige ist noch immer eine vitale Größe der hiesigen Szene.

Double Image hieß einst seine Band mit dem Malletkollegen Dave Samuels: Höhepunkt eines virtuosen kammermusikalischen Jazz, in dem sich das Holz der Marimba mit dem nachklingenden Metall des Vibraphons aufs Eleganteste verbindet. Bei Taiko Saikos Preiskonzert – der ehemalige Lehrer sitzt im Publikum und wirft ihr Kusshände zu – müsste man mindestens von einem Quadruple Image sprechen. Der interessanteste Austausch in ihrem Potpourri neu arrangierter eigener Stücke ergibt sich indes mit Niko Meinhold, dessen im Flügelinneren manipulierte Töne dem meist repetitiven, nur in Saitos Soli wild über sich hinausschießenden Puls der scharf konturierten, gegen das Wegkippen des Tons ankämpfenden Marimba-Patterns eine schillernde Unreinheit verleihen.

Das große Verdienst dieser Musikerin ist neben ihren technischen Fähigkeiten vor allem ihre Vielfalt. Mit einem Kammerkonzert von Sofia Gubaidulina fühlt sich Taiko Saito so wohl wie im Tentett von Silke Eberhards Potsa Lotsa oder mit dem Trickster Orchestra von Cymin Samawatie. Der Schlagzeuger Heinrich Köbberling, der die Laudatio hielt, vermochte die spezifische Originalität der Preisträgerin denn auch nur durch Aufzählung ihrer Aktivitäten zu umkreisen. Der Energie ihrer Musik tut das keinen Abbruch. Selbst Kultursenator Joe Chialo wiegte sich im Takt.

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