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Debora Antmann ist Koluminstin des Tagesspiegels.

© privat

Kolumne Schlamasseltov: An Berliner Lehrstühlen wird Antisemitismus nicht thematisiert

Sexismus, Adultismus, Ageism, über jede erdenkliche Form von Diskriminierung wird in Uni-Seminaren diskutiert. Nur über eine nicht: Antisemitismus.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Ich habe in Berlin studiert. Meine Erfahrung als Studentin waren geprägt von Feminismus und Antirassismus. Ich habe mit dem Schwerpunkt Gender- und Queerstudies meinen Abschluss gemacht und jedes Seminar belegt, das kritische und antirassistische Perspektiven im Titel hatte.

Ich habe bei fantastischen Schwarzen Dozent*innen und Professor*innen of Color gelernt. Durfte mit Größen der Gender- und Queerstudies diskutieren. Mein Freund*innenkreis schien die perfekte Mischung aus sensibilisiert und radikal. Ich bin dankbar für das, was ich lernen durfte und verbittert über das, was ich lernen musste.

In einem diskriminierungssensiblen Seminar sollten wir uns in Kleingruppen eine Diskriminierungsform aussuchen, zu der wir über das Semester hinweg arbeiten wollten. 30 Studierende, in Gruppen von zwei bis fünf Personen. Ich wollte zumindest einen Arbeitskreis Antisemitismus. Die Gruppe hat sich stattdessen für eine 2. Adultismus-Gruppe entschieden, weil „uns das alle angeht“.

In kritischen Seminaren ist Antisemitismus kein Thema

In meinem Studium durfte ich unendlich viel wertvolles Wissen zu Rassismus (von antiSchwarzem, über antimuslimischen, bis antislavischen), zu Klassismus, Ableismus, Heteronarmativität, Sexismus, Adultismus, Ageism, Lookism und Fettenfeindlichkeit sammeln. Aber nicht ein einziges Mal habe ich etwas zu Antisemitismus gelernt, in all diesen kritischen Seminaren habe ich das Wort Antisemitismus nicht gehört - mit all diesen kritischen Freunden und Freundinnen wurde Antisemitismus nicht thematisiert - von all diesen kritischen Größen.

Ich war am Ende meines Studiums, als ich das erste Mal eine jüdische Dozentin hatte. Leah Carola Czollek sah mich, gab mir den Halt im Hochschulalltag, den ich sehnlichst vermisst hatte. Mein Dank ist unendlich. Sie war es auch, die von einigen meiner Freund*innen bereits nach dem ersten Termin boykottiert wurde. Weil sie nicht direkt auf die überhebliche Entrüstung meiner (weißen) ach so kritischen Kommiliton*innen einging, sondern sie zunächst auf das antisemitische Wort „Gemauschel“ hinwies, dass sie in ihrer Empörung so sorglos um sich warfen.

Zwei repräsentative Beispiele für die Lehre/Leere an Berliner Hochschulen. Dort zu arbeiten, war nicht besser.

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