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In den USA hat die vorzeitige Stimmabgabe bereits begonnen.

© Nati Harnik/dpa

Deutscher leitet Wahlbeobachtung in Washington: Eine heikle Mission in den USA

Im Auftrag der OSZE beobachten 100 Experten und Parlamentarier die Wahlen in den USA. Geleitet wird dieser Einsatz vom FDP-Abgeordneten Michael Link.

Wenn Michael Link an diesem Freitag ins Flugzeug nach Washington steigt, ist er in einer heiklen Mission unterwegs. Der FDP-Bundestagsabgeordnete leitet die internationale Wahlbeobachtung in den USA, die von der OSZE organisiert wird. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa beobachtet regelmäßig, ob Abstimmungen in ihren Mitgliedsstaaten frei, fair und nach internationalen Standards ablaufen.

In den USA waren die Experten bereits acht Mal im Einsatz. Auch bei Bundestagswahlen sind sie dabei. Doch in einem Land, in dem Präsident Donald Trump selbst von angeblichem Wahlbetrug spricht und damit lange vor dem Tag der Abstimmung deren Rechtmäßigkeit in Zweifel zieht, kommt einer unabhängigen Beobachtung eine besondere Bedeutung zu.

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Bereits seit einigen Wochen sind 40 Langzeitbeobachter im Auftrag der OSZE in 31 US-Bundesstaaten unterwegs. „Wir sind überall dort, wo es wichtig ist und wo wir Probleme sehen könnten“, sagt Link. Die Experten würden sich besonders die Briefwahl, die vorzeitige Stimmabgabe sowie die Stimmung an und in den Wahllokalen ansehen. Trump hatte insbesondere Zweifel am rechtmäßigen Ablauf der Briefwahl geäußert. Für den Wahltag am 3. November werden 60 Parlamentarier aus 25 Ländern anreisen, darunter sind neben Link sieben weitere Bundestagsabgeordnete.

Allerdings können sie keineswegs überall den Verlauf der Abstimmung begleiten. In 18 US-Bundesstaaten dürfe am Wahltag selbst nicht beobachtet werden, kritisiert Link. Die Einschränkungen in Teilen des Landes, die sich aus dem unterschiedlichen Wahlrecht ergeben, hatten die OSZE-Beobachter schon 2016 bemängelt. Auch damals war Link bereits in führender Rolle dabei.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Link leitet die OSZE-Wahlbeobachtung in den USA.

© Kay Nietfeld/dpa

Kaum ein anderer Deutscher hat so viel Erfahrung mit Wahlbeobachtung wie der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt. Drei Jahre lang leitete er das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), zu dessen Aufgaben die Wahlbeobachtung gehört. Mehr als 100 Abstimmungen hat Link in dieser Funktion begleitet, hinzu kommen noch einige Dutzend weitere Einsätze. In nicht wenigen Ländern hat Link die Erfahrung gemacht, dass die Wahl schon vor der Abstimmung entschieden war. Gerade in Staaten, die demokratische Standards missachten, bekommt die Einschätzung der internationalen Experten besonderes Gewicht. Manche Machthaber fürchten ihre diplomatisch formulierten, aber klaren Worte. Bei der Präsidentenwahl in Belarus wurde die OSZE nicht rechtzeitig eingeladen.

Link betont, die Beobachtung finde in allen Ländern nach dem gleichen Prinzip statt. „Wir sind keine Wahlpolizei, wir sind auch kein Schiedsgericht“, sagt der Leiter der Mission in den USA. „Wir erklären eine Wahl nicht für gültig oder für ungültig.“ Die Aufgabe sei es, mit einem internationalen Mandat, unabhängig und mit einer Methodologie, die in allen OSZE-Staaten anerkannt sei, zu beobachten und dann zu berichten.

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Immer wieder betont Link, wie wichtig für die Arbeit der Mission die Neutralität sei. „Das Instrument der Wahlbeobachtung kann nur dann stark sein, wenn wir uns politisch vollständig heraushalten.“ Er und sein Team dürfen die Aussagen Trumps also nicht bewerten.

Ein erster Zwischenbericht der Langzeitbeobachter, der bereits veröffentlicht wurde, stützt sich daher an kritischen Punkten auf Einschätzungen von Gesprächspartnern. Der Wahlkampf in den USA finde in einer Atmosphäre statt, die von einem „hohen Grad an Polarisierung und Spaltung“ geprägt sei. Viele Gesprächspartner hätten die ernste Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Legitimität der Wahlen in Frage gestellt werden könnte, weil der Amtsinhaber wiederholt von Wahlbetrug, insbesondere bei der Briefwahl, gesprochen habe.

Der Bericht verweist zudem darauf, dass Trump sich mehrfach weigerte, im Fall einer Niederlage einen friedlichen Machtübergang zuzusichern. Die Beobachter bekamen deshalb in ihren Gesprächen zu hören, es gebe ein „Potenzial für politische Gewalt“ nach den Wahlen. Zudem wird eine Einschüchterung von Wählern im Wahllokal befürchtet.

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Auch die Nutzung von „administrativen Ressourcen“ im Wahlkampf fand Eingang in den Zwischenbericht: So hätten einige Gesprächspartner kritisiert, dass Schecks, die zum Ausgleich der durch die Corona-Pandemie entstandenen Lasten dienen sollten, zusammen mit einem von Trump unterschriebenen Brief an Wähler verschickt wurden.

Als Herausforderung sieht Link die US-Wahl eher wegen der Corona-Pandemie und nicht wegen der politischen Polarisierung. „Mit hoch kompetitiven, umstrittenen Wahlen können wir umgehen, solange wir die politische Neutralität einhalten.“ Wenn Link am Tag nach der Wahl in Washington die Ergebnisse der Mission präsentiert, wird allerdings noch mehr als sonst die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Beobachter gerichtet sein.

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