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Philipp Rösler und Angela Merkel

© dpa

Niedersachsen-Wahl: Gemischte Gefühle

CDU und FDP hoffen auf einen schwarz-gelben Sieg in Niedersachsen. Doch ein gutes Ergebnis für FDP-Chef Philipp Rösler freut nicht jeden.

Von Antje Sirleschtov

Dass Parteien Wahlen nicht gewinnen wollen, kommt vermutlich eher selten vor. Und es gilt ja selbst an diesem Sonntag nicht für die ganze Freie Demokratische Partei. Es gilt höchstens für die ganze FDP abzüglich aller Niedersachsen. Dort haben sie gekämpft, wie es Wahlkämpfer tun, für sich, für ihr Überleben, für die weitere Beteiligung an der Landesregierung in Hannover, und manche auch für Philipp Rösler, der mal einer der Ihren war.

Der ganze Rest der FDP jedoch hat nichts mehr gefürchtet als ein richtig gutes Wahlergebnis zwischen Ems und Elbe. Denn wie würde man, so hat sich mancher bang gefragt, dann noch diesen Rösler als Parteichef los? Wie sehr die Führenden in Berlin a la baisse spekuliert haben, hat dieser Tage ausgerechnet einer offen gelegt, der bisher eher als biederer Wirtschaftsonkel aufgefallen ist denn als Politbörsenzocker. Wohl wissend, was er damit auslöst, erinnerte Rainer Brüderle am Freitagmorgen in einem Interview daran, dass die Frage, ob Philipp Rösler Parteivorsitzender bleiben darf, ganz unabhängig vom Ausgang der Wahl in Niedersachsen möglichst rasch auf einem Bundesparteitag geklärt werden muss. Den ohnehin angeschlagene Parteichef aus Niedersachsen so kurz vor der Wahl zur Disposition zu stellen: Denen in der Bundes-FDP, die Rösler lieber heute als morgen loswerden wollen, sprach der Fraktionsvorsitzende aus dem Herzen. Den Wahlkämpfern in Niedersachsen aber hätte Brüderle keinen größeren Tort antun können. Schließlich kämpften die Liberalen dort um jede Stimme und das letzte, was sie gebrauchen konnten, war interner Personalzwist 48 Stunden vor dem Wahltag.

Dass Brüderle sein Störmanöver trotzdem gestartet hat, hängt, so paradox das auf den ersten Blick auch klingen mag, mit den letzten Stimmungstests in Hannover zusammen. Mit jedem Tag, den man der Wahl näher kam, deutete mehr darauf hin, dass die FDP es schaffen würde, mehr als fünf Prozent der Niedersachsen für sich zu gewinnen und damit den Einzug in den Landtag zu schaffen. Mehr noch: In Philipp Röslers Heimatland durfte die FDP zum Schluss mit sechs, vielleicht sogar sieben oder gar acht Prozent rechnen. Schon malten sich seine Widersacher in Berlin den Wahlabend aus, sahen den Parteichef vor sich, wie er selbstbewusst vor den Kameras steht und die Kraft der Freiheit und seine eigene preist. Mit so einem Wahlergebnis im Rücken würde es unmöglich, Rösler zu einem Rückzug vom Amt des Parteivorsitzenden zu bewegen. Wie hatte FDP-Altvater Hans Dietrich Genscher doch vergangene Woche noch gesagt? „Niedersachsen ist Rösler.“ Der Parteichef wird diesen Satz bei einem guten Wahlergebnis zu zitieren wissen. Der Plan, Philipp Rösler möglichst lange vor der Bundestagswahl loszuwerden, wäre gescheitert.

Schlimmer noch: Einem kraftstrotzenden Parteichef könnte niemand guten Gewissens die Gefolgschaft verweigern. Brüderle, Niebel, Lindner und Co. sahen sich schon im Sommer wahlkämpfen für einen Parteivorsitzenden, dem sie nach fast zweijähriger Amtszeit weder programmatisch noch persönlich ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl Ende September zutrauen.

