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Statt mit dem ausgezahlten Bargeld, so die Vorstellung, sollen Geflüchtete, die im Asylantragsverfahren sind oder nur einen Duldungsstatus haben, ihren Bedarf an Einkäufen über eine Karte abwickeln. 

© dpa/Henning Kaiser

Viel Wunsch, noch wenig Wirklichkeit: Kommt die Bezahlkarte für Geflüchtete?

Zum Migrationspaket soll auch eine Geldkarte für Asylbewerber gehören. Das Projekt steht erst am Anfang. Unklar ist auch, wie weit der Bund sich beteiligt.

Der große Migrationspakt soll bis 6. November stehen, so der Wunsch des Bundeskanzlers. Ein Punkt auf der Agenda: Wie ersetzt man Bargeldzahlungen an Flüchtlinge? Denn die werden – ob nun zurecht oder nicht – als ein Anreiz gesehen, auch ohne Aussicht auf einen Aufenthaltsstatus nach Deutschland zu kommen.

Bargeld durch Sachleistungen zu ersetzen, ist den Kommunen schon möglich. Aber die schrecken oft vor dem damit verbundenen höheren Verwaltungsaufwand zurück. Als Kompromiss ist seit längerem die Bezahlkarte im Gespräch.

Statt mit dem ausgezahlten Bargeld, so die Vorstellung, sollen Geflüchtete, die im Asylantragsverfahren sind oder nur einen Duldungsstatus haben, ihren Bedarf an Einkäufen über eine Karte abwickeln. Sie soll aufladbar sein, das Geld würde regelmäßig von Sozialbehörden auf das Kartenkonto bei einem Dienstleister überwiesen.

Wir brauchen keinen Flickenteppich unterschiedlicher Lösungen

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes

Die Forderung gibt es schon länger, zuletzt hat die Unions-Fraktion im Bundestag sie in ihrem 26-Punkte-Katalog für den Migrationspakt aufgenommen. Dort ist davon die Rede, dass der Bund „Rahmenbedingungen“ für die Auszahlung von Leistungen über eine spezielle Chipkarte schaffen solle.

Die Ministerpräsidentenkonferenz will die Einführung einer solchen Karte ebenfalls – wobei zumindest die SPD-geführten Länder wünschen, dass Flüchtlinge zumindest einen Teil der Leistungen als Taschengeld weiterhin bar zur Verfügung haben – da Karten nicht immer und überall akzeptiert werden. Die Karte müsste also auch an Geldautomaten funktionieren.

Doch wer hat nun den Hut auf bei dem Projekt? In einem Papier, das zur Zusammenkunft des Kanzleramtschefs und der Chefs der Staatskanzleien der Länder in der Vorwoche vorlag, ist vermerkt, dass Kanzler Olaf Scholz „das Vorhaben der Länder“ unterstützt.

FDP dringt auf Bundeslösung

In der Ampelkoalition ist es vor allem die FDP, die auf eine bundeseinheitliche Lösung dringt. Fraktionschef Christian Dürr hat sich dazu schon bei großen Dienstleistern, etwa Mastercard, erkundigt, die dazu logistisch in der Lage wären.

Auch die Kommunalverbände dringen auf eine bundesweite Lösung. „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass es eine möglichst bundeseinheitliche Lösung gibt oder sich Bund und Länder zumindest auf klare Rahmenbedingungen für die Anforderungen an eine solche Karte verständigen“, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, dem Tagesspiegel. „Wir brauchen keinen weiteren Flickenteppich unterschiedlicher Lösungen.“

Universell einsetzbar

Landsberg skizziert auch, was er von der Karte erwartet. Sie solle wie eine Art Giro- oder Debitkarte „universell in Geschäften des täglichen Bedarfs“ und auch im öffentlichen Nahverkehr einsetzbar sein. Doch gibt es regional oder lokal bisher allenfalls Ansätze dafür. In Bayern wurde es schon gesetzlich ermöglicht, eine solche Karte auszugeben – derzeit aber läuft noch die Ausschreibung.

