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Baerbock selbst nennt sich eine „Herzenseuropäerin“ und als solche wolle sie nicht, dass es an Rhein und Oder wieder Schlagbäume gebe (Archivbild).

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Asylverfahren an EU-Außengrenzen: Baerbock sieht Chance – stellt aber auch Bedingungen

Die Debatte über Grenzverfahren in Europa spitzt sich zu. Während Außenministerin Baerbock die Möglichkeiten eines gemeinsamen Verfahrens betont, werden kritische Stimmen laut.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht unter bestimmten Voraussetzungen Asylverfahren an den EU-Außengrenzen als Chance für eine gemeinsame Herangehensweise in der europäischen Migrationspolitik.

„Grenzverfahren sind hochproblematisch, weil sie in Freiheitsrechte eingreifen“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Aber der Vorschlag der EU-Kommission sei die einzige realistische Chance, in der EU aus 27 Mitgliedsstaaten auf absehbare Zeit überhaupt zu einem geordneten und humanen Verteilungsverfahren zu kommen.

Die Grenzverfahren seien damit „Fluch und Chance zugleich“, sagte Baerbock. Sie forderte, bei einer Einführung sicherzustellen, „dass niemand länger als einige Wochen im Grenzverfahren stecken bleibt, dass Familien mit Kindern nicht ins Grenzverfahren kommen, dass das Recht auf Asyl im Kern nicht ausgehöhlt wird“. Gleiches fordert die Bundesregierung.

Kinder unter 18 Jahren in Grenzverfahren und damit in eine höchst prekäre Situation zu schicken, würde eine enorme Kindeswohlgefährdung bedeuten

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne)

„Als Familien- und Kinderministerin unterstütze ich es sehr, dass wir uns in der Bundesregierung gemeinsam darauf verständigt haben, Familien mit Kindern unter 18 Jahren sowie alle unbegleiteten Minderjährigen generell aus den vorgesehenen Asylverfahren an den EU-Grenzen auszunehmen“, sagte Lisa Paus (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.

Dies sei die Position, für die Deutschland in Brüssel in den Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) kämpfe, fügte Paus hinzu. In Grenzverfahren sei eine angemessene Unterbringung und Versorgung von Kindern mit ihren spezifischen Bedürfnissen nicht zu gewährleisten.

„Kinder unter 18 Jahren in Grenzverfahren und damit in eine höchst prekäre Situation zu schicken, würde eine enorme Kindeswohlgefährdung bedeuten.“ Die Familienministerin sprach vom Risiko einer erneuten Traumatisierung.

FDP-Politiker will keine Ausnahmen für Minderjährige

Die EU-Innenminister beraten am kommenden Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die EU-Staaten versuchen derzeit, sich auf Grundzüge einer Reform des europäischen Asylsystems zu einigen, um die seit Jahren heftig gerungen wird. Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den europäischen Außengrenzen geben soll.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte sich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ dafür ausgesprochen, in solche Verfahren auch Minderjährige einzubeziehen. „Auf den ersten Blick ist es für mich nicht verständlich, warum man starre Altersgrenzen ziehen sollte. Es braucht einheitliche Regeln, und diese können auch für unter 18-Jährige gelten“, sagte er.

EVP-Chef fordert „schnelle und rechtssichere Prüfung“ an EU-Außengrenzen

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, für die Einrichtung von Asylzentren an der EU-Außengrenze ausgesprochen. „Wir brauchen eine schnelle und rechtssichere Prüfung an den Außengrenzen“, sagte der CSU-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) vom Samstag. Der Staat müsse entscheiden, wer nach Europa komme, nicht die Schlepperbanden.

„Wir müssen Humanität und Ordnung zusammenbringen“, sagte Weber. Hinsichtlich einer raschen Einigung der EU-Mitgliedsstaaten zeigte sich Weber zuversichtlich. Ihm zufolge könnte eine Einigung zu den EU-Plänen noch in diesem Jahr zustande kommen.

Es gebe „ein Momentum, dass Europa tatsächlich in der Lage ist, die Migrationsfrage wieder neu zu organisieren“, sagte der EVP-Chef. Er hoffe, dass unter der spanischen Ratspräsidentschaft ab Juli der gordische Knoten durchschlagen werden könne. „Ich setze auf die Bereitschaft von vielen Seiten, aufeinander zuzugehen.“

Kritische Fragen aus Parteien, Nichtregierungsorganisationen oder von Kirchen seien wichtig, sagte Baerbock zu den Grenzverfahren, die auch in ihrer Partei umstritten sind. „Aber auch ein Nichthandeln hätte bittere Konsequenzen.“

Baerbock will Klima als Asylgrund ausschließen

Denn ohne eine gemeinsame europäische Antwort gehe der Trend schon jetzt „überall zu mehr Abschottung“, sagte Baerbock. „Und ohne Ordnung an den Außengrenzen ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein EU-Land nach dem anderen wieder über Binnengrenzkontrollen redet.“

Als „Herzenseuropäerin“ wolle sie nicht, dass es an Rhein und Oder wieder Schlagbäume gebe. Eine Öffnung des Asylrechts für Klimaflüchtlinge hingegen sieht sie kritisch. „Wir setzen uns schon jetzt überall auf der Welt für Klimaflüchtlinge ein“, sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Freitag.

„Mit unserer Klimaaußenpolitik unterstützen wir gerade auch in solchen Situationen finanziell“, sagte Baerbock. „Das hilft mehr als die Öffnung der Genfer Flüchtlingskonvention, was in Zeiten eines massiven Rechtsrucks nämlich ihr Ende bedeuten würde.“ (Tsp mit AFP/dpa)

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