zum Hauptinhalt

Fraktionsvize Singhammer: "Für mich lehne ich eine Organspende ab"

Als Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag ist Johannes Singhammer zuständig für den Bereich Gesundheit. Mit dem Tagesspiegel spricht der CSU-Politiker über Organspende, Nächstenliebe und Selbstbestimmung.

Alle Bundestagsfraktionen wollen das Organspendegesetz gemeinsam ändern. Herr Singhammer, sind Sie zufrieden mit der Einigung?

Ich halte es für richtig, dass dies in Form eines Gruppenantrags geschieht und nicht auf dem Weg der üblichen Fraktionsbindung. Dadurch kann jeder im Bundestag frei entscheiden, ob er sich dem Vorschlag anschließt oder nicht.

Mit dem Ziel, das Spendenaufkommen zu erhöhen, sollen alle Bürger befragt werden. Für sich selber lehnen Sie eine Organspende aber ab. Wie passt das zusammen?

Beabsichtigt ist ja gerade die Klarstellung, dass keinerlei Druck ausgeübt wird. Die Organspendebereitschaft bleibt die freie Entscheidung jedes Einzelnen.

Aus welchem Grund verweigern Sie sich denn dem Akt der Nächstenliebe durch eine womöglich lebensrettende Spende?

Nächstenliebe und Offenheit über das, was am Ende eines menschlichen Lebens geschieht, dürfen nicht in einen Gegensatz gebracht werden. Viele befassen sich mit der Frage, wann ein Mensch wirklich tot ist. Das geltende Kriterium des Hirntods ist inzwischen wissenschaftlich umstritten, der Bioethikrat der USA etwa hält es für ungeeignet. Es gibt viele ernst zu nehmende Hinweise, dass sich hirntote Menschen zwar im unumkehrbaren Sterbeprozess befinden, aber noch nicht tot sind. Ich denke, dass man diese Erkenntnisse in der Diskussion nicht ausklammern kann.

Bedeutet die Infragestellung des Hirntod- Kriteriums nicht, Organtransplantationen unmöglich zu machen?

Man könnte auch daran denken, zusätzliche eindeutige Nachweise vorzuschreiben. Dass das die Organtransplantation nicht erleichtern würde, ist klar.

Manche zweifeln auch, ob Organspende mit würdigem Sterben vereinbar ist...

Das gehört ebenso zu dem Spektrum berechtigter Fragen, wie die Überlegung, wie sich die Bereitschaft, eigene Organe zu spenden, mit einer Patientenverfügung verträgt, die ja inzwischen sehr viele unterzeichnet haben und mit der sie lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen. Wichtig ist mir bei alldem, dass jeder über die letzten Stunden seines Lebens frei entscheiden können muss. Deshalb bin ich auch froh, dass die Widerspruchslösung vom Tisch ist. Es wäre ein massiver Eingriff in die Freiheit des Menschen, wenn jeder zum potenziellen Organspender erklärt wird, der dem zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen und dies amtlich hinterlegt hat.

Müssten die offenen Fragen nicht ausdiskutiert sein, bevor man alle Bürger „mit Nachdruck“ zu einer Festlegung auffordert?

Mein dringender Rat ist, sie nicht auszusparen. Die Diskussion in einem freiheitlichen Staat wie dem deutschen lässt sich sowieso nicht beschränken. Und aus meiner Sicht erklärt sich die Diskrepanz zwischen der hohen Zustimmung zur Organtransplantation und der geringen Zahl von Spendenausweisbesitzern genau mit dieser großen Unsicherheit angesichts des Übergangs vom Leben zum Tod. Deshalb sollte man alle bei der berechtigten Frage nach ihrer Spendenbereitschaft auch über den letzten Stand der Wissenschaft informieren. Mitsamt allen aufgetretenen Zweifeln, offen und transparent.

Wie sollte man mit Menschen umgehen, die eine Antwort schuldig bleiben?

Wir wollen die Menschen nicht bedrängen. Ich halte überhaupt nichts von Sanktionen für diejenigen, die eine Entscheidung nicht treffen oder sich mit dem Thema einfach nicht befassen wollen. Auch das gehört zur Freiheit.

Wäre die Konsequenz einer Spendenverweigerung nicht, dann auch für sich selber eine Transplantation auszuschließen?

Auch das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich habe das für mich getan und lehne eine Organtransplantation ab. Eine Negativliste – nach dem Motto: Wer nichts gibt, bekommt auch nichts – halte ich aber für falsch. Die Frage, ob und wann jemand ein Organ erhält, muss sich allein an medizinischen Kriterien orientieren.

Kritiker sagen, das niedrige Organspendeaufkommen hänge vor allem mit Organisationsversagen zusammen. Viele Hirntote werden gar nicht gemeldet…

Klar ist: Wer höhere Spenderzahlen möchte, muss vor allem die Infrastruktur verbessern. Ich denke da insbesondere an die Kostenübernahme für Transplantationsbeauftragte. Eine gute Klinikorganisation bewirkt wesentlich mehr als eine wie auch immer ausgestaltete Großaktion für mehr Spendenbereitschaft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false