Ähnlich in Hamburg: Dort soll es demnächst eine „Sozialkarte“ geben, in der üblichen Plastikform oder aber als App. Die ausgegebenen Karten sind als Guthabenkonten konzipiert, die nicht überzogen werden können. Laut Ausschreibung ist vorgesehen, dass neben bargeldloser Zahlung in Geschäften auch das Abheben von Bargeld an Automaten möglich ist.  

Aber das war es schon auf Länderebene. Lokal gibt es weitere Ansätze. Hannover etwa will bis Jahresende Geflüchteten ohne eigenes Konto eine „Socialcard“ zur Verfügung stellen, auf der von der Sozialbehörde der volle Regelsatz geladen wird.

Auch in der niedersächsischen Hauptstadt soll die Verwendung frei sein – es sind also auch Abhebungen an Geldautomaten möglich und wäre auch im Ausland als Debitkarte nutzbar.

Lokale Ideen

Laut Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) soll die „Socialcard“ für Hannover als „moderne und innovative Kommune“ stehen. Die Karte kann auch an deutsche Hilfsempfänger ausgegeben werden, die kein Konto besitzen.

Eine etwas andere Idee kommt aus dem Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts. Dort gibt es bereits eine Regionalkarte der Sparkasse in Kooperation mit lokalen Unternehmen, auf die Arbeitgeber zum Beispiel steuerfreie Leistungen für ihre Mitarbeiter laden können – oder die als Geschenkkarte gekauft werden kann. Einsetzbar ist sie nur bei den Geschäften im Landkreis, die sie akzeptieren.

„Keine Stigmatisierung“

Landrat Götz Ulrich (CDU) kann sich vorstellen, die Karte auch an Asylbewerber auszugeben. „Der Vorteil einer solchen Lösung liegt darin, dass das Geld in der Region bleibt, dass es zu keiner Stigmatisierung von Personen kommt und dass der Verwaltungsaufwand nicht größer ist als bei anderen Karten-Lösungen.“

Der Vorteil einer solchen Lösung liegt darin, dass das Geld in der Region bleibt, dass es zu keiner Stigmatisierung von Personen kommt und dass der Verwaltungsaufwand nicht größer ist als bei anderen Karten-Lösungen.

Landrat Götz Ulrich (CDU) kann sich vorstellen, die Karte auch an Asylbewerber auszugeben.

Allerdings müssten dann zumindest alle Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs mittun, was bisher nicht der Fall ist – die großen Supermarktketten etwa akzeptieren die Regionalkarte bisher nicht.

Wie sich solche lokalen Ansätze in eine landes- oder gar bundesweite Lösung einbinden ließen, wäre dann die Frage. Offenkundig ist, dass es Streit geben wird, wie umfangreich die neue Chipkarte genutzt werden kann – ob also Bargeldabhebungen möglich sind und Einschränkungen wie reiner Regionalbezug oder der Ausschluss bestimmter Waren und Dienstleistungen (im Gespräch ist die Glücksspielbranche).

Landsberg denkt allerdings schon weiter. Perspektivisch hält er es für sinnvoll, „einen digitalen Flüchtlingsausweis zu entwickeln, der neben Identitätsnachweis auch eine Bezahlfunktion und weitere Informationen, etwa zur beruflichen Qualifikation bereithält“. Das ginge dann allerdings tatsächlich nur noch einheitlich in ganz Deutschland. Es spräche für eine Bundeslösung schon bei der Bezahlkarte.

Sollte der Bund sich nicht beteiligen und keine bundesweiten Vorgaben machen (die Beauftragung eines bundesweiten Dienstleisters inklusive), dürfte es am ehesten zu Länderlösungen kommen. Wie weit die kompatibel sind, wird sich zeigen. Eine schnelle Einführung einer solchen Karte über die regionalen und lokalen Probeläufe hinaus ist ebenfalls nicht zu erwarten.     

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