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Janosch mit Bär und Tiger.

© picture alliance / dpa

Janosch wird 90: Mit der Tigerente zum Weltruhm

An der Akademie hielten sie ihn für unbegabt, später verkaufte er Millionen Kinderbücher: Jetzt wird der Zeichner Janosch 90. Eine Würdigung.

Der Körper ist kurz und schmal, die Beine spreizen sich o-förmig auseinander, als würden sie einem Reiter gehören. Der Kopf: ein längliches Oval, aus dem zackig hingekritzelte Haare sprießen. Von einer Frisur kann man nicht sprechen. Und die Ohren, na, die sind speziell. Löffelchen heißt so, weil er große, abstehende Ohren hat.

Bei Rückenwind, behaupten seine Freunde, sollte er sich nicht auf der Straße blicken lassen. Sonst würde ihn der Wind einfach wegblasen. Dieser achtjährige Junge mag einen Kopf kleiner als die anderen sein, aber, wenn man bedenkt, was in seinem Kopf vorgeht, „war er mindestens fünf Köpfe größer als seine Klassenkameraden“.

Die „Geschichten vom Löffelchen“ des Schriftstellers Herbert Heckmann sind klassische Lausbubenabenteuer. Sie handeln von einem Dreikäsehoch, der Spott in Stärke umzumünzen weiß. Um die Begabungen des Unterschätzten zu erkennen, reicht ein Blick auf die Zeichnungen, die Janosch von ihm gemacht hat. Da lächelt er oft angriffslustig, und wenn die Geige unter seinem Kinn klemmt, wirkt er völlig selbstvergessen. Dass die Familie sein Musizieren für Gekratze hält, stört ihn nicht weiter. Ein Künstler ist er trotzdem. Einen Stein kann er so weit nach oben werfen, dass er im Himmel hängen bleibt.

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Als die Löffelchen-Geschichten 1970 herauskamen, war Janosch noch auf dem Weg zum Weltruhm. Aber die Illustrationen zeigen ihn bereits auf der Höhe seiner Kunst. Sie besteht darin, den Charakter einer Figur mit wenigen Strichen zu umreißen und bei aller Reduktion die Details nicht zu vernachlässigen. Dem Altwarenhändler, der „Lumpen, Flaschen, Papier“ rufend durch die Straßen zieht, setzt er eine nackte Tänzerin als Kühlerfigur auf den klapprigen Laster. Und wenn Löffelchen mit seinem Freund Hummelpaul Wohnzimmerkrieg spielt, dann verschwimmen die Pfauenaugenornamente des Perserteppichs mit den Cowboy- und Indianerfiguren zum irren psychedelischen Muster.

Schneemann auf Weltreise

Bemerkenswert ist das Löffelchen-Buch aber auch deshalb, weil Janosch dort einen Schneemann namens Naseweiß mit dem Bär Schlecker auf eine Weltreise schickt. Sie nehmen die Geschichte des Kleinen Tigers und Kleinen Bären vorweg, die in seiner bekanntesten Geschichte „Oh, wie schön ist Panama“ in die Ferne aufbrechen, um am Ende doch im alten, frisch gestrichenen Häuschen das Ziel ihrer Träume zu erkennen. „Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten“, lautet die zentrale Botschaft. Das Buch, 1978 erschienen, wurde fürs Theater adaptiert und mehrmals verfilmt.

„Oh, wie schön ist Panama“ ist bis heute nicht wegzudenken aus der Kinder- und Jugendkultur, was schon die gelbschwarz gestreiften Tigerentenfahrräder beweisen, die vor Kitas und Grundschulen parken. Ihr Urheber besitzt einen Riecher fürs Marketing.

Janosch heißt eigentlich Horst Eckert, als solcher wurde er am 11. März 1931 im heute polnischen Oberschlesien geboren. Seine Kindheit war alles andere als glücklich, vielleicht rührt daher die Sympathie für Außenseiter wie Löffelchen. Der Vater, ein Hüttenarbeiter, trank und prügelte, die strenge Jesuitenschule bot keine Zuflucht. Nachdem die Familie in den Westen geflohen war, arbeitete Eckert in der Textilindustrie und lernte in Krefeld das Musterzeichnen. Der Traum, Maler zu werden, zerschlug sich, als er an der Münchener Kunstakademie nach zwei Semestern wegen angeblicher Talentlosigkeit rausgeworfen wurde.

Fabeln, die Trost spenden

Sein erstes Kinderbuch „Die Geschichte vom Pferd Valek“ veröffentlichte er 1960. Der Verleger riet ihm zum Künstlernamen Janosch. Es folgten über 300 Bücher, die in 40 Sprachen übersetzt wurden. 2006 waren bereits 12 Millionen Exemplare verkauft. Harmonisch und tröstlich geht es in den fabelhaften Geschichten zu, deren Helden ein Maulwurf, der Zauberfloh Leon oder eine Maus sind, die Schimanzki heißt.

Aber Janosch kann auch anders. Sein Strich war anfangs schärfer, mitunter böse. Der Zigarre schmauchender Onkel Paul, den er im „Löffelchen“ neben einen genauso fetten Mercedes stellt, ist eine Karikatur aus der Schule von George Grosz. Später illustrierte Janosch Erzählungen des Marquis de Sade und erzählte in einer autobiografisch grundierten Romantrilogie von den Traumata seiner Jugend. Seine Bücher für Erwachsene seien nicht so niedlich wie die Kinderklassiker, sondern „ein bisschen hart“, sagt er, weil sie vom wirklichen Leben handeln.

Den 90. Geburtstag feiert der Zeichner auf Teneriffa, wo er seit vierzig Jahren zurückgezogen lebt. Zuletzt gewährte Janosch in wundervoll aquarellierten Zeichnungen fürs „Zeit-Magazin“ Einblick in sein Ruhestandsdasein dort. Das Nichtstun sei sehr gesund, verkündet er. „Man sollte allerdings immer wieder mal etwas Bewegung einbringen. Etwa einige Erdnüsse knacken.“

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