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Günther Oettinger: Auch sein Staatsministerium warb für den umstrittenen "Nord-Süd-Dialog".

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Exklusiv

Kritik wegen Promi-Party: Auch Oettingers Staatsministerium warb Sponsoren

Für den "Nord-Süd-Dialog" machte sich auch Baden-Württemberg stark, zudem gibt es neue Vorwürfe gegen Olaf Glaeseker. Nur noch ein knappes Drittel der Deutschen hält Christian Wulff für glaubwürdig.

Es gibt neue Erkenntnisse in der Affäre um Bundespräsident Christian Wulff: Auch das baden-württembergische Staatsministerium betrieb Sponsorenwerbung. Zudem soll Wulffs Ex-Vertrauter Olaf Glaeseker auch Gratisflüge genutzt haben, und zwar zu einer Zeit, als er bereits im Bundespräsidialamt arbeitete. Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, nennt Bundespräsident Christian Wulff mittlerweile einen "Lügner", und eine neue Umfrage hat ergeben, dass nur noch ein knappes Drittel der Bundesbürger Wulff für glaubwürdig hält.

Für die umstrittene Werbeveranstaltung „Nord-Süd-Dialog“, die Bundespräsident Christian Wulff und seinen ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker in Schwierigkeiten bringt, hat offenbar auch das Staatsministerium des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU), Sponsoren angeworben. Allerdings „nur sehr zurückhaltend“, wie ein Regierungssprecher dem Tagesspiegel sagte.

Aus den Unterlagen, die die Beamten des heutigen Regierungschefs Winfried Kretschmann (Grüne) gefunden haben, gehe hervor, dass Mitarbeiter des Staatsministeriums seinerzeit durch Telefonate mit Unternehmern über die Veranstaltung informiert und Kontaktaufnahme durch den Veranstalter Manfred Schmidt „avisiert“ hätten. Weiter seien Oettingers Mitarbeiter offenbar nicht gegangen. Weder Werbebriefe noch  Empfehlungen für den „Nord-Süd-Dialog“ habe man gefunden. Auch über Anrufe oder Briefe des Ministerpräsidenten Oettinger sei nichts bekannt.

Dafür fand man aber einen wenig schmeichelhaften Vermerk über eine Beschwerde des Veranstalters Schmidt. Nach dem letzten „Dialog“ soll sich der Freund von Wulffs Berater Glaeseker, Schmidt also, „sehr negativ“ über die fehlende Unterstützung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten geäußert haben. Offenbar zeigten sich die Baden-Württemberger Unternehmer wesentlich knauseriger mit Sponsorgeldern für die Events, als Schmidt das aus Niedersachsen gewohnt war. Lediglich von der Stuttgarter Landesbank LBBW weiß man, dass sie sich an den Promi-Treffs, die dreimal stattfanden – 2007 und 2009 in Hannover, 2008 in Stuttgart – beteiligt hat.

Allerdings hat der „Nord-Süd-Dialog“ auch die baden-württembergische Landesregierung etwas gekostet, nämlich 3600 Euro. Als regionale Präsente für die prominenten Gäste soll Oettinger Wein aus den Staatsgütern und Ritter-Sport-Schokolade mit nach Hannover gebracht haben.

Unterdessen verliert Bundespräsident Christian Wulff weiter das Vertrauen der Deutschen. Derzeit hält ihn nur noch ein knappes Drittel der Bundesbürger für glaubwürdig, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap für die ARD-Sendung „Günther Jauch“ ergab. Nur noch 31 Prozent sagten, dass sie den Bundespräsidenten für glaubwürdig halten. Im Vergleich zum Beginn seiner Amtszeit bedeutet das einen Verlust von 43 Punkten. Gegenüber Dezember, als die Affäre ihren Anfang nahm, ist es ein Rückgang von 20 Punkten. Die Mehrheit der Befragten (56 Prozent) schätzt Wulff nicht mehr als würdigen Bundespräsident ein. Laut Umfrage hält nur ein Viertel (26 Prozent) das Staatsoberhaupt für ehrlich. Nichtsdestotrotz halten ihn 66 Prozent für sympathisch.

Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, fordert Bundespräsident Christian Wulff mittlerweile direkt zum Rücktritt auf. „Wulff ist ein Lügner, und er sollte seinen Hut nehmen, bevor er Recht und Gesetz und Anstand noch mehr in den Dreck zieht“, sagte Wenzel am Samstag im Deutschlandfunk. Vor dem Hintergrund der Affäre um den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten sagte Wenzel, die Grünen wollten Einsicht in Akten nehmen und den Landesrechnungshof mit einer Sonderprüfung der Nord LB beauftragen. „Wir schließen aber nicht aus, dass wir im Februar zu einem Untersuchungsausschuss kommen, wenn diese kurzfristig wirksamen Instrumente nicht greifen“ fügte er hinzu. Wahrscheinlich werde das unabdingbar sein.

Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen Olaf Glaeseker, Ex-Sprecher von Bundespräsident Christian Wulff. Er hat nach Informationen der Zeitung „Bild am Sonntag“ von Partyveranstalter Manfred Schmidt neben Gratis-Urlauben auch Gratisflüge erhalten. Allein im Jahr 2011 sei Glaeseker in mindestens fünf Fällen umsonst geflogen, darunter in die Türkei und nach Mallorca. Dafür habe er Schmidts VIP-Karte von Air Berlin genutzt. Zu dem Zeitpunkt der Freiflüge war Glaeseker bereits im Bundespräsidialamt für Wulff tätig. Ein Firmensprecher von Air Berlin sagte der Zeitung, dass „wir aus datenschutzrechtlichen Gründen Kundendaten und Details zu Flügen und Flugbuchungen unserer Passagiere grundsätzlich nicht veröffentlichen“.

