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KURZ & KRITISCH: Erinnerung an Jan Diesselhorst

Mehr als ein Freund: Dieses Konzert ist seinem Wesen nach eine Déploration.

So nannten die alten Meister ihre Kompositionen, in denen sie den Tod eines geliebten Musikers beweinten. Die Berliner Philharmoniker spielen im Kammermusiksaal ein Sonderkonzert in memoriam Jan Diesselhorst. Was er ihnen war, füllt das Programmheft ganz: verehrter Kollege, Cellist, Orchestervorstand, der das Amt mit großer Demut ausgeübt habe, ein „zutiefst menschlicher Lehrer“ an der Orchesterakademie. Von vielen Fotos lacht seine Lebensfreude, Nachrufe scheuen nicht die kindliche Hoffnung, dass er ihnen „von da, wo du jetzt bist“ zuhören könnte bei ihrer Musik. Am 5. Februar 2009 ist Diesselhorst 54-jährig gestorben.

Jetzt spielen sie für ihn, die Ensembles, deren Mitglied er war: Philharmonia Quartett, 12 Cellisten, dazu weitere Philharmoniker und Stipendiaten. Der Abend ist auf dunklen Ton gestimmt. Schostakowitsch, dann Mozart mit der c-Moll-Serenade, die das Genre der Unterhaltung in Richtung wehmütiger Kammermusik bereichert. Spiritus rector ist Albrecht Mayer. Glückliches Zusammenspiel mit den Studenten. Die 12 Cellisten (nächster Auftritt am 17.2. im Konzerthaus) lassen eine Kantate von Poulenc (1943) doppelchörig rauschen. Das Philharmonia Quartett fasziniert mit frischem Schliff seiner Ensemblekultur in Mozarts d-Moll-Werk, dem „teuren Freund Haydn“ gewidmet. Diesselhorst bleibt den Musikern auch in der neuen Formation mit Dietmar Schwalke „unser Jan“. Durch sie klingt sein Vermächtnis in die Zukunft. Sybill Mahlke

KLASSIK

Mehr Marsch als Musik:

Das DSO spielt Schubert

Hans Graf steht vorm DSO wie ein Trainer, zackig sind seine Bewegungen, rasch und trocken, schneller, Leute, keine Fisimatenten. Und schlank spielt das Orchester; hinterher wird man denken, man habe bloß Staccati, Pizzikati und verkürzte Töne gehört, keine Kantilenen, wenig Sinnlichkeit. Am Programm wird es kaum gelegen haben, obwohl gewiss schon Aufregenderes gespielt wurde als die etwas blasse D-Dur-Ouvertüre des sehr jungen Schubert, ein Übungsstück in Sachen klassische Effekte. Zuerst die Streicher mit einem träge tretenden Beginn, darauf die Bläser, dann umgekehrt, zusammen, und Schnitt: Melodie über Alberti-Bässen. Man kann nichts haben gegen diese Musik, doch stammte sie von Johann Peter Pixis oder einem anderen Zeitgenossen, wäre sie gewiss nicht aufgeführt worden. DSO-Solocellist Andreas Grünkorn hat es da leichter. Der Solopart in Samuel Barbers Cellokonzert ist zwar uncharmant zum Instrument, weil er es kaum singen lässt, stattdessen höchste Lagen fordert, Toccataähnliches und Etüdenhaftigkeit. Aber Grünkorn schlägt sich gut, lässt sich von Wackeleien in der Passung mit dem Orchester anfangs des Andante kaum irritieren und spielt sorgfältig vorbereitete Kadenzpassagen. Wie köstliche pachelbelsche Inseln aus Seligkeit und Sanftmut wirken gegen all das Seitenthema-Auftritte im zweiten Satz von Schuberts Großer Symphonie, Auszeiten in einem Stück, das Graf so umstandslos hatte beginnen lassen, dass die Hörner kaum anders konnten als kieksen, einem Abend, aus dem von Anfang an mehr Marsch als Musik klingt (Nächstes Konzert am 15.2. in der Philharmonie). Christiane Tewinkel

KUNST

Mehr Mensch als Tier:

„Derridas Katze“ im Bethanien

Als Jacques Derrida nackt im Badezimmer stand, gab ihm seine Katze einen entscheidenden Denkanstoß. Sie beobachtete ihn – und Herrchen fühlte Scham. Nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier fragt auch die gelungene Ausstellung „Derridas Katze“ im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, angelehnt an den Essay „L’Animal que donc je suis“ (Mariannenplatz 2, Mo-So 12-19 Uhr, bis 7.3.). Zum Glück ist der Ansatz der Kuratorinnen Alice Goudsmit und Barbara Buchmaier nicht verkopft. 24 spielerische, bitter-ironische, immer wieder changierende Positionen erzählen von Machtverhältnissen und Abhängigkeiten, von Liebe und davon, wie der Mensch das Tier für seine Projektionen nutzt.

An Ethan Hayes-Chutes Hütten in Modelleisenbahnformat lässt sich nicht ablesen, ob diese Architektur für Menschen oder für Haustiere gedacht ist – der Lebensraum wird gleichgemacht. In Lisa Strömbecks Videos balanciert ein liegender Hund Salami-Scheiben auf den Pfoten, ohne der Verlockung nachzugeben: Die Dressur hat den Instinkt besiegt. Ulrike Mohr hat Proben aus 50 Berliner Gewässern gesammelt. Ihre Installation zoomt den Blick auf die mikroskopische Ebene. Die befüllten Glasbehälter bilden eine zart abgestufte Palette aus Grüntönen. Wer gibt dem Wasser seine Farbe? Kleinstlebewesen? Vom Menschen verursachte Umwelteinflüsse? Die Künstlerin bestimmt die Farbe selbst: Sie kippt alle Proben in einem neuen Behälter zusammen. Anna Pataczek

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