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US-Raketenschild: Merkel will Polen von Alleingang abbringen

Vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Polen sorgt das für Osteuropa geplante US-Raketenabwehrsystem für Unmut. Politiker der Koalition fürchten ein atomares Wettrüsten.

Berlin - "Wir, und das werde ich in Polen sagen, präferieren eine Lösung innerhalb der Nato und auch ein offenes Gespräch mit Russland darüber", sagte Merkel dem ZDF-"Morgenmagazin". Sie wolle das Thema am kommenden Wochenende bei ihrem Polen-Besuch ansprechen.

Polen betrachtet die Angelegenheit nicht als EU-Thema, sondern als nationale Angelegenheit und hat deswegen die EU-Partner nicht konsultiert. Die USA planen, in Polen und Tschechien ein Abwehrsystem gegen ballistische Raketen zu installieren. Russland lehnt das ab und droht mit eigener Nachrüstung.

Russland und USA rüsten auch ohne Raketenschild atomar auf

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sagte, er sehe die US-Pläne "sehr skeptisch". Es bestehe die Gefahr, dass der Raketenschirm weitere Abrüstungsschritte bremsen könnte. Der SPD-Abrüstungsbeauftragte Rolf Mützenich betonte, der technische und finanzielle Aufwand des Projekts seien sehr groß, die sicherheitspolitischen Folgen dagegen unabsehbar. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte derweil an, das Thema bei ihrem Besuch in Polen am Wochenende in Polen anzusprechen.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, das US-Raketenabwehrsystem in die Nato zu integrieren. Jung betonte: "Es wäre klug, das System in die Nato einzubinden. Dann können wir im Nato-Russland-Rat dafür sorgen, dass die russischen Bedenken ausgeräumt werden." Jung gab zu bedenken: "Wir haben gemeinsame Sicherheitsinteressen mit Russland."

Erler: US-Programm ist nicht kompatibel mit Nato-Strukturen

Nach Ansicht Erlers könnte der Raketenschirm auch die Bemühungen bremsen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Allerdings finde auch ohne den Raketenschirm bereits wieder eine teilweise atomare Neurüstung in Russland und den USA statt, sagte er.

Bei dem nationalen US-Programm gebe es zwar die Notwendigkeit von Konsultationen, "aber keine Mitsprache der Nato, der EU oder Deutschlands", sagte Erler. Es eigne sich nicht dazu, "natoisiert" zu werden. Innerhalb der Nato werde aber noch ein zweites Projekt einer gemeinsamen Raketenabwehr des Bündnisses diskutiert, das noch lange nicht entscheidungsreif sei. Im Juni solle hier ein Zwischenbericht vorgelegt werden.

Erler: Berechtigte Ängste Russlands

Erler betonte zudem, dass weder die russischen Ängste gegenüber dem US-System berechtigt seien noch die Hoffnungen einiger Nato-Staaten auf Schutz. "Beim nationalen US-System geht es um den Schutz des amerikanischen Territoriums und das Abfangen von Langstreckenraketen." Die Konstruktion sei nicht auf die Sicherheit europäischer Partner ausgerichtet.

Nach den US-Plänen sollen in Polen bis 2011 bis zu zehn ballistische Raketen stationiert werden. In Tschechien soll dafür ein Radarsystem entstehen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Februar auf der Sicherheitskonferenz in München das Vorhaben der USA heftig kritisiert. Dies hatte international Befürchtungen genährt, zwischen den Supermächten könnte ein neues Wettrüsten in Gang gesetzt werden. (tso/ddp/dpa)

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