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Wadjda und ihr Freund Abdullah, mit dem sie ihre Leidenschaft für das Fahrrad teilt. Eine Szene aus dem Film "Das Mädchen Wadjda".

© Razor Film

Roman aus Saudi-Arabien: "Das Mädchen Wadjda" jetzt als Roman

Hayfa Al Mansour lässt ihrem erfolgreichen und preigekrönten Film „Das Mädchen Wadjda“ nun den Roman folgen, der sich eng an den Film anlehnt.

Der Spielfilm „Das Mädchen Wadjda“ der saudischen Regisseurin Hayfa Al Mansour hat 2013 Furore gemacht. Ein Spielfilmdebüt einer Frau aus einem Land, das keine Kinos kennt, über ein zwölfjähriges Mädchen, dessen sehnlichster Wunsch ein grünes Fahrrad ist, auch wenn das Fahrradfahren Frauen und Mädchen in Saudi-Arabien verboten war. Der Film wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und war ein kleiner Sieg der Zivilgesellschaft gegen die konservativen Kräfte im saudischen Königreich. Jetzt dürfen Frauen – auch durch den Erfolg des Films – auch offiziell Fahrrad fahren, wenngleich in männlicher Begleitung.

„Der Film wird in Saudi-Arabien viel diskutiert und hat ein neues Gemeinschaftsgefühl geschaffen“, hatte Al Mansour im Tagesspiegel-Interview vor zwei Jahren gesagt. „Das mit dem Fahrradfahren ist nur eine kleine Veränderung. Aber eine konkrete. Sie ändert die Denkweise der Menschen. Es ist wichtig, auch kleine Schritte zu feiern, sie bereiten die größeren vor“, sagte Al Mansour damals.

Nun zeigt sich, dass die begabte mutige Regisseurin aus einer Familie der konservativen Mittelklasse auch eine begnadete Autorin ist. Al Mansour hat den Stoff des Films zum gleichnamigen Jugendroman verarbeitet, auch das ein gelungenes Debüt. Der Name des Mädchens ist „eine Ableitung des arabischen Wortes für ,Liebe‘. Es ist ein poetisches Wort für Sehnsucht und Verlangen“, erklärte Al Mansour in dem Interview, von daher ist der Name programmatisch gewählt.

Wadjda träumt von einem grünen Fahrrad. Um ihren Traum in Saudi-Arabien zu verwirklichen, setzt sie alle Hebel in Bewegung. Eine Szene aus dem Film von Hayfa Al AMansour, Regisseurin, Drehbuch- und nun auch Romanautorin.

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„Wadjda dachte überhaupt nicht an ihre Eintrittskarte ins Paradies. Das sah man an ihrem Gesicht“. So beginnt Al Mansour den Roman und man ahnt, dass dieses Mädchen anders ist als die anderen. „Irgendwie schienen sie immer nur darüber zu singen, dass es ihre Pflicht war, tugendhafte junge Mädchen zu sein und Ungläubige in der Ferne zu bekämpfen – oder sonst wen, der kein Muslim war. (...) Doch das machte das Singen auch nicht interessanter.“ Wadjda gebraucht in der Schule ihren eigenen Kopf, macht sich ihre Gedanken, während die Schülerinnen im Unterricht religiöse Lieder singen müssen, einige mit Inbrunst, andere pro forma. Wadjda durchschaut die doppelte Moral, die in ihrem Land herrscht. Von Hochzeiten und Zusammenkünften der Frauen weiß sie, dass es unter der sittsamen schwarzen langweiligen Abaya ziemlich bunt herging und ihre strenge Lehrerin am liebsten Leopardenmuster trug.

Wadjda ist anders als die anderen Mädchen, außer Fatima und Fatin, und deswegen eckt sie immer bei den Lehrern an. Außerdem treibt sie in der Schule heimlich einen schwunghaften Handel mit selbst gemachten Armbändern und Kassetten mit westlicher Musik. Auf die Tapete in ihrem Zimmer klebt sie Fotos aus Hochglanzmagazinen, Fotos von Jugendlichen in ihrem Alter, die zusammen etwas unternehmen, Jungs und Mädchen, die zum Strand gehen oder Skateboard fahren. Diese Collage soll sie an all das erinnern, was sie irgendwann einmal machen möchte.

Man leidet mit diesem aufgeweckten Mädchen mit, wenn man liest, wie es ihr in der Schule ergeht, wie groß der öffentliche Druck ist. Dagegen beschreibt sie ihr Zuhause als eine Insel, als einen Rückzugsort, der ihr Kraft gibt, ihren Weg in dieser Gesellschaft zu gehen.

Hayfa Al Mansour hat sich ihrem Film nun den gleichnamigen Roman folgen lassen. Ein wunderbares Debüt.

© cbt

Ihre Mutter ist Lehrerin und leidet under dem pakistanischen Fahrer Iqbal, der sie zu Arbeit fahren muss. Der Vater verdient sein Geld auf einer Ölplattform, ist selten zu Hause und zeigt Wadjda, wie man mit Steinen zielt und trifft. Und dann gibt es noch Abdullah, den Sohn des reichen und mächtigen Politikers, der Wadjda gerne sieht, mit ihr um die Wette läuft und dabei auch einiges riskiert, denn dass Jungs und Mädchen zusammen spielen, wird nicht gerne gesehen.

Schon an diesen kleinen Szenen wird deutlich, dass das Leben in Saudi-Arabien nicht nach dem Schwarz-Weiß-Schema abläuft, wie man es sich im Westen vielleicht vorstellt. Al Mansour erzählt ihre Geschichte aus dem Erleben des Alltags heraus und intelligente Menschen erkennen selbst die wachsenden Widersprüche in der Gesellschaft und suchen ihren Weg.

Wadjdas sehnlichster Wunsch ist ein grünes Fahrrad, das sie vor einem Geschäft gesehen hat, das sie gerne kaufen würde, um dann mit Abdullah um die Wette fahren zu können. Ein aussichtsloses Unternehmen in solch einem Land, denkt man, doch Wadjda gibt nicht auf. Sie meldet sich sogar zum Koranrezitierwettbewerb, um das Preisgeld für ihr Projekt zu gewinnen, versucht, das System mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen.

Wadjda zeigt, dass man mit eisernem Willen etwas erreichen und verändern kann. Der Roman liefert tiefe Einblicke in eine saudische Familie, beschreibt das Problem der Zweitfrau und der Tradition. Ein faszinierendes und mutiges Buch, das dieses Mal Lust auf den Film macht.

Hayfa Al Mansour: Das Mädchen Wadjda. Roman. Aus dem Englischen von Catrin Fischer. cbt Verlag, München 2015. 304 Seiten. 12,99 Euro. Ab zehn Jahren.

Der Film ist auf DVD (Koch Media Home Entertainement, 12,99 Euro) lieferbar.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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