zum Hauptinhalt
Bundesfamilienministerin Lisa Paus

© Imago/Photothek/Janine Schmitz

Paus als neue Vetoministerin: Die Ampel blockiert sich selbst – den Schaden hat Deutschland

Das dringende Wachstumschancengesetz ist vorerst gescheitert – am Widerstand einer Ministerin von den Grünen. Und das kann sich die Koalition leisten? Nicht im Ernst.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die deutsche Wirtschaft schwächelt, die deutsche Industrie, der ganze Standort Deutschland. Alle Kundigen wissen das, alle sehen das, diskutieren Auswege. Und was tut diese Koalition, die Ampel? Stellt die Zeichen nicht auf Zukunft, auf Reformen, sondern auf Stopp. Es ist zum Rotwerden – aber vor Empörung.

Regieren sollen sie, nicht lavieren, intrigieren, irritieren. Nur tun sie genau das. Die Grünen blockieren das Gesetz zur Wachstumsbeschleunigung, blockieren die Chancen, aus dem Jammertal so schnell wie möglich herauszukommen.

Familienministerin Lisa Paus ist die neue Vetoministerin mit ihren Vorbehalten, und keiner hindert sie daran, kein Vizekanzler, der auch noch Wirtschaftsminister ist, kein Kanzler, der auch einmal Finanzminister war.

Paus erwartet vom Vizevizekanzler und Finanzminister Christian Lindner, zugleich FDP-Chef, erheblich mehr Geld für die Kindergrundsicherung. Milliarden mehr. Doch der will nicht.

Und was will die Koalition auf Dauer? Manchmal ist es zum Verzweifeln, dabei ist die Legislaturperiode noch lange nicht rum. Aber schon jetzt ist mehr als ein Drittel im Land unzufrieden mit der Ampel.

Der Begriff Agenda wäre ziemlich passend

Nur vielleicht ist das auch eine Chance: dass sich Rot, Gelb und Grün noch besinnen können. Der Amtseid – schon vergessen? – fordert, Schaden vom Land abzuwenden. Dafür muss jetzt eine Wende kommen, eine grundlegende in jeder Hinsicht. Wäre der Begriff nicht so verbraucht, dann wäre eine „Agenda“ ziemlich passend.

Die Fakten: Kein Frühjahrsaufschwung, das Bruttoinlandsprodukt stagniert im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, die Aussichten sind trübe. Nach Prognose des Internationalen Währungsfonds wird Deutschland die einzige Volkswirtschaft unter mehr als 20 untersuchten, in der die Wirtschaftsleistung leicht sinken wird.

Und weiter: Wir Deutsche konsumieren wegen der hohen Inflation weniger, die Wirtschaft kämpft mit hohen Preisen bei der Energie. Die Industrie leidet an der schwachen Weltkonjunktur, der Bauboom ist zu Ende. Hohe Zinsen der Notenbanken – gegen die Inflation – verteuern Kredite für Firmen und Verbraucher. Was sich wieder niederschlägt auf dem Immobilienmarkt.

Es müssen auch die strukturellen Probleme angegangen werden

Alles hängt mit allem zusammen. Die Agenda, um wettbewerbsfähig zu bleiben, trifft auf strukturelle Probleme. Auf eine noch immer schwache Digitalisierung, eine bröckelige Infrastruktur, hohe Unternehmenssteuern, eine ausufernde Bürokratie.

Etwas dagegen zu tun, hat oberste Priorität. Ein Mix aus kurzfristigen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung und dazu dann alles, was die strukturellen Gründe für das Schwächeln betrifft.

Also: ein subventionierter Strompreis für energieintensive Unternehmen? Mehr öffentliche Investitionen in die Energieinfrastruktur? Bessere Abschreibungsbedingungen für den Wohnungsbau? Ein strategisches Konzept muss her, das alles umfasst, vom Bürokratieabbau über Steuern, Lohnzusatzkosten bis hin zu schnelleren Genehmigungen.

Klar ist: Deutschland muss schneller werden, darf nicht an der Ampel stehen bleiben.

Stephan-Andreas Casdorff

Strategisch rangehen – da hat der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schon recht. Und das wollen ja auch vereinzelte Grüne. Co-Chefin Ricarda Lang etwa drängt genauso dazu, die Stärkung der Wirtschaft vorrangig zu behandeln. Sie fordert eine „Investitionsagenda“. Weil es darum gehe, Deutschlands wirtschaftliches Fundament zu verteidigen.

Man könnte sagen: Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Damit sind wir am Kern des Problems. Das Maß der Veränderung ist diskutabel, die Mittel sind es auch – nur zuzusehen, das ist es nicht. Das ist indiskutabel.

Und die Veränderungen müssen zwingend vom Bundeskabinett ausgehen. Kein FDP-Generalsekretär kann sie durchsetzen, keine Grünen-Chefin – aber der Kanzler, der könnte das.

Oder wenn nicht er allein, dann die Dreikanzlerriege. Und wenn die in ihrer Agenda die Kindergrundsicherung wollen, die auch besser ausstatten wollen, dann müssen sie es doch entscheiden. Jetzt. Endlich. Denn klar ist: Deutschland muss schneller werden, darf nicht an der Ampel stehen bleiben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false