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Verteidigungspolitik: Kampfgruppe im Wartestand

Die EU-Staaten tun sich schwer mit einer stärkeren militärischen Zusammenarbeit – bei allem Kostendruck.

Berlin - Überall in der EU müssen die Verteidigungsminister sparen. Das stellt sie vor ein Dilemma: Wie sollen die Armeen der einzelnen EU-Staaten einsatzfähig bleiben, trotz des Kostendrucks? Als Lösung gilt eine stärkere EU-weite militärische Kooperation, über die in den Mitgliedstaaten schon seit längerem nachgedacht wird. Das Thema stand auch am Donnerstag und Freitag auf der Tagesordnung der EU-Verteidigungsminister, die in der flämischen Stadt Gent zu einem informellen Treffen zusammenkamen.

Allerdings haben die EU-Staaten immer noch sehr verschiedene Auffassungen darüber, wann, wo und wie gemeinsame militärische Einsätze stattfinden sollten. Die Probleme bei der Zusammenarbeit zeigen sich bereits bei den sogenannten EU-Battlegroups – europäischen Krisenreaktionskräften, die seit 2005 zur Verfügung stehen. Bei den Battlegroups handelt es sich um rasch verfügbare und schnell verlegbare militärische Truppen. Sie sollen in Krisen eingreifen, maximal 120 Tage lang.

2005 standen die ersten Truppen bereit, seit 2007 sind es je zwei Battlegroups pro Halbjahr. Die Soldaten – 1500 bis 2500 pro Kampfgruppe – kommen aus den nationalen Armeen. Nur Malta und Dänemark machen nicht mit, dafür die Nicht-EU-Staaten Türkei, Norwegen, Mazedonien und Kroatien. Derzeit bilden Italien, Rumänien und die Türkei eine der Battlegroups, Spanien, Frankreich und Portugal die andere. Zu einem Einsatz kommt es aber nur, wenn von den Staats- und Regierungschefs keiner gegen einen Einsatz stimmt und auch jeweils auf nationaler Ebene zugestimmt wird.

Bisher war das noch nie der Fall, obwohl bereits einzelnen EU-Staaten Vorschläge gemacht haben. Ob die Battlegroups – sollte es jemals zu einem Einsatz kommen – überhaupt vernünftig in Konflikte eingreifen können, ist fraglich. Denn die militärische Planung und Führung auf europäischer und auf nationaler Ebene sind noch schlecht aufeinander abgestimmt. Diese Bilanz ziehen Claudia Major und Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die sich mit den Battlegroups eingehend beschäftigt haben. Auch die Ausrüstung der Truppen muss nach ihrer Meinung modernisiert werden. Es fehlen etwa Hubschrauber und Kommunikationsmittel, lautet das Urteil der beiden Experten.

Ein militärischer Eingriff bedarf der zentralen Führung. Doch genau die fehlt den EU-Battlegroups: „In der EU sind Planung und Führung von militärischen Operationen fragmentiert“, erklärt Major. So laufe die militärische Vorbereitung teils auf der Ebene der Staaten, teils auf der Ebene der EU. Major hält dies für ineffizient. Major und ihr Kollege Mölling schlagen deshalb die Gründung eines integrierten zivil-militärischen Hauptquartiers vor, das kontinuierlich besetzt ist und früh mit der Planung beginnt – und nicht erst dann, wenn einem Einsatz zugestimmt wurde. Das käme die EU nach Angaben der beiden Wissenschaftler sogar günstiger als die bisherige Organisation.

Dass die Battlegroups bisher nicht im Einsatz waren, liegt nicht an mangelnden Gelegenheiten: Bereits 2006 und 2008 machten Frankreich und Schweden den Vorschlag, mit den Battlegroups beispielsweise im Kongo die Wahlen zu sichern oder die Gewaltausbrüche im Ostkongo einzudämmen – dazu gekommen ist es aber nicht. Ein Grund sind die unterschiedlichen verteidigungspolitischen Prinzipien der EU-Länder. Major und Mölling halten es daher auch für notwendig, das Einsatzspektrum der Battlegroups auszuweiten: weg von rein militärischen, hin zu zivilen und zivil-militärischen Einsätzen. Dies würde einen Einsatz auch wahrscheinlicher machen – zum Beispiel bei Katastrophen wie dem Erdbeben in Haiti zu Beginn des Jahres.

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