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Von den Spitzenkandidaten der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, ist derzeit nicht viel zu hören.

© Soeren Stache/dpa

Bundestagswahl: Das peinliche Schweigen der Grünen

Als drittstärkste Partei wollen die Grünen aus der Bundestagswahl am 24. September hervorgehen. Doch das wird ein schwerer Gang.

Von Robert Birnbaum

Manchmal ist Schweigen ja auch eine Botschaft. Besonders dann, wenn das Schweigen so peinlich berührt ausfällt wie das der Grünen-Spitze über die Vorgänge in Niedersachsen. Dabei war es schließlich ihr – nunmehr ehemaliges – Mitglied Elke Twesten, das zur CDU wechselte und die rot-grüne Landesregierung in Hannover in die vorzeitige Neuwahl zwang. Doch die grünen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl beschränken ihre Kommentare auf das Nötigste. Katrin Göring-Eckardt murmelt am Montag etwas von einer „sehr einsamen Entscheidung“ der Frau Twesten und versichert ansonsten, dass ihre Partei „geschlossen wie noch nie“ sei.

Bei acht Prozent

Ihr Ko-Kandidat Cem Özdemir gibt im ZDF zu bedenken, dass es Parteiwechsler bei allen Parteien gebe. „Leider“, sagt Özdemir. „Genutzt hat sie uns sicher nicht.“ Das ist sehr freundlich formuliert. Aber der Schwabe bleibt wenigstens ehrlich. Für die Grünen wird die Bundestagswahl ohnehin ein schwerer Gang. Galten sie nach dem Triumph von Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg schon voreilig als Volkspartei der Zukunft, dümpeln sie derzeit in den Umfragen mit FDP, Linken und AfD bei acht Prozent.

Jemand wie Twesten kommt da als zusätzliche Belastung so gelegen wie Hagel im Hochsommer. Zur Konkurrenz überlaufen, bloß weil man im Wahlkreis durchgefallen ist – das geht bei einer Truppe mit dem Anspruch auf hochmoralisches Verhalten überhaupt gar nicht. Es werde Punkte kosten, fürchtet ein Spitzengrüner. Und: „Das bringt die FDP voran.“

Dass dem Mann sofort die Freien Demokraten einfallen, ist alles andere als Zufall. Während auf der Haupt-Wahlkampfbühne das Traditionsstück vom Kanzlerduell aufgeführt wird mit Angela Merkel und Martin Schulz in den Hauptrollen, spielt sich das wahre Drama auf einer Nebenbühne ab. Dort wird die Schlacht um Platz drei geschlagen – genauer gesagt darum, wer Merkels nächster Partner werden darf.

Geht es nur noch um Merkels Partnerwahl

FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner hat dieser Tage als Erster die Scheinwerfer auf diese Bühne gelenkt. „Das Rennen um Platz eins ist gelaufen, Angela Merkel wird Bundeskanzlerin bleiben“, hat Lindner gesagt. An Platz drei werde sich zeigen, welche Botschaft von der Wahl am 24. September ausgehen werde.

Die Sätze sind ein bisschen untergegangen unter Lindners außenpolitischer Provokation in Sachen Krim. Aber er wird sie bestimmt noch öfter wiederholen. Der Freidemokrat verspricht sich davon so etwas wie eine selbst erfüllende Prophezeiung: Je mehr Wähler glauben, dass es wirklich nur noch um Merkels Partnerwahl geht, desto eher kann Lindner hoffen, taktisch denkende CDU-Wähler für sich zu gewinnen.

Nun spricht ja in der Tat einiges dafür, dass der SPD-Herausforderer Schulz es schwer haben dürfte, die Kanzlerin zu schlagen. Selbst ein halbwegs anständiges Ergebnis scheint für die SPD derzeit außer Reichweite; auch wenn die Erfahrung lehrt, dass man Umfragen im Feriensommer nicht vorschnell auf den Wahlherbst hochrechnen sollte. Aber weder Skeptikern der Union noch Optimisten der SPD fällt im Moment ein, wie Schulz wieder in die Nähe seiner Hype-Zeit im Frühjahr kommen könnte, außer wenn Merkel Fehler macht.

Erinnerung an 2005

Schulz selber scheint ja auch keine Idee zu haben. Gerechtigkeit als Oberthema verfängt nicht so recht, und seine Versuche, sich als harter Donald-Trump-Widersacher zu zeigen, gipfeln in höflichen Sätzen von unfreiwilliger Bescheidenheit: „Ich glaube, da bin ich besser als Frau Merkel.“ Er ist eben doch kein Brachialtyp wie "der Gerd", der Schröder, dessen Aufholjagd von 2005 er gern als Vorbild beschwört. Dass der verbindliche, empfindliche Europäer Schulz das Ding drehen kann, glaubt ausweislich des letzten „Politbarometers“ selbst unter den eigenen Anhängern nur noch eine sehr kleine Minderheit.

Trotzdem könnte die Erinnerung an 2005 sich noch als wichtig erweisen. Damals lag Merkel als Herausforderin bis kurz vor dem Wahltag scheinbar uneinholbar vorn. Am Wahlabend blieb vom erwarteten Triumph aber nur ein haarfeiner Vorsprung. Als Grund für den Einbruch der CDU/CSU machten Wahlforscher hinterher – neben Schröders geschickten Attacken auf die Angriffsflächen, die Merkel im Streit um „Kopfpauschale“, den „Professor aus Heidelberg“ und den Irak-Krieg bot – den Kampf um die künftige Koalition aus. Denn vor dem Wahltag hatten Umfragen auf eine große Koalition hingedeutet. Die Aussicht passte vielen Unionswählern offenbar nicht. Sie machten ihr Kreuz bei der FDP. Statt auf vorhergesagte sieben kamen die Liberalen so auf fast zehn Prozent.

Für Schwarz-Grün spricht nicht viel

Das Ergebnis war dann trotzdem eine große Koalition. Diesmal will Lindner die Geschichte mit den gleichen Mitteln zu einem anderen Ende bringen. In der Union registrieren sie sorgsam, wie der FDP-Jungstar am CDU-Wähler zerrt, wo immer er einen Zipfel glaubt fassen zu können, von den Unzufriedenen mit der Flüchtlingspolitik bis zu Wirtschaftsnahen. Nebenbei versucht er auch bei der SPD zu wildern – die Forderung, den Krim-Konflikt für „eingefroren“ zu erklären, zielt erkennbar auf Traditionalisten der Entspannungspolitik.

Einer Regierungsbildung stehen solche Eskapaden nicht ernsthaft im Weg. Dem Lindner, sagt ein Christdemokrat aus der Regierungsspitze, seien Inhalte sowieso egal; schon deshalb werde an der Russlandpolitik Schwarz-Gelb bestimmt nicht scheitern. Auf der anderen, der Unionsseite gilt ohnehin: Wenn es für Schwarz-Gelb reichen würde, dann kommt es. Dafür sorgt allein schon die CSU mit ihrer Veto-Position als der Partei in der Union, die 2018 die nächste Wahl bestehen muss.

Für ein schwarz-grünes Bündnis hingegen müsste die Öko-Truppe selbst nach Einschätzung erklärter Grünen-Freunde in der CDU klar vor den Freidemokraten landen. Dass Göring-Eckardt und Özdemir ein Rezept dafür hätten, ist bisher nicht zu erkennen. Doch nach Nackenschlägen wie in Niedersachsen bliebe das wohl sowieso besser erst mal in der Schublade. Schweigen ist keine Wahlkampfstrategie, aber in Notfällen immer noch die beste schlechte Wahl.

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