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Gegossene Bilder. Der Künstler Stijn Ank bei der Arbeit.

© Courtesy of Galerie Michael Janssen

Porträt des Künstlers Stijn Ank: Farbe in Form

Stijn Ank malt nicht, sondern gießt seine Bilder. Zehn Jahre hat er gebraucht, um diese Arbeitsmethode zu perfektionieren. Das Künstlerhaus Bethanien zeigt aktuelle Werke. Eine Begegnung.

Als in Spanien die Immobilienblase platzte, verlor Stijn Ank seinen Job bei einem renommierten Barceloneser Architekturbüro. Architektur hatte er eigentlich nur deshalb studiert, weil ihm seine Eltern von einem Kunststudium abgeraten hatten. Jetzt war die Bahn gewissermaßen frei. Ank konnte Künstler werden. Einer, der von sich sagt, dass er als Künstler in seinem Werk so abwesend sein will wie möglich.

Der 1977 geborene, heute in Brüssel lebende Flame macht das sofort anschaulich anhand von ein paar aus seiner Sicht „verunglückten“ Bildern. Auf den ersten Blick geht diese Flachware ohne Weiteres als „Bild“ durch. Es irritieren vielleicht die stets zwölf kleinen Löcher in regelmäßigen Abständen entlang der Ränder. Von der Seite betrachtet wird deutlich, dass auf der grundierten Leinwand eine immerhin einen Zentimeter dicke Schicht aufgetragen wurde. Und wer einen Blick auf die Rückseite wirft, erkennt, dass diese Seite einmal die Front war oder es jedenfalls sein sollte.

Er hat zehn Jahre gebraucht, um mit dem Material so arbeiten zu können

Stijn Anks Arbeiten dieser jüngsten Werkgruppe entstehen so: Er nimmt eine handelsübliche Leinwand und baut eine kleine Verschalung darum herum. Daher rühren auch die kleinen Löcher, wie man sie im größeren Maßstab aus der Architektur mit Sichtbeton kennt. Dann gießt er von oben in mehreren Schichten Gips ein und mischt einigen Schichten Farbpigmente bei. Mit einem Trichter erzeugt er leichte Farbverläufe. Aber nur leichte – zu unregelmäßig darf es nicht werden. Er wäre sonst als Künstler zu präsent. Die aussortierten Exemplare – die Ausschussquote beziffert er mit 50 Prozent – sehen ein bisschen nach abstraktem Expressionismus aus. Das Gestische daran mag Ank überhaupt nicht. Lieber ist es ihm, wenn die Farbschichten vertikal als solche erkennbar bleiben und nur gelegentlich in die Vertikale ausreißen. Er will auch nichts von einer über das visuell Wahrnehmbare hinausgehenden „Bedeutung“ wissen. Er macht deshalb kein Geheimnis daraus, wie seine Arbeiten entstehen. Ank ist sich sicher, dass es ihm trotzdem keiner nachmachen könnte. Er hat zehn Jahre gebraucht, um mit dem Material so arbeiten zu können. Er kann den Gips fühlen, er kann ihn hören. Sagt er. Und er findet es lustig, wenn andere überlegen, ob es sich wegen des Materials nicht vielmehr um Skulpturen als Bilder handelt. Solche Einordnungen sind ihm nicht wichtig. Sagt er.

Es könnte natürlich auch sein, dass er sie bewusst unterläuft. Seine vergangene Ausstellung in der Galerie Michael Janssen hieß „Fresco“, genau wie seine aktuelle im Künstlerhaus Bethanien. Bei der Freskenmalerei, die ihren Höhepunkt im Italien der Renaissance und des Barock hatte, ging es, technisch gesehen, darum, Farbpigmente fest in den noch frischen Putz einzubinden. Fresken sind keine oberflächliche Wandmalerei. Anks Namensgebung leuchtet deshalb unmittelbar ein. Sie bedeutet aber nicht, dass er seine Kunst als Fresken verstanden wissen will.

Nach der Ausstellung wird alles abgerissen

Die Arbeiten in der Galerie (je 4800 Euro) betrachtete er als Vorarbeiten zu dem viel größeren Werk im Künstlerhaus Bethanien, wo er als Stipendiat seines Heimatlandes Belgien für die Dauer eines Jahres residiert. In der mehrere Quadratmeter einnehmenden Installation, einer bunt gestreiften, von zwei Säulen des Raums gestützten Platte, stecken 1400 Liter Gips und 1000 Arbeitsstunden. Nach der Ausstellung wird alles abgerissen. Anks größere, eigentliche Arbeiten (zum Beispiel im S.M.A.K. in Gent oder im Casino Luxembourg) sind alle ortsbezogen. Sie können nicht transportiert, sie sollen nicht anderenorts rekonstruiert werden. So eine Art Kunst ist schwer verkäuflich. Ank weiß das, zuckt aber bloß mit den Schultern.

Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Str. 10., Di-So 14-19 Uhr, bis 26.3.

Jens Müller

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