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Protest vor der Grünen-Zentrale in Düsseldorf.

© dpa / Roberto Pfeil

Die Grünen und die Klimabewegung: Ein Riss, der kein Graben werden soll

Die Proteste um das Kohledorf Lützerath haben Grüne und die Klimabewegung gespalten. Die Partei bemüht sich, die eigene Basis wiederzugewinnen.

Als die Menge mit ihren Plakaten, Trommeln und Fahnen das Ortsschild Keyenberg passiert und in der Ferne die Kohlebagger und die besetzten Baumhäuser von Lützerath in Sicht kommen, skandieren einige Hundert Demonstranten einen neuen Schlachtruf: „Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten. Wer war mit dabei – Grüne Partei.“

Etwas weiter hinten im Zug läuft die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Emilia Fester, als Parlamentarische Beobachtung. Wie Fester später berichtet, wird sie dabei immer wieder beleidigt. „Grüne verpisst Euch! Ihr habt uns doch verraten!“ Es habe weh-getan, schreibt Fester später in ihrem Blog.

Der Streit um das Kohledorf Lützerath am Tagebau Garzweiler II spaltet die Grünen und die Klimabewegung. In Düsseldorf wurde die Landesparteizentrale von Aktivisten besetzt, in Aachen die Fenster des Wahlkreisbüros eines Bundestagsabgeordneten zerstört, vor dem Wirtschaftsministerium von NRW, dem Dienstsitz der Grünen-Politikerin Mona Neubaur, kam es die ganze Woche zu Demonstrationen.

Verrat am Pariser Klimaabkommen

Für die Grünen ist es eine schmerzhafte Erfahrung. Eigentlich verstehen sie sich als Vorkämpfer für das Klima, doch nun werden sie von der eigenen Basis geschasst. Als ungerecht empfinden das manche Grüne. Dabei steht weniger die Abbaggerung von Lützerath, als der der vermeintliche Verrat am Pariser Klimaabkommen im Fokus der Kritik.

„Würden die Grünen ehrlich sagen: Christian Lindner kann zwar das Tempolimit verteidigen, aber wir kriegen es nicht hin, die 1,5-Grad-Grenze zu verteidigen, fände ich das ehrlich“, sagte Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin von Fridays for Future, dem „Spiegel“ in einem Streitgespräch mit der Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge. Das Verkleiden des Schlechten als glorreich sorge für Spannungen zwischen Grünen und Klimabewegung. „Diese Vereinbarung bringt mehr Klimaschutz“, beharrte Dröge.

Der Riss zwischen Aktivisten und Abgeordneten wird auf offener Bühne sichtbar. In Talkshows, in Zeitungs-Streitgesprächen, am Rande von Demonstrationen. Die Parteispitze in Berlin und Düsseldorf habe den Konflikt nicht gut moderiert, beklagen erfahrene Grüne. Doch entscheidend würden die nächsten Monate. Verheilt der Riss zur Narbe oder wird er zum Graben?

Ikonisches Foto: Klimaaktivistin Greta Thunberg wird von der Polizei weggetragen.

© AFP/dpa/Federico Gambarini

Viele Grüne geben sich gelassen, verweisen auf unterschiedliche Rollen und Aufgaben. Lützerath sei kein Hartz-IV-Moment der Grünen – auch eine neue Parteigründung erwartet so schnell niemand. Die Grünen erwarten wenige Stimmenverluste an die Konkurrenz, auch wenn sich beispielsweise der Vorsitzende der Klimaliste in Lützerath an den Protesten beteiligte. In drei Wochen werde nichts mehr von Lützerath zu hören sein, hoffen sie in der Partei. In drei Wochen wird in Berlin gewählt.

Rückgrat wie Wackelpudding

Die Opposition will das Thema Lützerath jedoch nutzen, das wurde am Freitag in einer aktuellen Stunde im Bundestag sichtbar, die von der AfD beantragt wurde. Während die Rechten vor allem die Nähe der Grünen zu den gewalttätigen Aktivisten der Lützerath-Demo herstellen wollen, trieb Linken-Chefin Janine Wissler die Grünen genüsslich in die Ecke.

Wenn es wirklich ernst wird, zeigen die Grünen ein Rückgrat aus Wackelpudding.

Linken-Chefin Janine Wissler kritisiert die Grünen

„Ist das Pariser Klimaabkommen für Sie nur eine unverbindliche Empfehlung?“, will Wissler wissen. Dass die Grünen das Jahr des Klimaschutzes ausgerufen hätten, würde das Klima nicht retten.

„Das Problem mit den Grünen ist, dass sie nicht bereit sind, sich für den Klimaschutz mit Konzerninteressen oder dem eigenen Koalitionspartner anzulegen“, sagte Wissler, die ebenfalls in Lützerath war und dort in einem Protestcamp übernachtet hat. Die Grünen, so Wissler, habe ein Rückgrat wie Wackelpudding.

Im Plenum ist die Aufregung der Grünen groß, immerhin seien es die Ostverbände der Linken, die sich gegen einen früheren Ausstieg aus der Kohle in der Lausitz aussprechen.

Doch auch bei den Grünen hadern viele, vor allem junge Abgeordnete, mit der Kohlepolitik. Die Grüne Jugend, die mehr als 20 Abgeordnete ins Parlament gebracht hat, hatte gegen die Räumung von Lützerath mobilgemacht. „Das reicht nicht für das 1,5-Grad-Ziel“, sagt Lukas Benner, Grünen-Parlamentarier, über den Kohleausstieg 2030 im Westen und den Deal mit RWE.

„Das Ziel muss sein, dass die Kohle unter Lützerath nicht verbrannt wird“, sagt Benner. Auch Dröge und andere Spitzengrüne äußern sich in diesen Tagen ähnlich und gehen damit auf die Forderung der Aktivisten um Luisa Neubauer ein. Es wirkt, als wollten die Grünen der Klimabewegung die Hand reichen. Wie glaubwürdig die Partei dabei ist, muss sie wohl noch beweisen.

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