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Eine Hand packt eine Frau am Shirt (Symbolbild Partnerschaftsgewalt).

© Foto: Getty Images/EyeEm/Uncredited

Gewalt in der Partnerschaft: Rund 144.000 Opfer in Deutschland

Die Ministerinnen Lisa Paus und Nancy Faeser haben neue Zahlen vorgestellt. Sie zeigen, wie weit verbreitet solche Taten in Beziehungen sind.

Eine neue Polizeistatistik zu Partnerschaftsgewalt wurde am Donnerstag in Berlin unter anderem von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellt. Im Jahr 2021 wurden rund 143.000 Fälle von Gewalt in Partnerschaften in der Polizeistatistik erfasst. Das ist ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr (knapp 146.700). Auch die Zahl der Opfer sank leicht: 2021 waren es gut 143.600, im Jahr davor gut 148.000. Dies ist aber eher eine Stagnation auf hohem Niveau als eine Trendwende. Im Fünf-Jahres-Vergleich ist die Zahl der Opfer insgesamt um 3,4 Prozent gestiegen.

Rund 80 Prozent der Opfer sind Frauen, etwa 20 Prozent sind Männer. „Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner“, sagte Ministerin Paus.

Unter anderem Lisa Paus (Grüne), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, stellten die aktuellen Zahlen vor.

© dpa / Foto: dpa/Kay Nietfeld

So wurden 113 Frauen und 14 Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt mit tödlichem Ausgang. 121 dieser Fälle gelten als Mord oder Totschlag, außerdem gab es sechs Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge.

127
Menschen wurden 2021 in Deutschland Opfer von tödlicher Partnerschaftsgewalt

Mit den Ministerinnen auf dem Podium saßen Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“. Sie alle wandten sich an die Opfer mit dem Aufruf, Beratungs- und Unterstützungsangebote wahrzunehmen.

Söchting schilderte, beim Hilfetelefon sei im Jahr 2021 mehr als 54.000 Mal beraten worden, was einen Anstieg von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Die Belastungen durch die Corona-Pandemie seien keine Ursache von Gewalt, hätten aber das Risiko erhöht, dass Situationen eskalierten. Der anonyme und vertrauliche Kontakt sei oft ein wichtiger erster Schritt aus der Gewalt. Es entscheide immer die betroffene Frau selbst über die nächsten Schritte.

Auch für Männer gibt es ein Hilfetelefon, dieses ist allerdings nur unter der Woche tagsüber erreichbar. Das Angebot sei noch im Aufbau, sagte dazu Ministerin Paus, es sei wünschenswert, die Beratungszeiten auszuweiten.

Die meisten erfassten Delikte waren einfache Körperverletzungen (59,6 Prozent). Bei 24,2 Prozent der Fälle handelte es sich um Bedrohung, Stalking oder Nötigung. Dabei ist die Zahl der Taten, die über das Internet verübt wurden, deutlich gestiegen, was auch mit einer Strafrechtsverschärfung in diesem Bereich zu tun hat.

Als gefährliche Körperverletzung gelten 12,2 Prozent der erfassten Taten, 2,5 Prozent der Fälle sind Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung oder andere sexuelle Übergriffe. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden Straftaten zu dem Zeitpunkt registriert, an dem die Ermittlungen abgeschlossen sind und die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft übergeben werden.

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), bei der Vorstellung der Befunde.

© dpa / Foto: dpa/Kay Nietfeld

Unklar ist, wie viele Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, ohne dass das in die Statistik eingeht. „Das Dunkelfeld ist ungleich größer, denn noch immer trauen sich viele Opfer nicht, über das zu sprechen, was ihnen passiert“, sagte Ministerin Paus. Zwei Drittel der Opfer würden auch nach schwerster Gewalt nicht zur Polizei gehen, entsprechend sei von real deutlich höheren Opferzahlen auszugehen als in der Statistik erkennbar.

Um das Dunkelfeld zu erhellen, lassen Bundesfrauenministerium, Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt derzeit eine repräsentative Befragung durchführen. Mit Ergebnissen sei 2025 zu rechnen, sagte BKA-Präsident Münch.

Paus sagte, sie wolle dafür kämpfen, die Lücken im Netz der Frauenhäuser und Beratungsstellen zu schließen. Auch sei eine einheitliche Rechtsgrundlage für die finanzielle Absicherung der Einrichtungen in Arbeit.

Kritik von Opposition und Sozialverbänden

Opposition und auch Sozialverbände kritisieren, es gebe in diesem Bereich bisher zu wenige konkrete Ergebnisse. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, sagte dazu am Donnerstag, es sei ein fatales Signal, dass die Ampelregierung die Maßnahmen zum Schutz von Frauen gegen Gewalt aus dem Koalitionsvertrag bisher nicht umgesetzt habe.

Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, kritisierte, die Bundesregierung kürze die Mittel für den Aus- und Umbau barrierefreier Frauenhäuser um über 30 Prozent. Das Fehlen einer Gesamtstrategie, um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen, sei katastrophal.

Innenministerin Faeser forderte bei der Vorstellung der Daten, Gewalt gegen Frauen müsse klar benannt und dürfe nicht verharmlost werden. Sie wandte sich gegen beschönigende Bezeichnungen wie etwa „Beziehungsdrama“ in der Berichterstattung über Partnerschaftsgewalt.

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