Wer eine Ahnung davon bekommen will, wie es mit der FDP nach der Niedersachsenwahl weitergehen wird, der muss sich nur die Stimmung der letzten vier Monate in Erinnerung rufen und sich an die vielen kleinen offenen und verdeckten Spitzen gegen Rösler erinnern. Selten standen sich die FDP und ihr Vorsitzender misstrauischer und missgünstiger gegenüber. Ein Altgedienter hat dieser Tage den Vergleich mit den letzten Monaten unter Parteichef Guido Westerwelle gezogen. Mit einem Unterschied: Damals im Winter 2011 hatte die FDP die Bundestagswahl hinter sich.

Übrigens dürfte noch jemand still damit kalkuliert haben, dass die FDP in Niedersachsen nur mäßig abschneidet - gerade so, dass es zum Weiterregieren mit David McAllister reicht. Denn Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden ist natürlich schon daran gelegen, dass in Hannover die nächsten fünf Jahre eine schwarz-gelbe Koalition an der Macht bleibt. Erstens, weil die CDU in westdeutschen Flächenländern schon genug Verluste erlitten hat; zweitens aber, weil die Lage im Bundesrat eh kompliziert ist. Ein rot-grün regiertes Niedersachsen, das war klar, gäbe Angela Merkels Gegnern eine Blockademacht in der Länderkammer weit über die laufende Wahlperiode hinaus.

Eine erneuerte FDP ohne Rösler könnte ein besserer Partner für die CDU auf Bundesebene sein

Und Merkel denkt allemal über den Bundeswahltag hinaus. Neulich hat sie im CDU-Präsidium aufkeimende Schwarz-Grün-Debatten mit dem Argument gestoppt, ein solches Bündnis hätte mangels Bundesratsmacht vom ersten Tag an keinerlei Chance auf echte Gestaltungspolitik. Nicht dazu gesagt hat sie wohlweislich, dass das Gleiche für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb gelten würde, wenn Niedersachsen und womöglich demnächst noch Hessen fallen. Ein Koalitionsvertrag stünde dann unter einem ziemlich kuriosen Generalvorbehalt: Dies alles wollen wir angehen, falls wir im Bundesrat irgendwann wieder einmal politisch atmen können.

Ein schwarz-gelber Sieg in Hannover wäre ihr also schon recht, nicht zuletzt als Signal für die Bundestagswahl: Es geht. Aber über ein FDP-Ergebnis, das Rösler den Kopf kosten könnte, dürfte sie auch nicht richtig traurig sein. Wenn Merkel eine Schwachstelle hat, dann ist es ihre Koalition. Zu begründen, weshalb diese schwarz-gelbe Truppe weiter machen muss, fällt selbst der Königin der Beliebtheitsskalen nicht leicht. Viel leichter wäre es mit einer FDP, die zumindest erneuert aussähe und mit dem gemütlichen Zocker Brüderle an der Spitze zugleich wieder etwas ausstrahlen würde von der Vernunftpartei längst vergangener Tage. Vielleicht ist das ja sogar so ein Hintergedanke gewesen bei dem ganz außergewöhnlichen Engagement, das Merkel für ihren Kandidaten David McAllister gezeigt hat? Sieben Auftritte hat sie absolviert in den knapp drei Wochen, die der Wahlkampf nur gedauert hat, immer in vollen Hallen und immer mit der gleichen Botschaft: Die FDP wird es alleine packen – die CDU braucht jede Stimme.

Die kleine Leihstimmenkampagne, die McAllister gestartet hatte, haben sie in der Bundespartei von Anfang an mit gewissem Missbehagen betrachtet - die Erfahrung vergangener Kampagnen lehrt, wie leicht es geschehen kann, dass zu viele CDU-Wähler die dezenten Winke zur Rettung des kleinen Partners verstehen könnten. Angesichts von CDU-Umfragewerten, die seit Monaten um die 40-Prozent-Marge liegen, wäre deutlich weniger dann doch eine Enttäuschung. Nur einer muss sich über all dies fast keine Sorgen machen: David McAllister. Der Semi-Schotte kann in Berlin die nächste Karriere starten, wenn in Hannover für ihn erst mal Endstation sein sollte. Der 42jährige ist einer der ganz wenigen Hoffnungsträger der CDU in seiner Generation. Bei Merkel hat er sowieso einen Stein im Brett: Einer, der frech sein kann, aber auch loyal, würde bestens in ihr nächstes Kabinett passen.

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