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Wer gibt hier zu viel aus?

© dpa

Schuld ist der Schuldner: Politik und Bürger haben die Krise verursacht

Wir haben uns als Generalschuldigen der Finanzmarktturbulenzen den falschen ausgesucht. Nicht die Rating-Agenturen, sondern Politiker und Bürger selbst sind gemeinsam schuldig an diesem Desaster.

Als ob man durch Sündenböcke vom eigenen Versagen ablenken könnte! Derzeit ist es geradezu ein Volkssport, die sogenannten Rating-Agenturen – Firmen im Finanzmarkt also, welche die Kreditwürdigkeit von Konzernen, Banken und Staaten einstufen – als die Generalschuldigen der Finanzmarktturbulenzen an den Pranger zu stellen. In dieser populistischen Übung können sich dann auf bequeme Weise sogar Politiker und Bürger im Triumphgeschrei wieder vereinigen und davon ablenken, dass sie selber gemeinsam schuldig sind an diesem Desaster.

Bei anderer Gelegenheit lohnt es sich durchaus, über die Schwächen und Fehlleistungen der Rating-Agenturen Gericht zu halten – und sich anschließend zu fragen, wieso ausgerechnet eine staatliche Rating-Agentur, also die Selbsteinstufung des Schuldners, besser funktionieren soll. Aber wenn die Kreditwürdigkeit eines Schuldners, sei es einer Privatperson, sei es einer Kapitalgesellschaft, einer Bank oder eines Staates überhaupt in Zweifel steht, dann ist dies zunächst einmal in erster Linie ein Versagen des Schuldners, nicht aber dessen, der die Bilanz prüft.

Schaut man sich die ganze Kalamität einmal aus einem gewissen Abstand an, liegt doch auf der Hand, dass sich die im weitesten Sinne westlichen Gesellschaften seit dem Zweiten Weltkrieg den Aufbau einer verantwortungslosen Schuldenlast spendiert haben, dass sich also deren Regierungen das Wohlwollen ihrer Wähler nicht zuletzt dadurch gesichert haben, dass sie die Bürger nicht an die Prinzipien erinnert und gewöhnt haben, die sowohl für den biederen Hausvater als auch für den ehrbaren Kaufmann gelten müssen. Das erste Prinzip lautet: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben als man einnimmt. Oder, ins Politische übersetzt: Keine Gesellschaft kann sich mehr leisten, als sie zuvor selber geleistet hat, und zwar jeweils in der Lebensspanne jeder Generation.

Auch andere als die westlichen Gesellschaften leben über ihre Verhältnisse, jedenfalls deren Führungscliquen. Unser Grundirrtum aber war es, zu glauben, man könne die im Prinzip freie Marktwirtschaft und die weltweit offenen Märkte haben, ohne irgendwann die schroffe Reaktion der Märkte auf bedrohliche Überschuldung zu spüren zu bekommen. Selbst die vormaligen Versuche, diesem Widerspruch durch Abwertungswettläufe zu entkommen, haben ja auch nur jeweils sehr kurzfristig eine Scheinlösung geboten.

Was wir also derzeit erleben, ist das Platzen der Großmutter aller Blasen, gegen die sich die anderen Konjunktur-Blasen noch einigermaßen harmlos ausnehmen: Es platzt nun nämlich die Illusion, wir könnten den immer weiter fortgesetzten Aufbau der Staatsverschuldung allerorten immer weiter den künftigen Generationen zur Last legen, die sich ja in der Gegenwart noch nicht zur Wehr setzen können. Die nervösen Märkte reagieren jetzt gewissermaßen stellvertretend für unsere Nachkommen.

Zugegeben, in der Bundesrepublik, in Bund und Ländern, fängt man – wer hätte das vor zwanzig Jahren bereits gehofft? – nun an, über Schuldenbremsen wenigstens ernsthaft zu reden. Das Handeln geht noch lange nicht so weit, als dass es irgendjemanden so schmerzt, wie ihm die Staatsverschuldung eigentlich wehtun müsste, aber immerhin. Wenngleich es bisher ja nur darum geht, den Zuwachs der Verschuldung zu bremsen.

Früher haben Staaten in monumentalen Krisen ihre Verschuldung brutal abgeschüttelt, in Kriegen und Revolutionen. Jetzt geht es darum, unter den demokratischen Bedingungen von Freiheit und Gerechtigkeit sowie nach rationalen Prinzipien Herr des Problems zu werden. Dabei entscheidet sich nicht weniger als die Überlebensfähigkeit der Demokratien überhaupt.

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