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Am Donnerstag lud Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen zu einer bizarren Privataudienz in die Bundespressekonferenz.

© Geisler-Fotopress/Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Neues von den Hohenzollern: Vorstoß mit dem Rücken zur Wand

Die Hohenzollern-Familie rückt vorerst von allen Entschädigungsforderungen ab. Eine Hintertür halten sie sich aber noch offen.

Im Haus der Bundespressekonferenz werden meist hochoffizielle Dinge verhandelt. Selbst Journalisten wissen also nur selten, dass man hier auch Tagungsräume anmieten kann. Das tat am Donnerstag Georg Friedrich Prinz von Preußen, der aktuelle „Chef“ des Familienverbands der Hohenzollern und gab damit seiner Einladung durchaus den Charakter einer Audienz – inklusive Eintritt mit Entourage und durchaus unkorrekter Einführung als „Prinz von Preußen“, der zu uns sprechen soll.

Erwartet war eine Stellungnahme zur sensationellen Ankündigung vom Vortag, dass die Hohenzollern-Familie ihren Anspruch auf zwischen 1945 und 1949 unter sowjetischem Besatzungsrecht enteignete Kulturgüter und Immobilien aufgebe. Er aber leitete nach einer Wiederholung dieser Ankündigung über in eine – Buchvorstellung.

Der Forscherstreit dauert an

Es geht um die Dokumentation des Bremer Historikers Lothar Machtan, der 2021 schon das viel beachtete Buch „Der Kronprinz und die Nazis. Hohenzollerns blinder Fleck“ im Verlag Dunker-Humboldt vorlegte. Seine Kernthese: Der Ex-Kronprinz sei weder politisch, strategisch, intellektuell noch moralisch in der Lage gewesen oder habe die Möglichkeit gehabt, den Nazis zur Macht zu verhelfen; herunterzuladen ist das E-Book kostenlos auf der von der Hohenzollern-Familie betriebenen Internetseite preussen.de.

Der Potsdamer Historiker Peter Brandt hielt dagegen: Wilhelm habe Konservative und Monarchisten an das neue Regime herangeführt. Und der Potsdamer Historiker Martin Sabrow verwies darauf, dass viel wichtiger für die Beurteilung der Rolle von Wilhelm sei, was er und seine Umwelt meinten, welchen Einfluss er haben könnte – nicht, ob er diesen auch nutzen konnte.

Das Schloss Rheinsberg in Brandenburg ist eine der Immobilien, auf die die Hohenzollern Anspruch anmelden.

© dpa/Soeren Stache

Leider bricht Machtans Dokumentation 1938 ab – danach habe der Ex-Kronprinz keine politische Rolle mehr gespielt. Aber was hat er über Arisierungen und Zwangsarbeit gedacht, an denen sein Sohn Louis Ferdinand möglicherweise beteiligt war – welcher nach dem Krieg als Brücke für die Konservativen in die Demokratie diente. Was hat Wilhelm über den Krieg, die Ausbeutung und Unterjochung Europas, den Holocaust gedacht? Das wäre gut zu wissen für die neuesten Entwicklungen im Eigentumsstreit.

Viele Rechtsfragen bleiben offen

Seit 1994 fordert die Familie Hohenzollern die „Rückgabe“ von je nach Zählung zwischen zehn- und sechzehntausend teilweise weltberühmten Kunstwerken, Archivalien, ganzen Bibliotheken – sowie die finanzielle Entschädigung für Immobilien. Nochmals betonte Georg Friedrich Prinz von Preußen nun, dass „ich beschlossen habe“ den Streit beizulegen, die entsprechenden Klagen auf Rückgabe von etwa 4000 Objekten und Entschädigung für Immobilien zurückzuziehen.

Letztlich war das eine Reaktion auf die veränderte Forschungsmeinung, die einen Gerichtsspruch zugunsten der Hohenzollern kaum noch wahrscheinlich erscheinen lässt. Aber das Aufatmen in der Kulturwelt ist dennoch verfrüht: Denn wie steht es mit dem Hohenzollernanspruch auf die anderen, je nach Zählung sechs- bis zehntausend Kulturgüter aller Art? Etwa jene Werke, die vor der Enteignungswelle 1945 von der Roten Armee in die Sowjetunion gebracht worden waren und erst 1958 an die DDR übergeben wurden. Wie steht es um den erst vor einigen Jahren in einem Tresor entdeckten Nachlass von Kaiserin Augusta?

Und wie um jene Kunstwerke, die diese Familie mit großer Sicherheit zwei Mal an den republikanischen Staat verkauft hat, etwa Watteaus grandioses Gemälde Ausschiffung nach Kythera? Wie um die Objekte, die als Hohenzollern-Besitz anerkannt sind, also jederzeit aus den Schlössern und Museen abgezogen werden können? Wie um die Verfügungshoheit über Tausende von Objekten, die in die Kulturgutschutzliste eingetragen wurden und damit faktisch nicht mehr verkauft werden können? Darum nämlich dreht es sich eigentlich in der Debatte: Um die Möglichkeiten für die Familie Hohenzollern, weiter Objekte und ganze Sammlungen frei verkaufen zu können.

Zu all diesem sagte Herr Prinz von Preußen – nichts. Es sollte ja nur ein Buch vorgestellt werden. Wir können also sicher sein: Der Streit ist nicht vorbei, sondern vertragt. Und wir werden darauf achten müssen, dass es den Hohenzollern nicht wieder gelingt, ihn wie bis 2019 als Geheimsache zwischen der Familie und dem Staat behandeln zu lassen. Hier ist, gerade nach den vielen Geschichtsmanipulationen der Hohenzollern in den vergangenen Jahrzehnten und ihrer regelrechten Klageorgie gegen kritische Historiker:innen und Journalist:innen seit 2019 maximale Offenheit nötig, 

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