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CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel

© AFP

CDU: Konservativ sein - aber wie bloß?

Angela Merkel spricht die Sprache der politischen Mitte. Und wo bleibt das Konservative in der CDU? Nur Jens Spahn hat einen interessanten Ansatz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Es ist ein Geheimnis. Schon seit längerer Zeit behalten CDU-Politiker konsequent für sich, was für sie das Konservative an ihrer Partei ist, ob sie ihre CDU überhaupt noch für konservativ halten, was konservative Politik heute sein könnte. Die Parteivorsitzende und geschäftsführende Kanzlerin hat seit Jahren keine konservative Regung mehr erkennen lassen. Generalsekretär Peter Tauber, dem man nur gute Genesung wünschen kann, hat seine Kraft auf das Werben für ein Einwanderungsgesetz verwendet. Und sonst? Die Zeiten sind lange vorbei, in denen es in der CDU Politiker gab, die jenseits einer so breiten wie diffusen Mitte für konservative Werte standen, sei es die hergebrachte Familie, sei es die Kirche, sei es die Heimat.

Die CDU von heute ist eine Regierungsmaschine. Sie läuft wie ein Mercedes-Achtzylinder, flüsternd, vibrationsfrei und absolut zuverlässig. Im Kofferraum ist noch immens viel Platz. Denn das dort deponierte CDU-Parteiprogramm besteht aus einem einzigen Wort: „Regieren!“

Wozu Angela Merkel und ihre CDU nun weitere vier Jahre regieren wollen, ist aktuell dem Sondierungspapier zu entnehmen. CDU-Inhalte, irgendetwas, das man originär mit dieser Partei in Verbindung bringen könnte, sind darin nicht zu erkennen. Bringt man, wie es die Kanzlerin vermutlich gut findet, mit der CDU „boomende Wirtschaft“ in Verbindung, dann will die Merkel-Partei offenbar als große Modernisiererin erscheinen. Der Euro rollt, die Kasse klingelt, die Steuergelderfluten schäumen: Das ist das Land, in dem wir gut und gerne leben (das war der CDU-Slogan zur Bundestagswahl).

Sebastian Kurz hat es vorgemacht

Dass es auch anders geht, hat in seinem Wahlkampf Sebastian Kurz vorgemacht, Merkels jüngster Gast und Bundeskanzler-Kollege aus Österreich. Man muss ihn so wenig hochjubeln wie den Lebensstil der Österreicher oder überhaupt den Wahlkampf dort, um einen markanten Unterschied zwischen Merkel und Kurz wahrzunehmen: Kurz spricht die Sprache eines Konservativen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass er Begriffe nicht vermeidet, weil es darüber Korrektheitsdebatten geben könnte. Ein Beispiel: Daran, dass man Landesgrenzen schließen kann, hat er nie einen Zweifel gelassen.

Merkel hingegen spricht die Sprache der politischen Mitte, kompromissbereit und kantenfrei. Diese Sprache als Ausdruck ihrer Mittigkeit ist Teil ihres Erfolges, ihres Ansehens auch bei Anhängerinnen und Anhängern der Grünen und der SPD. Die Besetzung der Mitte hat Merkel und ihrer CDU die Macht gesichert, aber darüber ging das konservative Profil verloren.

Ein Beleg dafür: Die CDU gab und gibt sich gern als Familienpartei. Im Sondierungspapier heißt es: „Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Sie zu stärken und zu entlasten ist unser Ziel.“ Dann geht es um Kindergeld und Kinderarmut. Gut so. Aber warum geht es der CDU nicht mehr darum, dass eine Familie eine Wohnung oder ein Haus kaufen kann? Für genau dieses Thema hat im Wahlkampf eine andere Partei geworben – die FDP, die sich für einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer einsetzte.

Der Mann nach Merkel? Jens Spahn, CDU Präsidiumsmitglied

© dpa/Michael Kappeler

Es ist, als hätte die CDU ein Übersetzungsproblem: Man will vielleicht noch konservativ sein, jedenfalls in den Landstrichen jenseits der Berliner Stadtgrenze, aber man weiß nicht mehr wie. Bloß Jens Spahn versucht es gelegentlich, als Einziger. Vor Kurzem sagte er in einem Interview: „Konservativ zu sein heißt, die Geschwindigkeit von Veränderungen so zu reduzieren, dass sie erträglich sind. Dass die Menschen mitkommen.“ Ein interessanter Ansatz. Er dürfte das Lebensgefühl von ein paar Millionen Menschen in Deutschland zumindest teilweise treffen. Man darf gespannt sein: darauf, ob Spahn in seiner Union Mitstreiter für dieses Denken findet. Und auf die Projekte, die sich daraus ergeben.

Solche Gedanken wie der von Spahn könnten den Konservatismus der CDU jenseits des bloßen Wirtschaftsdenkens erneuern. Ansonsten bliebe davon tatsächlich nichts mehr übrig.

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