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Beim politischen Frühschoppen Gillamoos. Friedrich Merz (l), Bundesvorsitzender der CDU, und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, stoßen auf der Bühne mit Bierkrügen an.

© dpa/Sven Hoppe

Die CDU und Bayern: „Nach der Wahl wird Söder Merz angreifen“

CDU-Chef Friedrich Merz lobt Söders Entscheidung, an Aiwanger festzuhalten. Dabei kann die Flugblatt-Affäre sogar die Kanzlerkandidaten-Frage der Union beeinflussen.

Montagmorgen, 10.14 Uhr: Markus Söder und Friedrich Merz prosten sich mit schweren Tonkrügen zu. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef hat den Vorsitzenden der Schwesterpartei ins Bierzelt beim Gillamoos-Frühschoppen im niederbayerischen Abensberg geladen. Unter dem Steiger-Lied, bekannt aus Bergbauregionen wie dem Ruhrgebiet, zieht der Sauerländer Merz ins Festzelt ein. Vielleicht fällt der Lehrplan des bayerischen Geografie-Unterrichts für den nicht-bayerischen Teil Deutschlands etwas grobmaschig aus.

Als „Friedrich Merz und Dr. Markus Söder“ werden die beiden Redner des Vormittags per Lautsprecher angekündigt. Die Kapelle spielt „Ein Prosit der Gemütlichkeit“. Merz und Söder strahlen, prosten sich zu und nehmen jeweils große Schlücke aus den Krügen. Los geht’s.

Sehr gut, genauso war’s richtig, das so zu machen.

CDU-Chef Merz über Söders Agieren in der Aiwanger-Affäre

Merz ist Söders Vorredner, und er geht auf die Affäre um Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) direkt ein. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er „bravourös“ gelöst, sagt Merz: „Sehr gut, genauso war’s richtig, das so zu machen.“ Damit lobt Merz Söders Entscheidung vom Sonntag, Aiwanger trotz aller Vorwürfe und einer mangelhaften Aufklärung rund um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten im Amt zu belassen.

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Übertriebene Bewertung

„Bravourös“? Diese etwas übertriebene Einordnung durch Merz erinnert an das Urteil des CDU-Chefs auf eine Rede der Olympionikin und uniformierten Bundespolizei-Beamtin Claudia Pechstein bei einem CDU-Treffen im Juni. „Brillant“ nannte Merz da den eher mäßigen Beitrag Pechsteins. Manchmal verrutschen ihm die Maßstäbe.

Merz also hält Söders Management der Aiwanger-Affäre für angemessen. In der CDU wird die Sache bisher weitgehend schweigend betrachtet. Für Montagabend war eine Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur ersten Sitzungswoche angesetzt.

Knobloch lehnt Entschuldigung Aiwangers ab

Nicht jeder in der Union dürfte Söders Entscheidung, Aiwanger im Amt zu halten, für richtig halten. So nannte der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz Aiwangers „Antworten“ auf die 25 Fragen Söders eine „Farce“. Es mangele an Einsicht und Aufklärungswillen. Schleswig-Holsteins Kultusministerin und CDU-Vize Karin Prien sieht in Aiwangers Reaktion auf Söders Entscheidung vom Sonntag einen Schaden für Bayern und Deutschland. Die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte Söders Entscheidung verteidigt. Eine Entschuldigung Aiwangers aber nahm sie nicht an.

Die Flugblatt-Affäre und ihr Umgang damit könnte – über das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl – sogar die Debatte über die Unions-Kanzlerkandidatur prägen. Sollte Söder mit seinem Festhalten an Aiwanger am 8. Oktober ein schlechteres Ergebnis einfahren als 2018 (37,2 Prozent), müsste er seine Kanzler-Hoffnungen begraben. Bei einem Abschneiden mit über 40 Prozent wird in der CDU mit einem sehr selbstbewussten Auftritt Söders gerechnet.

„Söder ist in der Klemme“

„Egal, wie die Wahl ausgehen wird: Söder wird danach Merz angreifen“, sagt ein CDU-Politiker, der das Schauspiel genau verfolgt: Bei einer Niederlage werde Söder Merz den Bundestrend vorhalten, also den CDU-Chef für sein mieses Abschneiden verantwortlich machen. Im Falle eines klaren Sieges werde er Merz angreifen, indem er dessen Qualitäten als Unions-Kanzlerkandidat infrage stelle und sich dafür selbst ins Spiel bringe.

Aus reinem Machtkalkül habe Söder gehandelt, indem er Aiwanger amtieren lasse. Der CSU-Chef fürchte ein großes Resonanzpotenzial der Freien Wähler. Die Fest- und Bierzelte seien auf Seiten der Freien Wähler. „Söder ist in der Klemme“, sagt der CDU-Politiker. Allein aus der Sorge vor stärker werdenden Freien Wählern habe Söder eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen.

In der CDU hat man nicht vergessen, wie illoyal Söder den Bundestagswahlkampf des damaligen CDU-Chefs und Kanzlerkandidaten Armin Laschet begleitet hatte. Mancher hält Söder für charakterlich außerstande, Bundeskanzler zu sein.

Die Stimmung in den Unionsparteien ist mäßig bis angespannt. In der jüngsten Sonntagsfrage bei Infratest Dimap liegt die CDU/CSU bundesweit bei 29 Prozent. Merz ist noch unbeliebter als Kanzler Olaf Scholz (SPD). Infratest-Wahlforscher Stefan Merz sagte jüngst dem Tagesspiegel: „Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist groß. Doch die Bürger trauen auch der Union als Opposition wenig zu.“ Bei „solch miserablen Werten für die Koalition müssten CDU/CSU eigentlich bei 40 Prozent oder mehr liegen“.

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