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Sharon Dodua Otoo

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

„Würde einen solchen Aufruf heute nicht mehr unterzeichnen“ : Sharon Dodua Otoo distanziert sich von „Artists for Palestine“

Nach der Debatte um die Aberkennung des Peter-Weiss-Preises der Stadt Bochum veröffentlicht die Berliner Schriftstellerin ein Statement. Ihr Preisgeld will sie spenden.

Es sind deutliche Worte, die die 1972 in London geborene Berliner Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo an diesem Mittwoch in einem Brief schreibt, den ihr Verlag S. Fischer am Nachmittag veröffentlichte: „Ich würde einen solchen Aufruf nicht mehr unterzeichnen“, so Otoo. Und: „Ich möchte weder die Jury noch die Stadt Bochum noch den Namen von Peter Weiss mit den Vorwürfen gegen mich und die ausgelöste Debatte in Verbindung wissen“.

Otoo war am Montag als Preisträgerin des diesjährigen, mit 15.000 Euro dotierten Peter-Weiss-Preises der Stadt Bochum auserkoren worden. Nachdem kurz danach der Blog „Ruhrbarone“ darauf hingewiesen hatte, dass Otoo eine Petition des britischen BDS-Ablegers „Artists for Palestine“ unterzeichnet hatte, setzte die Stadt die Preisvergabe für das kommende Jahr aus, um den Sachverhalt zu prüfen.

Aufruf zum Kultur-Boykott Israels

„Sollten sich die Vorwürfe der Ruhrbarone bewahrheiten“, schrieb die Bochumer Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Jessel in einer Stellungnahme, „dann werden wir uns als politische Vertreter:innen der Jury dafür einsetzen, dass Sharon Dodua Otoo der Preis nicht zuerkannt wird.“

Sie habe die Petition von „Artists for Palestine UK“ 2015 unterschrieben, schreibt nun ihrerseits Otoo in ihrer Stellungsnahme, um sich damals „solidarisch mit dem gewaltlosen Widerstand Kulturschaffender in Palästina zu positionieren“. In der Petition von „Artists for Palestine“ heißt es: „Wir unterstützen den palästinensischen Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit. Als Reaktion auf den Aufruf palästinensischer Künstler und Kulturschaffender zu einem Kulturboykott Israels verpflichten wir uns, weder berufliche Einladungen nach Israel noch finanzielle Unterstützung von Institutionen anzunehmen, die mit der israelischen Regierung verbunden sind, bis Israel das Völkerrecht und die universellen Grundsätze der Menschenrechte einhält.“

Otoo bemüht sich nun darum, ihren Namen von der Liste entfernen zu lassen: „Ich bin immer, und erst recht hier in Deutschland, für den Austausch“. Dabei brauche es auch Platz für Dissens, so Otoo, „um gemeinsam um Verständigung zu ringen. Deshalb bin ich dankbar, wenn ich auf meine Fehler hingewiesen werde.“

Mein Entsetzen und meine Abscheu über die fürchterliche Gewalt der Hamas war und ist eindeutig. 

Sharon Dodua Otoo, Schriftstellerin

Des Weiteren spricht Otoo den Angehörigen der Opfer des Hamas-Massakers vom 7. Oktober ihr Beileid aus. „Mein Entsetzen und meine Abscheu über die fürchterliche Gewalt der Hamas war und ist eindeutig.“ Sie bedaure zutiefst, „dass es uns, die nicht persönlich betroffen sind, nicht gelungen ist, unser Beileid und unsere Solidarität sichtbarer und hörbarer zu machen, dass viele jüdische Menschen auch hier in Deutschland sich alleingelassen fühlen.“

Man kann jetzt die Frage stellen, warum Otoo bei ihrem ganzen Engagement erst jetzt zum Massaker der Hamas und dem Antisemitismus in Deutschland Stellung bezieht, von wegen Solidarität sichtbarer, hörbarer machen. Und auch, warum sich die Jury ausgerechnet des Peter-Weiss-Preises (man denke an Weiss’ zwischen 1963 und 1965 entstandenes Stück „Die Ermittlung“ über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse) nicht vorher über mögliche problematische Einstellungen ihrer Preisträgerin kundig gemacht hat.

Anders als Adania Shibli

Andererseits verdient die Stellungnahme der Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2016 viel Respekt, nämlich Fehler einzugestehen und sich von der BDS-Kampagne zu distanzieren. Das unterscheidet sie beispielsweise von ihrer palästinensischen Kollegin Adania Shibli, die zu ihren Unterschriften unter zwei BDS-Petitionen in früheren Jahren nichts sagen, geschweige denn sich distanzieren wollte. (Und aktuell von ihrem Verleger zu ihrem ausdauernden Schweigen im neuen Berenberg-Verlagsprogramm für das Frühjahr ausdrücklich dafür gelobt wird).

Otoo schlug nun vor, das Preisgeld von 15.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu stiften, etwa an die Initiative „Gesellschaft im Wandel“. Diese führt unter anderem Gespräche an Schulen über den Nahostkonflikt, moderiert von der deutsch-palästinensischen Bildungsaktivistin und Sozialmanagerin Jouanna Hassoun, und dem deutsch-jüdischen Aktivisten, Schauspieler und Unternehmer Shai Hoffmann.

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