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Die Lichter dürfen nicht ausgehen, jedenfalls nicht in den Kulturtempeln.

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Die Kultur in der Energiekrise: Du bist nicht allein

Nach der Pandemie bangen die Kultureinrichtungen schon wieder um ihre Zukunft, und um das Publikum. Was jetzt not tut - ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christiane Peitz

Gehen wir bald mit dickem Pulli ins Theater oder in die Philharmonie? Die Vorgaben in Berlin sind klar: 19 Grad in öffentlichen Gebäuden, und die privat geführten Häuser müssen sehen, wie sie ihre höheren Kosten stemmen. Die Energiekrise ist eine Herausforderung auch für die Kulturnation, immer noch die vielfältigste und bestausgestattete der Welt.

Die gute Nachricht: Anders als zu Beginn der Pandemie, als die Kultur bei den Hilfspaketen der Politik zunächst nachrangig behandelt wurde, reagiert die Politik diesmal sensibler. Nicht nur mit deutlichen Appellen wie der von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dass die Branche nicht in eine Rezession rutschen darf, oder mit der Aufforderung der Kultusministerkonferenz, die Häuser offen zu lassen. Sondern auch mit finanziellen Maßnahmen.

Im Zuge des dritten Entlastungspakets sollen der nicht komplett abgerufene Corona-Sonderfonds für Kulturveranstaltungen zur Unterstützung in der Energiekrise umgewidmet werden: rund eine Milliarde Euro, die hoffentlich rasch und vor allem unbürokratisch verteilt wird. Und im Wirtschaftsministerium wurde jetzt eigens ein Ansprechpartner für die Kultur- und Kreativwirtschaft installiert.

Die schlechte Nachricht: Das Publikum hält sich zurück. Die Infektionsgefahr ist nicht gebannt, nun kommen Inflation und Energiekrise hinzu. Kann ich mir den Theaterbesuch noch leisten? Alleine die deutschen Kinos verzeichneten im ersten Halbjahr 2022 einen Besucherrückgang um 38 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Streamen ist nun mal günstiger und bequemer.

Nun ist die Kultur fürs Publikum da, und nicht umgekehrt. Für die Selbstverständigung der Gesellschaft, für das in den Lockdowns so schmerzlich fehlende Gemeinschaftserlebnis, für das Unberechenbare, die Ungewissheiten, die Differenzierung: Wer bin ich, wer sind wir, zumal in der Krise? Wie steht es um die eigene Zerrissenheit zwischen Solidarität und Selbsterhaltungstrieb in Kriegszeiten, Sozialphobie und der Sehnsucht, all die Ängste nicht alleine auszustehen?

Prinzip Neun-Euro-Ticket: Die Häuser müssen attraktive Angebote machen

Die Schwelle zur Kultur ist wegen der Geldsorgen höher geworden, also gilt es, sie anderweitig abzubauen. Mit Programmen für alle Generationen, direkter Publikumsansprache, digital und live. Mit attraktiven Angeboten: Das Staatstheater Hannover testet bis Ende Oktober ein „Bring your friends“-Modell: Zu jedem Vollpreis-Ticket gibt’s bis zu fünf Karten für je 5 Euro dazu. Solche Probeläufe nach dem Prinzip des Neun-Euro-Tickets kann es gar nicht genug geben.

Kunst kann Krise. Sie kann selber Energie sparen und gleichzeitig Energie zuführen, den besorgten Menschen signalisieren: Du bist nicht allein. Dennoch ist sie nicht zweckgebunden, darf nicht utilitaristisch vereinnahmt oder für noch so gute ZIele wie Diversität oder Nachhaltigkeit politisiert werden. Kunst erschöpft sich nicht im Bekenntnis, auch sind Kulturhäuser nicht die Wärmestuben der Nation. Aber sie müssen dem Publikum entgegenkommen.

Im ersten Corona-Winter wurde über die Systemrelevanz der Kultur gestritten. Jetzt lautet die Frage, ob sie zur kritischen Infrastruktur gehört. Der Notfallplan Gas legt fest, dass Kulturgut nicht gefährdet sein darf. Die Museumssammlungen und Archive gehören also dazu, nicht aber die Theater oder die Kinos. Um so wichtiger, dass für möglichst viele Menschen anregend, aufregend und unverzichtbar ist, was dort geschieht. Und wenn der Saal voll ist, wird’s dort auch wärmer.

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