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John Eliot Gardiner und sein Orchester in der Philharmonie.

© Fabian Schellhorn

Musikfest Berlin 2022: Von Höhepunkt zu Höhepunkt

John Eliot Gardiner dirigiert Beethovens "Missa Solemnis" mit seinem "Orchestre Révolutionnaire et Romantique" sowie dem Monteverdi Choir.

Eine beglückende, erhebende Aufführung der „Missa Solemnis“ von Ludwig van Beethoven ist am Mittwoch in der Philharmonie zu erleben – die Zeugnis ablegt von den besten Seiten menschlichen Schaffens. Im Rahmen des „Musikfest Berlin“ ist John Eliot Gardiner mit dem von ihm gegründeten Monteverdi Choir und dem Orchestre Révolutionnaire et Romantique zu Gast. Gardiners in der historischen Aufführungspraxis begründete Interpretation ist für die gewaltige Messvertonung ideal.

Der 79-Jährige zeigt keine Spur von Altersmüdigkeit, unter seinem federnden Dirigat verschwindet jeder Gedanke an die angebliche Sprödigkeit dieses Spätwerkes von 1823 (eine Aufzeichnung des Konzerts ist bis 11. September in der Mediathek der Berliner Festspiele verfügbar).
Die Kontrapunktik beginnt zu tanzen, jede Gegenstimme wird hörbar, wozu die exemplarische Diktion und stimmliche Homogenität der nur 36 Sänger:innen des Monteverdi Choir entschieden beitragen: Das „Gloria“ scheint vor Energie zu bersten, so gekonnt steuern sie die Spannungsbögen auf ihre Höhepunkte zu. Die „Cum sancto spirito“-Fuge, einer der vielen Höhepunkte des Werkes, wird trotz ihrer kompositorischen Strenge zu einem mitreissenden Freudenfest.

Fantastisch, dieser Jubel, bewegend die meditativen Momente

Es zeugt von der Meisterschaft der Aufführenden, dass bei allem Jubel die meditativen Augenblicke des Werkes nicht auf der Strecke bleiben. Im „Credo“ stehen die acht Chortenöre als einzige auf und intonieren den Vers „Et incarnatus est“ in einer Ruhe, dass die Zeit stillsteht. Die mühelose Koordination der abschließenden Fuge „Et vitam venturi saeculi“ – einer der schwierigsten der Chorliteratur – beweist erneut die tiefe Vertrautheit zwischen dem Dirigent und seinem Ensemble. Das „Benedictus“ entführt in eine überirdische Atmosphäre, berührt durch den Dialog der einsam schwebenden Solovioline mit den Holzbläsern.

Am Ende gibt's standing ovations

Das hervorragende Solistenquartett wirkt nur im Zusammenklang gelegentlich etwas inhomogen. Der Bass William Thomas und der Tenor Giovanni Sala, beides junge Sänger, überzeugen mit präsenter, kerniger Tongebung, während die Sopranistin Lucy Crowe und der Alt Ann Hallenberg einen vibratoarmen Klang bevorzugen. Das sorgt zwar zeitweise für ein leichtes Ungleichgewicht der Stimmen, tut aber dem insgesamt großartigen Abend keinen Abbruch. Die viel zu kurzen 90 Minuten werden mit standing ovations gefeiert.

Tye Maurice Thomas

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