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ZDF-Chefredakteur: Wie viel Einfluss hat die Politik?

In die Debatte um die Vertragsverlängerung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hat sich nun auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch eingeschaltet. Wie viel Einfluss hat die Politik beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen?

Roland Koch legt nach in der Debatte um eine Vertragsverlängerung für ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. „Ich bin der Auffassung, es wäre für das ZDF besser, wenn es einen Neuanfang gäbe, und sehe, dass es dafür auch eine Unterstützung gibt“, sagte der CDU-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Koch darf das finden, er ist als hessischer Ministerpräsident stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates. Dem 14-köpfigen Gremium, das der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) leitet, gehören fünf Vertreter der Länder und einer des Bundes sowie acht weitere Personen an, die der ungleich größere Fernsehrat aus dem Kreis seiner 77 Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt hat.

Dieses Gremium wird als das machtvollere angesehen, weil es die Tätigkeit des Intendanten überwacht. Wenn also ZDF-Chef Markus Schächter den Chefredakteur Nikolaus Brender, wie er angekündigt hat, für die Sitzung des Verwaltungsrates am 27. März zur Bestätigung vorschlagen wird, muss das Gremium darüber abstimmen.

Verwaltungs- und Fernsehrat werden von den beiden „ Freundeskreisen“ von Union und Sozialdemokratie beherrscht. Diese Dominanz ist durch nichts als den Willen zur Macht und eine unsichtbare Vereinbarung der beiden politischen Lager legitimiert. Praktisch drückt sie sich dadurch aus, dass der Chefredakteur eher links, der Programmdirektor (derzeit Thomas Bellut) eher konservativ sein darf.

An diesem frechen Zugriff der Parteien auf einen eigentlich staatsfernen Sender will Koch nicht ein Jota ändern. Im Interview sagte er, „kein Mitglied des Verwaltungsrates, kein Christdemokrat in diesem Gremium, will diese Grundstruktur ändern“. Trotzdem, so behauptet Koch, könne und werde es bei der Causa Brender nicht um parteipolitische Fragen gehen, sondern um Fakten. Mit Brender habe die Informationssparte des zweiten Programms an Akzeptanz verloren. Drei Zahlen hat er bei der Hand, um dem seit neun Jahren arbeitenden Chefredakteur Erfolglosigkeit nachzuweisen. „Heute“ habe seit 2002 26 Prozent seiner Zuschauer eingebüßt. „2008 wurden wir erstmals von ,RTL aktuell‘ überholt, liegen also hinter ,Tageschau‘ und der RTL- Sendung nur noch auf Platz drei.“ Das „Auslandsjournal“ habe heute 56 Prozent weniger Zuschauer, der „Länderspiegel“ 16 Prozent, das „Heute Journal“ zehn Prozent weniger.

Mit Statistiken ist das so eine Sache. Jeder bedient sich, wie er es braucht. Koch lässt Formate wie „Maybrit Illner“ und das „Morgenmagazin“ geflissentlich weg. Und er verengt den Blick auf die „Heute“-Nachrichten ganz bewusst auf die Ausstrahlung im ZDF. Es gibt nicht wenige, öffentlich-rechtlich geprägte Zuschauer, die die „Heute“-Sendung um 19 Uhr im 3sat-Programm einschalten. Dort, im Umfeld des vorhergehenden Zukunftsmagazins „Nano“ und der an „Heute“ anschließenden „Kulturzeit“, fühlen sie sich wohl. Das Gesamtpublikum von ZDF und 3sat zaubert „Heute“ vor „RTL aktuell“.

Wäre Roland Koch nicht so eindimensional in seiner Denke – Brender muss weg! –, könnte er die richtige Diskussion befördern. Wo soll, wo muss ein öffentlich-rechtliches Programm seine Informationssendungen platzieren? Das „Auslandsjournal“ ist so lange durch das zweite Programm auf einen späten Sendeplatz am Mittwoch getrieben worden, bis ein Gutteil des Publikums die Spur verloren hat. Wie man Zuschauer hält, zeigt die ARD mit dem „Weltspiegel“, der am Sonntag erstklassig um 19.20 Uhr platziert worden ist. Das interessierte Publikum dankt es mit erstklassigen Quoten von mehr als 2,5 Millionen Zuschauern. Das ZDF-Gremienmitglied Koch sollte seine Mitgremienmitglieder daran erinnern, dass der Fernsehrat das Programm zu überwachen hat. Wo sind sie alle, wenn es um das Kulturmagazin „Aspekte“ geht? Gerade mit Fleiß scheinen es die ZDF-Programmplaner darauf anzulegen, dass diese Sendung ausfällt.

Nur das kann eine Aufgabe für Verwaltungsrat Roland Koch sein: eine intensive Debatte mit Intendant Schächter, Programmdirektor Bellut und Chefredakteur Brender über das öffentlich-rechtliche Profil des Zweiten Deutschen Fernsehens. Da haben sich Irrwege aufgetan. Ein ZDF, das beim Publikum erfolgreicher ist als das erfolgreichste Privatprogramm, RTL nämlich, hat einen kräftigeren RTL- Anstrich, als es dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag guttut.

Wenn aber Roland Koch jemals einen Verbündeten für erfolgreichen öffentlich-rechtlichen Journalismus im ZDF sucht, dann muss er gar nicht lange suchen – weil er ihn in Nikolaus Brender sofort finden könnte. Vorausgesetzt, Koch sieht mit dem Zweiten besser.

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