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Mama Efe (Rita Edochie)

© Fiery Film Company

Märchen von der Wassergöttin: Der nigerianische Mystery-Thriller „Mami Wata“

Mit seinem visuell eindrucksvollen Mystery-Film „Mami Wata“ verbindet der nigerianische Regisseur CJ Obasi westafrikanische Folklore und Genrekino. Eine Entdeckung. 

Von Andreas Busche

Der Ozean verströmt den Atem, der durch diesen Film fließt. Er verbindet auch das kleine westafrikanische Dorf Ivy mit den höheren Mächten, die seine Bewohner beschützen. Elektrizität, Schulen und Krankenhäuser gibt es an diesem mythischen Ort nicht, der abseits aller Landkarten zu existieren scheint; selbst der nahe Bürgerkrieg, ein Produkt der weißen Kolonisatoren, ist nie bis zu der kleinen Gemeinschaft vorgedrungen. Doch die Traditionen, denen die Menschen hier anhängen, können nur fortbestehen, solange diese nicht in ihrem Glauben erschüttert werden, dass die Wassergöttin Mami Wata über ihr Schicksal wacht.

Mama Efe (Rita Edochie), die Heilerin von Ivy, ist die irdische Vermittlerin zur spirituellen Welt. Aber ihre Macht schwindet, je mehr Kinder sterben. Der Blick hinaus auf den Ozean – die Eröffnungseinstellung von „Mami Wata“, dem dritten Spielfilm des nigerianischen Regisseurs CJ Obasi – beschreibt die Ambivalenz dieses Glaubens. Das Wasser schenkt den Menschen Hoffnung und Nachkommen. Aber je mehr Kinder in den Ozean steigen und nicht wieder zurückkehren, desto größer werden die Zweifel an der besonderen Stellung Mama Efes.

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Der gleichmäßige Rhythmus der Wellen und die tiefe Schwärze des Meeres, in der der Schaum den einzigen Kontrast darstellt, sind Ruhepol und Bedrohung zugleich. Bis das Meer eines Nachts einen Fremden anspült, der dem Krieg entkommen konnte und die Gifte der Zivilisation in die isolierte Gemeinschaft einschleppt. Auch die Männer um den Aufwiegler Jabi (Kelechi Udegbe) haben lange auf ein Zeichen aus dem Meer gewartet. Der mysteriöse Jasper (Emeka Amakeze) könnte ihr Erlöser sein.

„Mami Wata“ steht in der Ahnenreihe eines transzendenten Kinos, in dem die feinstoffliche Welt die materielle durchdringt. Die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bilder der brasilianischen Kamerafrau Lílis Soares, die vor einem Jahr auf dem Sundance Festival mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet wurde, verbergen mehr, als dass sie etwas preisgeben. Umso schärfer treten die erleuchteten Gesichter der Menschen aus der Dunkelheit hervor.

Mit seiner ausdrucksstarken Lichtdramaturgie erinnert „Mami Wata“ an Schattentheater – was auch die Dichotomie des Konflikts unterstreicht. Die Moral von Obasis Film ist ein Spiel der Gegensätze. Auf diese Einfachheit muss man sich wie in jedem Märchen („westafrikanische Folklore“ nennt der Regisseur seine Geschichte) einlassen, damit sich die Kraft von Soares’ Bildern entfalten kann.      

Doch die Tradition ist hier kein Wert an sich. Der Arzt, der Impfstoffe nach Ivy bringt, wird von Mama Efe abgewiesen. Die Zweifel der Dorfbewohner an ihr teilt ihre Tochter Zinwe (Uzoamaka Aniunoh), sie kritisiert den Aberglauben der Mutter. Als Zinwe ihr Totem, ein Amulett, stiehlt und das Dorf heimlich verlässt, verliert die Heilerin auch ihr letztes Ansehen in der Gemeinschaft. Die adoptierte Prisca (Evelyn Ily Juhen) wiederum, ebenfalls ein Kind des Wassers, vertraut Mama Efe, der sie einst ihr Leben verdankte.

Aber das Matriarchat droht zu stürzen. Bald tauchen schwere Waffen in Ivy auf, und die Bewohner können ihr Schicksal nicht mehr den Göttern überlassen.  

Filme wie „Mami Wata“, produziert von Obasi und seiner Partnerin Oge, schaffen es viel zu selten auf die Leinwände außerhalb des Kontinents, weil das afrikanische Kino auf westlichen Festivals in der Regel einen Arthouse-Realismus bedienen soll. Dem entziehen sich Lílis Soares’ Bilder, das artifizielle Sounddesign und das maskenhafte Spiel der Darstellerinnen und Darsteller jedoch konsequent.

Einflüsse wie der frühe David Lynch oder aus der afrikanischen Diaspora Julie Dashs „Daughters of the Dust“ sind zwar unübersehbar. Doch wo im jüngeren Weltkino Spiritualität selbst schon zum Klischee einer Transzendenzerfahrung geworden ist, greifen in „Mami Wata“ irgendwann wieder Genre-Konventionen. Das ist gewöhnungsbedürftig; populäre Genrefilme mit einem ausgeprägten Stilwillen haben es im kleinformatigen Streaming-Zeitalter immer schwerer. CJ Obasi verbindet auch in dieser Hinsicht zwei vermeintlich unvereinbare Welten.

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