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Schon einmal vor einem Cum-ex-Ausschuss: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vorigen Jahr in der Hamburgischen Bürgerschaft. 

© dpa/Christian Charisius

Cum-ex-Untersuchungsausschuss im Bundestag: Wie die Union den Kanzler vorführen will

Die CDU/CSU-Fraktion wagt einen neuen Versuch, Olaf Scholz politische Einflussnahme zugunsten der Warburg-Bank nachzuweisen. Wie geht sie vor? Was sind die zentralen Punkte?

Die Union im Bundestag hat ihr Dasein als Opposition zwar nur langsam akzeptiert. Aber nun hat sie eines der probatesten Mittel einer Opposition entdeckt, um der Regierung das Leben schwer zu machen. Es soll einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben. Dessen Inhalt: Das Agieren der Hansestadt Hamburg in der Steueraffäre der Warburg-Bank im Zusammenhang mit Betrug durch kriminelle Dividendengeschäfte (das Fachwort lautet „cum-ex“).

Das politische Ziel: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Fehlverhalten nachzuweisen in seiner Eigenschaft als Hamburger Bürgermeister in den Jahren 2016 und 2017. In der kommenden Woche, so die Planung, will die CDU/CSU-Fraktion den Antrag stellen, den Ausschuss einzusetzen. Für den Beschluss reicht ein Viertel der Mitglieder des Bundestags, und das Quorum erfüllt die Fraktion allein. Beginnen könnte die Arbeit des Ausschusses im Mai.

Es wird der zweite Cum-ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages sein – zwischen Januar 2016 und Juni 2017, ausgerechnet in dem nun im neuen Untersuchungsausschuss ins Auge gefassten Zeitraum, befasste sich auf Antrag von Grünen und Linken schon einmal ein solches Gremium mit der komplexen Materie. Der Auftrag damals war es vor allem, zu klären, „wie es dazu kommen konnte, dass die Cum-Ex-Geschäfte über zehn Jahre lang nicht unterbunden wurden“.

Es geht um die Jahre 2016 und 2017

Die Union will sich vor allem um Hamburger Vorgänge in den Jahren nach 2011 kümmern, speziell um das Verhalten der Finanzverwaltung der Hansestadt im Zusammenhang mit Rückforderungen von unrechtmäßig erhaltenen Steuererstattungen in den Jahren 2016 und 2017.

Zwar gibt es Zweifel, ob ein Untersuchungsausschuss des Bundestags sich um Verwaltungsvorgänge in einem Bundesland kümmern darf – zumal in diesem Fall die Angelegenheit seit mehr als zwei Jahren schon Gegenstand eines ebenfalls von der CDU auf den Weg gebrachten Untersuchungsausschusses der Hamburger Bürgerschaft ist. Die Bundestagsfraktion begründet ihren Vorstoß allerdings damit, dass der Bundestagsausschuss „die Anwendung von Bundesrecht“ bei den Rückforderungen unberechtigter Steuererstattungen der Warburg-Bank aufklären solle.

Drei Komplexe sollen nach einem Antragsentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, durchleuchtet werden. Zum einen will die Union wissen, welche Prüfungen „veranlasst, durchgeführt oder unterlassen“ worden seien und welche Entscheidungen es in dem Zusammenhang gegeben habe – in Hamburg und im Bund, verbunden mit der Frage, wer jeweils die politische Verantwortung trage.

„Sind Angaben von Scholz glaubhaft?“

Zweitens geht es ihr um interne Verwaltungsabläufe in Hamburg, dabei aber auch um Abstimmungen mit dem Bund und anderen Bundesländern.

