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Komik im Schatten der Trauer. Heinz Bennent, 18. 7. 1921 – 12. 10. 2011.

© dpa

Zum Tod von Heinz Bennent: König, Narr und Philosoph

Er war als Komödiant und Tragöde, als wunderbarer Menschenabenteuererzähler ein Schauspieler, der in seiner Kunst alles gab. Zum Tod des großen Schauspielers Heinz Bennent.

Alles, was für die Öffentlichkeit im Theater, im Kino und auch im Fernsehen bestimmt war. Das war bei ihm viel, sehr viel. Und immer sehr fein, feinsinnig. Alles andere blieb privat, da zog er sich völlig zurück: in die Familie, zu seiner Frau Diane, einer französisch-schweizerischen Tänzerin, und den gemeinsamen Kindern Anne und David Bennent, die beide gleichfalls Schauspieler geworden sind. Gerade erst hatten wir ihm zum 90. Geburtstag gratuliert, im Juli.

Heinz Bennent war keine öffentliche Person. Und war doch einer der wenigen internationalen deutschen Stars – und zugleich der seltene Fall eines dunkelblonden, glänzend aussehenden Mannes aus dem Land der Kriegsanstifter und Kriegsverlierer, der auf der Leinwand neben seinen ausländischen Kollegen nicht immerzu den typischen Nazi-Offizier mimen musste.

In François Truffauts Melodram „Die letzte Metro“ (1980) spielte Heinz Bennent den versteckten jüdischen Theaterdirektor, behütet und auch ein wenig betrogen von seiner schönen Gattin und Primadonna in Gestalt von Catherine Deneuve. Bennent zeigte vor allem das innere Drama, mit bezaubernden Anflügen ironischer Melancholie, auf die er sich so unvergleichlich verstand. Bei ihm kam der Glamour von innen, aus einem eigensinnigen Charakter, in dem es brennt ohne Rauch. Seine Intensität war durchscheinend spürbar. Im Schatten von Trauer leuchtete seine Komik.

Er hatte auch Sinn für das Bizarre, Bedrohliche. So war er der sonderbar schwule Gemüsehändler in Volker Schlöndorffs „Blechtrommel“, in Ingmar Bergmans Nazi-Horrorfilm „Das Schlangenei“ spielte er einen wahnsinnigen Wissenschaftler. Das breite Publikum kannte ihn vom Film, doch er kam vom Theater. Es fügte sich wunderbar, dass der große alte Bennent, ein zierlicher Herr, einen seiner letzten großen Theatertriumphe mit seinem Sohn David gefeiert hat, der als Oskar Matzerath in der „Blechtrommel“ berühmt wurde. Heinz war der blinde Hamm, ein grantelnder König, ein Clochard auf dem Thron, und David kreierte um ihn herum den Knecht und Clown Clov. Das war 1995 in Samuel Becketts „Endspiel“, ein bewegendes Familienunternehmen Bennent. Mit Beckett gastierten sie in ganz Europa. Vater und Sohn traten auch in einem Programm mit Texten von Heiner Müller und Friedrich Hölderlin gemeinsam auf. Und unvergessen Heinz Bennents Tschechow-Abend „Ich bin der Mann meiner Frau“, der vor zehn Jahren im Berliner RenaissanceTheater Premiere hatte.

Die Aufführung kam aus Lausanne. Dort wohnte Heinz Bennent mit seiner Frau Diane, abwechselnd in der Stadt und im Umland in einem Bergbauernhaus, auf 2000 Meter Höhe. Früher lebten hier auch David und Anne. Oft zog es die Familie auch in das kleine Haus auf Mykonos, wo die Eltern die Kinder, ohne offizielle Schule, selber unterrichtet haben. Auf dem Berg, am Meer, sie lebten weit abgeschieden von der Welt.

Heinz Bennent, der auch ein wunderbarer König Lear gewesen wäre – der Shakespeare’ sche König, der aus unergründlichen Motiven abdankt und ins Unglück stürzt – hat im „Lear“ den Narren gespielt, 1992 bei Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen. Bennent mit der Penner- und Clownsmütze, daneben ein scharfer, gallig-närrischer Philosophenkönig: Rolf Boysen. Bissig, mit seinem charakteristisch trockenen Witz trat Bennent in der Rolle des Großschauspielers in der Münchner Uraufführung von Botho Strauß’ „Besucher“ auf.

Als Sohn eines Buchhalters wurde er 1921 in der Nähe von Aachen geboren. Im Zweiten Weltkrieg war er beim Bodenpersonal der Luftwaffe. Sein erstes Theaterengagement nach der Schauspielschule führte ihn nach Karlsruhe, von dort ging es quer durch die Bundesrepublik, nach Bochum, Stuttgart, Berlin und Hamburg. Und bald auch schon knüpfte er Kontakte nach Frankreich, ins Nachbarland, wo man ihn ebenso sehr schätzte und liebte wie in Deutschland.

Vor einigen Monaten erst ist seine Frau gestorben, die Gefährtin auch seines langen Berufslebens. Das stand für ihn, wie er seinen Kindern sagte, „nicht im Vertrag“. Denn er wollte der Erste sein, der geht. Nun ist er ihr in seinem einundneunzigsten Lebensjahr nachgefolgt.

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