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Der neue König Charles III. empfängt die neue Regierungschefin Liz Truss im Buckingham Palace.

© Foto: Reuters/Kirsty O’Connor

Großbritannien nach der Trauer: Verdammt zur Rückkehr in den Alltag

Der Thronwechsel hat der neuen Regierungschefin Liz Truss eine Schonfrist beschert. Nun muss sie liefern. Sonst geht es mit ihr rasch abwärts. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Eine gefühlte Ewigkeit hat Großbritannien Abschied von Elizabeth II. genommen. Mit ihrem Begräbnis an diesem Montag geht eine Ausnahmezeit zu Ende, in der das Königreich sich den Luxus erlaubte, so zu tun, als stehe der Globus still.

Ab Dienstag ist der harte Alltag zurück. Dann lauten die drängenden Fragen nicht mehr, welche Zukunft die Monarchie hat und ob Australien oder Jamaika sich einen republikanischen Präsidenten anstelle von Thronfolger Charles als Staatsoberhaupt wünschen. Sondern ob Liz Truss Fuß fasst und die lange Liste irdischer Herausforderungen abarbeitet.

Die Queen hatte Truss als letzte Amtshandlung zwei Tage vor ihrem Tod zur neuen Premierministerin ernannt. Während die Politik zwei Wochen lang ruhte, sind die Probleme nicht geringer geworden.

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In der Innenpolitik reichen sie von der Inflation, vor allem bei den Energiepreisen, über die chronische Unterversorgung im staatlichen Gesundheitswesen bis zu drohenden Streiks bei Bahn und Post.

In der Außenpolitik vom Krieg in der Ukraine bis zu Konflikten mit China, aber auch mit den wichtigsten Verbündeten: mit Frankreich um den Umgang mit illegalen Migranten, mit der EU um die Umsetzung der Nordirland-Abkommen. Auch die USA schauen misstrauisch auf die Neigung der Tory-Regierungen – erst Boris Johnson, nun Liz Truss –, vertragsbrüchig zu werden.

Sieht Johnson Truss nur als schwache Übergangsfigur?

Die neue Regierungschefin kann von Glück sagen, dass der Thronwechsel ihr eine Schonfrist beschert hat. Die Zeit taucht die Widersprüche bei ihrem Aufstieg an die Spitze in milderes Licht.

Anders als Johnson, der trotz seiner dreisten Schwindeleien populär ist, kann Truss sich weder auf Sympathien im Volk verlassen noch auf eine Mehrheit in der Fraktion, die doch ihren Kurs im Parlament stützen soll. Den Kampf um die Parteiführung hat sie mit neoliberalen Versprechen gewonnen – Steuersenkungen und weniger Staat –, die in der Krise realitätsfremd sind.

An die Macht gekommen, tut sie nun das Gegenteil: Sie schnürt ein teures Entlastungspaket, damit Unternehmen und Privathaushalte überleben.

Truss muss jetzt rasch zeigen, dass sie sich Respekt verschaffen kann. Sonst geht es ähnlich schnell abwärts mit ihr, wie sie emporgestiegen ist. Wegen der internen Konflikte bei den Konservativen liegt die oppositionelle Labour-Partei in Umfragen vorn. Auch das erhöht den Druck auf Truss. Sie muss rebellische Tory-Abgeordnete teils mit Zugeständnissen gewinnen, teils mit Machtdemonstrationen in die Schranken weisen.

Wartet auf eine Chance zum Comeback: Boris Johnson.

© Foto: Reuters/Ben Stansall/Pool

Im Hintergrund wartet Johnson auf eine Chance zum Comeback. Bisher ist unklar, warum er Truss unterstützt hat: Traut er ihr das Amt zu, oder hält er sie für eine schwache Interimsfigur, die er bald ablöst?

Für Deutschland und die EU bedeutet die instabile Konstellation: Sie müssen sich einen neugierigen Blick bewahren, auf unterschiedliche Dynamiken vorbereiten und klug abwägen, auf welche Entwicklungen sie flexibel und auf welche prinzipiell reagieren.

Vieles, was in Großbritannien geschieht, wirkt von außen betrachtet sehr eigen und womöglich dem Untergang geweiht, aber aus britischer Binnenperspektive normal und durchaus zukunftsfähig. Die Urteile, ob der Brexit ein Fehler war, den die Briten korrigieren werden, und wie lange die Monarchie überlebt, darf man getrost der Zukunft überlassen. EU muss die Nordirland-Verträge durchsetzen

Hier und jetzt geht es darum, praktische Fragen des Zusammenlebens in Europa zu lösen. Das heißt für den Umgang mit der Regierung Truss: Die Absprachen zu Nordirland und zum Verlauf der Zollgrenze zwischen der EU und Großbritannien muss die EU durchsetzen – auch weil beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden drohen kann.

Für die Kooperation in Sicherheitsfragen verdienen die Briten Dank. Sie sind verlässliche Verbündete, gerade auch in der Ukraine, und haben die einsatzstärkste Armee der Nato nach den USA.

Im deutschen Interesse liegt es nicht, auf ein Scheitern von Liz Truss zu wetten. Sondern Großbritannien – unter wem auch immer – Erfolg zu wünschen. Auch ohne die verbindende Kraft der Queen.

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