Drittens schließlich lautet der Untersuchungsauftrag: „Welche Angaben haben Olaf Scholz, für ihn tätige Anwälte und die von ihm geführten Behörden zu den Verfahren, Ereignisses, Treffen und Kontakten im Zusammenhang mit den Steuerrückforderungen gegen die M.M. Warburg & Co Bank gemacht und sind diese glaubhaft?“

Ein solcher Verzicht auf Steuerrückforderungen ist einmalig in der deutschen Geschichte

Aus dem Einsetzungsantrag der CDU/CSU-Fraktion

Die Union würde gern beweisen, in Hamburg seit längerem, nun auch im Bundestag, dass Scholz und der damalige Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (mittlerweile Bürgermeister der Hansestadt) direkten politischen Einfluss auf die Finanzverwaltung genommen haben, um eine Steuerrückforderung an die Warburg-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro im Jahr 2016 zu stoppen. Zunächst hatte das zuständige Finanzamt das Geld verlangt, dann aber die Entscheidung erst einmal zurückgenommen – die Folge wäre zunächst eine Verjährung zum Jahresende gewesen.

Kriminelle Geschäfte

Aber warum kam es dazu? Und zusätzlich zum Verzicht der Finanzverwaltung auf eine weitere Steuerrückforderung über 43 Millionen Euro im Jahr 2017, die allerdings nach einer Anweisung aus dem Bundesfinanzministerium doch vollzogen wurde. Die Warburg-Bank wurde 2020 vom Landgericht Bonn dazu verurteilt, insgesamt gut 176 Millionen Euro wegen illegaler Cum-ex-Geschäfte zurückzuzahlen.  

Die Union will nun versuchen (wie schon im Hamburger Ausschuss), einen direkten Zusammenhang herzustellen mit Gesprächen zwischen Scholz und dem Warburg-Banker Christian Olearius. Der suchte zudem auch Kontakt zu anderen Hamburger SPD-Politikern, etwa dem damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der setzte sich für die Bank ein. 2017 floss eine Spende von der Bank an dessen SPD-Kreisverband. Mittlerweile fand sich in einem Bankschließfach von Kahrs auch noch Bargeld in Höhe von 200.000 Euro. Die Herkunft ist unklar.

Politische Einflussnahme?

Klar ist die Absicht der Union, Scholz und anderen politische Einflussnahme nachzuweisen - wofür es, so der weitere Vorwurf, im Gegenzug vom Bankhaus Parteispenden gegeben haben soll. Ob das zweifelsfrei gelingen wird, ist die spannende Frage in dem Verfahren.

In Hamburg gelang es bisher nicht. Scholz betonte zuletzt im Januar in einer Fragestunde im Bundestag: „Der Vorwurf, dass es eine Beeinflussung durch die Regierung in Hamburg gegeben habe, hat sich nicht erhärtet, und zwar aus einem einfachen Grund: Weil nichts dran ist.“

Um die Frage wird es demnächst allerdings nicht nur im Untersuchungsausschuss des Bundestags gehen. Olearius, der über seine Kontakte mit Scholz Tagebucheinträge gemacht hat, muss sich nämlich vor dem Bonner Landgericht wegen seiner Verwicklung in Cum-ex-Geschäfte verantworten. Das Gericht ließ gerade erst die Anklage zu. Darauf hat die Union wohl gesetzt. Denn nun laufen der politische Untersuchungsausschuss und der bis dato wohl wichtigste Strafprozess in der Cum-ex-Affäre nebeneinander her. Doppelte Aufmerksamkeit für die Affäre ist damit bis weit ins nächste Jahr gesichert.

Genauer gesagt sogar dreifache: Denn in Hamburg geht es im dortigen Untersuchungsausschuss auch weiter. Die Union spielt so praktisch über die Bande. Am Freitag waren 15 Mitglieder des Bundestags in die Bürgerschaft geladen, die 2020 im Finanzausschuss saßen, als Scholz dort mehrfach zu der Cum-ex-Affäre befragt worden war. Darunter waren der frühere Linken-Politiker Fabio De Masi und die heutige Bundesministerin Lisa Paus von den Grünen. Laut De Masi äußerte sich Scholz damals widersprüchlich zu den Fragen der Abgeordneten. Doppelte Aufmerksamkeit für die Affäre ist damit bis weit ins nächste Jahr gesichert.

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