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Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster im Zuge einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug. Das Foto stammt aus dem Jahr 2015.

© dpa/Patrick Seeger

Abschotten oder öffnen?: Ein altbekannter Vorschlag zur Migrationspolitik sorgt für Zwist in der Ampel

Die FDP will Asylverfahren in Drittstaaten verlagern. SPD und Grüne aber halten nichts von der Idee. Und das ist nur einer von mehreren Streitpunkten zur Migrationspolitik der Ampel.

Der Vorschlag erinnert an das Ungeheuer von Loch Ness: Er taucht immer wieder auf, um dann wieder zu verschwinden.

Zuletzt war es der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), der die Verlagerung von Asylverfahren in afrikanische Staaten ins Gespräch brachte. Aus dem Mittelmeer gerettete Menschen würden dann kein Asylverfahren in der EU erhalten, sondern beispielsweise in Marokko.

Schon der frühere Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte 2016 einen ähnlichen Vorschlag gemacht, und auch sein Amtsnachfolger Horst Seehofer (CSU) schlug „Ausschiffungsplattformen“ in nordafrikanischen Ländern zur Abwicklung von Asylverfahren vor.

Gegenwärtig wird die Diskussion um die Verlagerung der Verfahren in Drittstaaten durch die zuletzt gestiegenen Asylbewerberzahlen befeuert, weshalb auch die FDP Stamps Vorschlag keineswegs zu den Akten legen will – trotz der Kritik von Grünen-Politikerinnen wie Filiz Polat.  

In der Sache ist Stamps Vorstoß durch den Koalitionsvertrag gedeckt. Dort heißt es, dass SPD, Grüne und Liberale prüfen wollen, „ob die Feststellung des Schutzstatus in Ausnahmefällen“ unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention „in Drittstaaten möglich ist“.

Die Migrationsexpertin Sabine Hess ist allerdings der Auffassung, dass die Idee des FDP-Politikers nicht auf Ausnahmefälle ziele, sondern darauf, Asylverfahren generell nicht auf europäischem Territorium stattfinden zu lassen.

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Deshalb sei der Vorschlag des Sonderbevollmächtigten „rechtlich hochproblematisch“, so Hess. Sie verwies darauf, dass in Großbritannien und Dänemark der Versuch gescheitert sei, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern.

Auch der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warnte davor, die Debatte über mögliche Asylverfahren in Drittstaaten zu überstürzen. „Man sollte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun“, sagte er dem Tagesspiegel. „Zunächst einmal sollte man Migrationsabkommen mit den entsprechenden Ländern – etwa Marokko, Tunesien, Georgien und Irak – abschließen.“

Mit dem Migrationspaket II wollen wir einen echten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik weiter vorantreiben.

Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion

Der Abschluss solcher Abkommen, bei denen es um die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber und den Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen gehen soll, sei derzeit eine wichtige Aufgabe des Sonderbevollmächtigten Stamp, „bei der wir ihn als Ampel-Koalition unterstützen“, sagte Wiese weiter.

Nach den Worten des SPD-Fraktionsvizes will die Ampel in diesem Jahr alle drei Vorhaben im Bereich der Migrationspolitik zeitnah unter Dach und Fach bekommen: die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes, ein verbessertes Gesetz für Fachkräfteeinwanderung und das sogenannte Migrationspaket II.

Mithilfe des Migrationspakets II, das nach Angaben aus dem Innenministerium erst nach der Fachkräfteeinwanderung und der Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts angegangen werden soll, sollen Abschiebungen erleichtert werden. Gleichzeitig soll auch die Integration von Zugewanderten mit Bleibeperspektive erleichtert werden.

Für Stephan Thomae, den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, ist das kein Widerspruch. „Mit dem Migrationspaket II wollen wir einen echten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik weiter vorantreiben“, sagte er. Für die Liberalen habe dabei „hohe Priorität, dass schnell ein Einwanderungsrecht mit Punktesystem angegangen wird, um ausländischen Arbeitskräften den Weg in den deutschen Arbeitsmarkt möglichst leicht zu machen“.

Zudem wolle man dafür sorgen, „dass insbesondere Straftäter und Gefährder, aber auch alle anderen abgelehnten Asylbewerber unser Land schnellstmöglich verlassen“.

Als „gutes Signal“ wertete es Thomae, „dass Teile der Grünen diesen Kurs offensichtlich teilen“. Damit meint der FDP-Politiker jene Grünen-Realpolitiker wie den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer oder die ehemalige Europaabgeordnete Rebecca Harms, die jüngst eine verstärkte Unterscheidung zwischen Kriegs-, Asyl- und Wirtschaftsmigration und gleichzeitig höhere Rückführungsquoten für abgelehnte Asylbewerber angemahnt hatten.

Für Debatten sorgen die Thesen der Realos in erster Linie bei den Grünen selbst. So twitterte der ehemalige Grünen-Vorsitzende Jürgen Trittin, es gebe Gemeinsamkeiten zwischen den „Vert Realos“ und der „Werteunion“ mit ihrem umstrittenen Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen, gegen den die CDU inzwischen ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet hat.

Sowohl die „Vert Realos“ als auch die „Werteunion“ lieferten „Steilvorlagen für die Konkurrenz“, so Trittin. Im Fall der „Werteunion“ sei das die AfD im Wettstreit mit der CDU/CSU, bei den „Vert Realos“ werde die FDP „gegen die Grünen“ bestärkt.

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