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Im Moment ist das Kapitol verwaist, der US-Kongress ist in der Sommerpause. Danach sollen sie über eine Militärintervention in Syrien entscheiden.

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Update

Militärschlag gegen Syrien: Frankreich will auf die USA warten

Die Entscheidung zwischen Krieg und Frieden ist verschoben, bis der US-Kongress aus dem Urlaub zurück ist. Auch Frankreich wartet auf die Abgeordneten.

Von Michael Schmidt

Frankreich hat klar gestellt, nicht im Alleingang gegen Syrien vorzugehen. Man werde eine Entscheidung des US-Kongresses in der Sache abwarten, erklärte der französische Innenminister Manuel Valls am Sonntag. Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama überraschend entschieden, vor einem Eingreifen in Syrien das Parlament um Zustimmung zu bitten. Eine Abstimmung kann voraussichtlich erst nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause in der Woche ab dem 9. September erfolgen.

“Frankreich kann das nicht alleine machen“, sagte Valls dem Radiosender “Europe 1“. “Wir brauchen eine Koalition.“ Für Montag ist ein Treffen von Regierungschef Jean-Marc Ayrault mit den Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern sowie Vertretern der Opposition geplant. Dabei soll über das Thema Syrien beraten werden. Für Mittwoch ist eine Parlamentsdebatte geplant.

Nach dem Rückzug Großbritanniens ist nur noch Frankreich verblieben, das einen Einsatz der USA mittragen will. In Großbritannien stimmte das Parlament gegen die Angriffspläne von Premierminister David Cameron.

Am Samstagabend war bekannt geworden, dass es einen sofortigen US-Militärschlag gegen Syrien nicht geben wird: US-Präsident Barack Obama will sich die geplante Strafaktion erst vom Kongress absegnen lassen. Nach seiner Überzeugung sollten die USA zwar einen Angriff führen, um auf einen Giftgas-Einsatz des Regimes mit mehr als 1400 Toten zu reagieren: „Ich bin bereit, den Befehl zu geben“, erklärte Obama am Samstag in Washington. Die USA seien aber stärker, wenn die Entscheidung vom Kongress getragen werde. Deshalb bitte er um „Autorisierung“.

Damit kann eine Entscheidung nach dem bisherigen Terminplan frühestens am 9. September fallen - dann geht die Sommerpause des Kongresses zu Ende. Ob Obama dort grünes Licht für den Waffengang erhalten wird, ist unsicher. Der Präsident äußerte sich nicht auf eine Journalisten-Frage, was er im Falle einer Abstimmungsniederlage tun werde. Vor dem Weißen Haus demonstrierten während der Rede mehrere hundert Menschen gegen einen Militäreinsatz.

Nach dem Nein des britischen Parlaments zu einem Militärschlag kann Obama weiterhin auf die Unterstützung Frankreichs und seines Präsidenten François Hollande zählen. Am Samstagabend (MEZ) telefonierten beide erneut miteinander, wie die Regierung in Paris mitteilte. Hollande und Obama hätten gegenseitig ihre Entschlossenheit bekräftigt, das Regime in Damaskus für den Einsatz chemischer Waffen zu bestrafen. Kremlchef Wladimir Putin nannte die Anschuldigungen der USA „absoluten Unfug“ und forderte Washington auf, die Giftgas-Vorwürfe mit konkreten Beweisen zu belegen.

Vor der Rede Obamas hatte in Syrien nach der Abreise der UN-Chemiewaffenexperten die Furcht vor einem baldigen Militärschlag um sich gegriffen. Zahlreiche Flüchtlinge überquerten die Grenze zum Libanon - unter ihnen auch viele Unterstützer der Regierung von Präsident Baschar al-Assad.

Die letzten UN-Chemiewaffenexperten trafen am Samstag nach ihrer Abreise aus Damaskus in den Niederlanden ein. Eine von der deutschen Regierung gecharterte Maschine landete am Nachmittag in Rotterdam. Das UN-Team fuhr anschließend weiter zum Sitz der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag. Der Bericht über den mutmaßlichen Giftgas-Einsatz soll in spätestens drei Wochen vorliegen, wie die OPCW am Abend mitteilte: „Es wird jede Anstrengung gemacht, den Prozess zu beschleunigen.“ UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe den Leiter der Gruppe, den Schweden Åke Sellström, in einem Telefonat um größte Eile gebeten, sagte UN-Sprecher Martin Nesirky in New York. Zugleich unterstrich er, dass Ban einen Militärschlag ablehne.

Das syrische Regime trieb indes seine Vorbereitungen auf einen westlichen Angriff weiter voran: Die Armee verlegte Einheiten in Wohngebiete der Hauptstadt Damaskus. Außerdem hätten regimetreue Soldaten Ausrüstung in Wohngebäude, Schulen und Studentenwohnheime geschafft, sagten Einwohner der Nachrichtenagentur dpa. Eine Moschee im Viertel Al-Mezzeh sei in eine Art Kaserne verwandelt worden. Das Regime wies die Giftgas-Vorwürfe der USA erneut als haltlose Lügen zurück. Diese basierten auf erfundenen Berichten von Rebellen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium in Damaskus. Als Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Regime reiste eine Delegation des iranischen Parlaments nach Damaskus, wie die Nachrichtenagentur Isna meldete.

Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe warnte vor einem übereilten Militärschlag. „Der Zeitpunkt ist entscheidend“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Aus „Respekt vor den Vereinten Nationen“ und „mit Blick auf die Weltöffentlichkeit“ sollten vor eskalierenden Schritten die Ergebnisse der UN-Untersuchungen vor Ort abgewartet werden, forderte Rühe. „Auch und vor allem gegenüber Moskau wäre es wichtig, die russische Regierung mit diesen Ergebnissen zu konfrontieren“, sagte der 70-Jährige, der angab, keine Zweifel an der Verantwortlichkeit des Assad-Regimes für den Giftgaseinsatz zu haben.

Auch deshalb sollten die USA, „wenn sie Russland als Partner gewinnen wollen, alle ihre – auch geheimen – Kenntnisse den Russen auf den Tisch legen“, forderte er. Russlands Regierung könne dann „nicht mehr von einem US-Lügenmärchen reden“ und müsste sich entscheiden, wie es sich zu eindeutigen Berichtsergebnissen verhalten wolle: „Weiter in bedingungsloser Treue zum Assad-Regime stehen – oder Partner in Verhandlungen über die politische Zukunft Syriens sein.“ Die nötige Geduld sollte die Weltgemeinschaft aufbringen, sagte Rühe, fügte aber hinzu, er fürchte, dass das nicht passieren werde. Der CDU-Politiker beklagte die Uneinigkeit der europäischen Haltung in der Syrien-Frage – und kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung. „Wir haben einen übereifrigen britischen Premierminister, ein Frankreich, das an der Seite der USA zu kämpfen bereit ist und ein Deutschland mit einer sehr nebulösen Haltung, das es versäumt, sich um eine gemeinsame europäische Haltung zu bemühen“, sagte Rühe: „Wenn die deutsche Außenpolitik sich derart auf Rhetorik beschränkt, hat sie das Gewicht eines Luftballons und trägt so zum Scheitern einer gemeinsamen EU-Politik bei.“ (mit dpa)

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