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Runde Berlin
mit dem Journalisten Deniz Yücel
Beginn am Treptower Park in Berlin Treptow
mit Ann-Kathrin Hipp
Foto: Doris Spiekermann-Klaas

© Doris Spiekermann-Klaas TSP/Doris Spiekermann-Klaas TSP

Erneuter Haftbefehl gegen Deniz Yücel: Was die Türkei unter Meinungsfreiheit versteht

Wegen „ Verunglimpfung des türkischen Staates und der türkischen Nation“ und „Beleidigung des Staatspräsidenten“: Ein Istanbuler Gericht hat wieder einen Haftbefehl gegen den Journalisten und PEN-Berlin-Gründer Deniz Yücel erlassen.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Die Mitteilung, die erst der Berliner und einen Tag später der Darmstädter PEN machten, passt gut zu der Aufmerksamkeit für die Präsidentschaftswahl in der Türkei und die bevorstehende Stichwahl zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan seinem Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu: Erneut hat ein Istanbuler Gericht Haftbefehl gegen den „Welt“-Journalisten und PEN-Berlin-Gründer Deniz Yücel erlassen.

Terrorpropaganda?

Angestrengt werde dieser Prozess, so der PEN Berlin, wegen „Verunglimpfung des türkischen Staates und der türkischen Nation“ und wegen „Beleidigung des Staatspräsidenten“.

Yücel war im Jahr 2017 als Korrespondent der „Welt“ in der Türkei inhaftiert worden. Zur Last gelegt wurden ihm die Verbreitung von Terrorpropaganda und Aufstachelung zu Hass und Feindseligkeit. Ein Jahr musste er in einem Istanbuler Gefängnis verbringen, ohne Anklageschrift, erst dann konnte er nach Deutschland zurückkehren. Das türkische Verfassungsgericht wie auch der Europäische Gerichtshof befanden Yücels Untersuchungshaft später für verfassungswidrig und stellten fest, dass all seine Texte in der „Welt“ durch die Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Im Juli 2020 wurde Yücel dann in der Türkei in Abwesenheit wegen „Propaganda für eine Tarnorganisation“ zu knapp drei Jahren Haft verurteilt. Das neue Verfahren mitsamt Haftbefehl sei nun, so schreibt es der PEN in seiner Stellungnahme, auf der Basis der seinerzeit beanstandeten Zeitungsartikel eröffnet worden.

Damit beweist der türkische Staat einmal mehr, was er von der Presse- und Meinungsfreiheit hält, nämlich nichts, und wie sehr Erdogan den Justizapparat seines Landes für antidemokratische Zwecke instrumentalisiert. Erst Mitte April hatte ein türkisches Gericht verfügt, die kurdische Übersetzung von Asli Erdogans Buch „Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch“ wegen angeblicher „Terrorpropganada“ aus der Öffentlichkeit zu verbannen, aus Schulen, Bibliotheken, öffentlichen Einrichtungen und nicht zuletzt Gefängnissen.

Nun dürfte sich Deniz Yücel sowieso hüten, noch einmal in die Türkei einzureisen, erst recht da ihm wieder eine Verhaftung droht. Der Haftbefehl gegen ihn weist jedoch erneut darauf hin, welchen Drohungen unabhängige Medien in der Türkei unablässig ausgesetzt sind.

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