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Ruf nach mehr Gegenwehr. Die Amadeu Antonio Stiftung und weitere Initiativen fordern von der kommenden Bundesregierung mehr Engagement gegen Rechtsextremismus. Auf dem Bild Neonazis in Berlin.

© imago images/Future Image

Appell an künftige Bundesregierung: Zivilgesellschaftliche Initiativen fordern ein „Demokratieministerium“

Die Amadeu Antonio Stiftung und weitere Organisationen drängen auf mehr Engagement gegen Rassismus. Das Sondierungspapier gilt als zu dünn.

Von Frank Jansen

Die neue Bundesregierung ist noch nicht gebildet, doch schon jetzt wird der Ruf nach deutlich mehr staatlichem Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus laut. "Unsere Demokratie steht unter Druck: Hass und Ausgrenzung greifen immer mehr um sich, Verschwörungsideologien erreichen ein enormes Publikum, Grundrechte werden offen infrage gestellt, demokratische Institutionen verunglimpft", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten "eindringlichen Appell" der Amadeu Antonio Stiftung und von weiteren mehr als 20 zivilgesellschaftlichen Organisationen an SPD, Grüne und FDP.

Die zukünftigen Koalitionsparteien müssten "ein klares Zeichen setzen, es darf keine weitere Zeit verschenkt werden". Kernpunkt der insgesamt 20 Forderungen an die neue Regierung ist die Einrichtung "eines eigenen Demokratieministeriums". Die Stärkung der Demokratie und die "Gestaltung einer zukunftsfähigen Einwanderungsgesellschaft sind zu wichtig, um sie hier und da in kleinen Teilen zu bearbeiten".

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Den Unterzeichnern des Appells, darunter der Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und die Bildungsstätte Anne Frank, ist das Sondierungspapier der Partner einer möglichen Ampelkoalition zu dünn. Die Aufzählung "unterschiedlicher Formen von Demokratiefeindlichkeit" reiche nicht aus, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Eine neue Regierung dürfe nicht hinter die Politik der Großen Koalition zurückfallen. SPD, Grüne und FDP hatten im Sondierungspapier angekündigt, sie wollten "entschlossen gegen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Linksextremismus, Queer-Feindlichkeit und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit vorgehen, damit Vielfalt auch in gleicher Sicherheit für jede und jeden möglich ist".

Initiativen hoffen auf Demokratiefördergesetz

Kurz erwähnt wird allerdings auch das von zivilgesellschaftlichen Initiativen schon lange gewünschte "Demokratiefördergesetz", allerdings ohne Details. Die Initiativen gegen Rechtsextremismus erhoffen sich von dem Gesetz eine stabile rechtliche und materielle Grundlage für ihre Arbeit. Timo Reinfrank begrüßte, dass das Demokratiefördergesetz angekündigt wird, forderte aber auch eine langfristig gesicherte Finanzierung für die zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Im vergangenen Jahr hatte sich der von der Regierung Merkel eingerichtete "Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus" bereits für ein Demokratiefördergesetz ausgesprochen. Es kam allerdings nicht.

Im Appell der zivilgesellschaftlichen Organisationen geht es auch um detaillierte Schritte zum Schutz vor Hass und Hetze. Die Unterzeichner verlangen, alle offenen Haftbefehle gegen rechtsextreme Straftäter müssten "unverzüglich vollstreckt werden". Im August hatte die Bundesregierung über mehr als 450 untergetauchte Rechtsextremisten und mehr als 600 offene Haftbefehle berichtet.

Gefordert wird zudem eine "Null-Toleranz-Politik gegen Rechtsextreme in öffentlichem Dienst, Polizei und Bundeswehr". Außerdem müsse Antifeminismus als Hasskriminalität erfasst werden.

Weitere Punkte: antisemitische Delikte sollten präziser "nach ihren ideologischen Motiven" erfasst werden, die Verbreitung von Verschwörungsideologien sei stärker einzuschränken, die Regierung solle einen "unabhängigen Beauftragten gegen Rassismus als auch einen gegen Antiziganismus berufen". Das Grundgesetz solle zudem um eine Antirassismus-Klausel ergänzt werden, wie es sie bereits in der Verfassung des Landes Brandenburg gibt.

Was ist mit unaufgeklärten Verbrechen, für die Neonazis verantwortlich sein könnten?

In den 20 Forderungen an die künftige Bundesregierung fehlt allerdings ein Punkt, den CDU und CSU etwas überraschend in ihrem Wahlprogramm 2021 genannt hatten. Die Union sprach sich dafür aus, "Cold Cases" bei rechter Kriminalität zu untersuchen.

Eigens einzurichtende Spezialeinheiten der Polizei sollten "unaufgeklärte, schwere Straftaten mit möglicherweise rechtsextremistischem Hintergrund" auf neue Ermittlungsansätze überprüfen. Offen ist beispielweise, wer im Januar 1996 in Lübeck den Brandanschlag auf eine Unterkunft von Geflüchteten verübt hat. Zehn Menschen starben. Der Verdacht, dass Neonazis aus Mecklenburg die Täter waren, ist bis heute weder bestätigt noch widerlegt.

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