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Träum weiter. Das große Gemälde „Columbia-Tien“ von Curt Lahs (112,5 x 169 cm) entstand 1950.

© Salongalerie „Die Möwe“

Kunst und Markt: Galerie Die Möwe: Tanz und Tier

Geboren um 1900: In der Berliner Galerie „Die Möwe“ wird die Kunst einer verschollenen Generation ausgestellt.

Es lief gut für Curt Lahs. 1919 stellte er in den Räumen des wichtigen Sammlers Alfred Flechtheim aus, zwei Jahre danach widmet ihm die Düsseldorfer Galerie „Junge Kunst – Frau Ey“ eine Soloschau. Ende der zwanziger Jahre wird Lahs als Direktor einer kolumbianischen Kunstakademie berufen, kehrt aber bald zurück und lehrt ab 1930 in Berlin an der Staatliche Kunsthochschule. Die anschließende Zäsur ereilt den Maler wie viele andere – Berufs- und Ausstellungsverbot durch die Nationalsozialisten. Manche haben sich davon erholt, und auch Lahs bekommt bald nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine Professur in West-Berlin. Sein künstlerisches Werk aber bleibt außerhalb des Kanons, obwohl es schon 1946 wieder in den renommierten Galerien der Stadt, bei Gerd Rosen und Bremer, zu sehen ist.

Weshalb sich die einen erneut etablieren konnten, die anderen dagegen keine Kunstgeschichte schrieben und zur sogenannten Verschollenen Generation zählen, ist wenig einsichtig. Paul Kuhfuss, Margarethe Moll, Lahs und Heinrich Wildemann: Eine Frage der Qualität? Eher nicht, wie die jüngste Ausstellung der Berliner Salongalerie „Die Möwe“ demonstriert. Hier widmet sich Claudia Wall „zu Unrecht weitgehend unbeachteten“ Positionen, die zwar sehr wohl gehandelt werden. In Walls Galerie aber bekommen die Künstler jene Ausstellungen, die sie schon zu Lebzeiten verdient hätten.

2014 verstarb mit Leonore Geist die letzte Protagonistin aus dem aktuellen Programm der „Möwe“. Im selben Jahr eröffnete Claudia Wall ihre Galerie; erst in der Invalidenstraße, dann zog sie vor gut einem Jahr um in die Auguststraße. Geists bronzene Plastiken, die 1984 über Monate im Metropolitan Museum of Modern Art in New York standen, hat Wall vergangenes Frühjahr in einer Gruppenschau gezeigt. Danach waren Bilder des spätberufenen Kubisten Hans Kinder zu sehen oder eine Gruppenschau zum Thema „Akt und Landschaft“.

Der Südamerika-Aufenthalt des Malers wirkt lange nach

Jetzt sind mit Lahs und Wildemann zwei Maler vertreten, die zwischen den Strömungen ihrer Zeit lavieren: Beide drängen ab den dreißiger Jahren zur abstrakten Form, bleiben aber ebenso der Sprache des Figurativen verbunden. Wildemann mehr, weshalb seine aquarellierten „Kompositionen“ (Preise: 2400–3500 Euro) mühelos aus den fast zeitgleich entstandenen Häuserlandschaften herzuleiten sind. Seine Freundschaft mit Karl Schmidt-Rottluff offenbart sich in dem eindringlichen Farbholzschnitt „Kauernde“ von 1939 (1500 Euro), der deutlich expressive Züge trägt.

Im Fall von Lahs gewinnt man den Eindruck, als habe der Aufenthalt in Südamerika weit länger nachgewirkt, als es die Dauer seiner Lehrtätigkeit nahelegt. Zumindest ästhetisch. „Columbia-Tien“ (1950), das größte und bereits verkaufte Werk der Ausstellung, ist eine Parade von abstrakten Figuren, die ihre Wurzeln im Surrealismus haben. Zusammen bilden sie einen Wald aus artifiziellen Wesen, die gen Himmel streben und zugleich den Bildraum spielerisch füllen. Lahs liebt das kleine, extreme Querformat, das man von links nach rechts lesen kann und so in Bewegung bringt. Und auch die anderen Bilder experimentieren mit einem Vokabular, das gerade noch Tiere und Tanzende erkennen lässt, sich aber hin zur freien Interpretation bewegt.

Der Name der Galerie soll an den legendären Künstlerclub erinnern

Auch wenn man Vorbilder zu erkennen glaubt und Ähnliches andernorts gesehen hat: Die beiden Künstler arbeiten so individuell wie jene Zeitgenossen, die neben ihnen als die wahre Avantgarde gelten. Manches wird parallel, anderes im Dialog entstanden sein. Wenn ein etablierter Maler wie Willi Baumeister 1955 seine Professur in Stuttgart aufgibt und Wildemann als Nachfolger empfiehlt, wird er kaum einen Epigonen gesehen haben. Sondern den Gleichgestellten. Womit sich erneut die Frage nach der Relevanz jener Protagonisten stellt, denen „Die Möwe“ ein Forum gibt.

Persönliche Disposition, das eigene Netzwerk, die Traumata einer durch zwei Kriege beschädigten Generation – all das hat den individuellen Erfolg der Künstler nach 1945 beeinflusst. In den Räumen von Claudia Wall wird man noch häufiger Gelegenheit zum Abgleich haben: An die aktuelle Ausstellung „Im Spiel der Formen“ schließt eine Soloschau von Herbert Behrens-Hangeler an, der vieles war: Maler, Musiker, Collageur und Arrangeur filmischer Sequenzen. Auf vier Ausstellungen pro Jahr kommt „Die Möwe“, deren Name an den Berliner Künstlerklub erinnern soll, der 1946 in der Luisenstraße gegründet wurde – unter anderem von einem Verwandten der Galeristin. Eine Huldigung an jene Künstler, die damals keine Stilrichtung bedienen wollten. Sondern nur sich und ihre Sehnsüchte.

Salongalerie „Die Möwe“, Auguststr. 50 b, Mitte; bis 9. September, Di–Sa 12–18 Uhr

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