Ohnehin ist die niedersächsische Landesregierung in der Affäre erneut in Bedrängnis geraten. „Die Studenten“, teilt die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) per E-Mail vom Freitag mit, „waren in MHH-Schürzen tätig. Es gab viele positive Rückmeldungen über den Einsatz der Studenten.“ Zwei Jahre und einen Monat später platzte dieser Einsatz wie eine Bombe in die Sitzung des niedersächsischen Landtags. Wegen der Kreditaffäre des Bundespräsidenten und ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff ist das Klima sowieso schon aufgeheizt und gereizt, jetzt kommt ein neues Mosaiksteinchen zu dem Bild hinzu, das die Opposition als „System Wulff“ geißelt.

Wulffs langjähriger Vertrauter Olaf Glaeseker hatte im Dezember 2009 als damaliger Regierungssprecher für die Promi-Veranstaltung „Nord-Süd-Dialog“ des Eventmanagers Manfred Schmidt offenbar studentische Hilfskräfte beim landeseigenen MHH-Veranstaltungsmanagement angefordert und diese im Service und an der Garderobe arbeiten lassen. Die Kosten für den Einsatz der 44 Studenten in Höhe von 5245 Euro beglichen aber weder Schmidt noch die Staatskanzlei. „Rechnung ist nicht“, soll Glaeseker die MHH- Verantwortlichen am Telefon barsch beschieden haben. Die Hochschule glich daraufhin das Geld intern aus. Zudem soll das Landwirtschaftsministerium 3411 Euro für Kochbücher bezahlt haben, die den Besuchern des Festes vom Veranstalter Manfred Schmidt als „Give away“ geschenkt worden seien, meldet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung".

Wegen der Sause im Flughafen von Hannover, auf der sich bei Cocktails und Leckereien vom Buffet Christian und Bettina Wulff, Finanzdienstleister Carsten Maschmeyer und Schauspielerin Veronica Ferres und der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, samt Partnerin die Ehre gaben, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover. Gegen Glaeseker wegen Bestechlichkeit, gegen Schmidt wegen Bestechung. Wulffs „Faktotum“ und „siamesischer Zwilling“, wie sich der Bundespräsident damals über seinen langjährigen Begleiter auszudrücken pflegte, soll als Gegenleistung für seine Dienste kostenlose Urlaube in Schmidts Feriendomizilen am Mittelmeer gemacht haben. Am Donnerstag durchsuchten Fahnder die Anwesen der beiden und beschlagnahmten etliche Unterlagen. Es bestehe kein „dringender Tatverdacht“, schiebt die Anklagebehörde am Freitag nach – als Begründung dafür, warum sie Glaeseker nicht sofort in U-Haft genommen habe.

Die neue Faktenlage bringt die CDU/FDP-Landesregierung sichtlich in Bedrängnis, hatte sie doch am Vortag klipp und klar erklärt, dass die Staatskanzlei nicht aktiv und finanziell am Nord-Süd- Dialog beteiligt gewesen sei. „Ich fühle mich von Glaeseker beschissen“, wettert nun Finanzminister Hartmut Möllring am Rande der Sitzung. Man werde Schmidt umgehend eine Rechnung schicken. „Wenn der nicht zahlt, muss Glaeseker zahlen.“ Der Haudegen Möllring muss seit Tagen auf Geheiß von Ministerpräsident David McAllister den Wulff-Verteidiger spielen und die harschen Attacken der Opposition abwehren.

SPD, Grüne und Linke lassen nicht locker, zweifeln mehr oder weniger offen an, dass Wulff damals nichts vom Treiben seines Untergebenen gewusst haben will. „Es ist doch lebensfremd, dass sich der Ministerpräsident ums Garderobenpersonal gekümmert hat“, versucht sich Möllring in der ihm bekannten Schnoddrigkeit. „Aber der Herr Staatssekretär“, schallt es höhnisch aus den SPD-Reihen zurück. Hinter den Kulissen mögen auch viele Christdemokraten nicht ausschließen, dass Glaesekers Hilfe für die Promi-Party mit Billigung Wulffs geschah.

Zu einem Untersuchungsausschuss, wie ihn die Linken beantragt haben, mag sich die SPD trotzdem noch nicht durchringen. „Das steht als eine Möglichkeit im Raum, wenn die CDU/FDP-Regierung ihre Blockadehaltung bei der Aufklärung der Affäre nicht aufgibt“, erklärt zwar Fraktionschef Stefan Schostok. Gleichzeitig aber verweist er auf juristische Probleme. Wegen der Ermittlungen gegen Glaeseker und Schmidt könnten diese vorerst gar nicht als Zeugen gehört werden. Der wichtige Komplex zum „Nord-Süd-Dialog“ sei also dem Untersuchungsgegenstand entzogen. „Außerdem ist die Hauptfigur der Affäre für den Untersuchungsausschuss nicht greifbar“, sagt Schostok. Das Gremium dürfe den amtierenden Bundespräsidenten nicht in Hannover vernehmen. Eine mögliche Aussage Wulffs könne nur in dessen Amtssitz zu Protokoll gegeben werden. (mit dpa, dapd)

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