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Robert Habeck gibt am 1. August 2023 in Hamburg ein Statement ab.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Nach Kritik des Expertenrats: Habeck sieht Fortschritte bei Klimapolitik – aber noch viel zu tun

Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung kann den Experten zufolge selbst bei vollständiger Umsetzung nicht halten, was es verspricht. Der Bundeswirtschaftsminister aber betont die angebliche Leistung der Ampel.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht deutliche Fortschritte bei der deutschen Klimaschutzpolitik, zugleich aber noch viel Arbeit. „Die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung hinterlassen hat, wird um bis zu etwa 80 Prozent geschlossen“, kommentierte der Grünen-Politiker am Dienstag die zuvor präsentierte Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen.

Der Klimaschutz-Projektionsbericht von 2021 habe noch eine Überschreitung der im Bundes-Klimaschutzgesetz bis 2030 festgeschriebenen Jahreshöchstmengen von mehr als 1100 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase ausgewiesen. Nach der aktuellen Projektion werde die Klimaschutzlücke je nach Szenario auf rund 200 bis 330 Millionen Tonnen reduziert.

Die jetzige Koalition habe viele entscheidende Weichen gestellt, vom Ausbau der erneuerbaren Energien über den Klima- und Transformationsfonds bis zur gezielten Förderung der Dekarbonisierung der Industrie. Es sei aber noch viel zu tun, betonte Habeck, der auch Klimaschutzminister ist.

Daran zu arbeiten, sei Aufgabe der gesamten Regierung. Die verbleibende Klimaschutzlücke sei laut Projektionsbericht 2023 zu etwa zwei Dritteln auf den Verkehrssektor zurückzuführen. Das übrige Drittel sei in etwa gleichen Teilen dem Gebäude- und dem Industriesektor zuzuordnen.

Der Klima-Expertenrat stellt der Regierung ein schlechtes Zeugnis aus

Die Bundesregierung bewertet ihre eigenen Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung nach Einschätzung des Expertenrats für Klimafragen zu optimistisch.

Selbst wenn das Klimaschutzprogramm der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP komplett umgesetzt würde, würden Treibhausgase wohl weniger stark reduziert als vorausgesagt, erklärte der Vorsitzende des unabhängigen fünfköpfigen Gremiums, Hans-Martin Henning, am Dienstag in Berlin.

Aus Sicht des Expertenrats fehlt ein zusammenhängendes, in sich schlüssiges und konsistentes Gesamtkonzept und ein übergreifender Maßnahmenrahmen“, erklärten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Laut Klimaschutzgesetz müsste der deutsche Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Die Bundesregierung geht von einer verbleibenden Lücke zwischen 2021 und 2030 von rund 200 Megatonnen CO2-Äquivalenten aus. Diese Prognose zweifelt der Expertenrat an. Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet, Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid.

Expertenrat bemängelt Datenlage

Henning bemängelte auch eine „inkonsistente Datenlage“. Damit ließe sich keine zuverlässige Vorhersage zur Gesamtwirkung des Klimaschutzprogramms machen. Das entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dennoch sei ein „nennenswerter Beitrag“ für den Klimaschutz zu erwarten.

Insbesondere die Bereiche Gebäude und Verkehr stehen schlecht da. Die Experten bescheinigen der Bundesregierung hier zu wenig Ehrgeiz. Für den Gebäudesektor bleibt demnach eine Lücke bis 2030 von 35 Megatonnen CO2-Äquivalenten, im Verkehrssektor in diesem Zeitraum von 117 bis 191 Megatonnen. Die Unsicherheit beim Verkehr ergebe sich aus unterschiedlichen Angaben der Ministerien für Wirtschaft und Verkehr.

Auch hier kritisiert der Rat die Datengrundlage. „Wir vermuten, dass die angenommene Treibhausgasminderung im Gebäudesektor geringer ausfallen dürfte als im Gutachten errechnet“, erklärte Henning.

Dafür sei vor allem die erwartbare, wesentlich geänderte Ausgestaltung des Heizungsgesetzes verantwortlich. „Im Verkehrssektor sehen wir optimistische Annahmen beispielsweise bezüglich der Umsetzungsgeschwindigkeit und Finanzierung der Maßnahmen sowie bei der Bewältigung von Umsetzungshemmnissen.“

Auch Umweltbundesamt warnt: Klimaziele gefährdet

Die nationalen Klimaziele sind nach einer Analyse des Umweltbundesamtes ohne zusätzliche Maßnahmen stark gefährdet. Obwohl die Lücke zum Klimaziel 2030 im Vergleich zur Voraussage von 2021 um 70 Prozent reduziert werden konnte, bliebe sie bei etwa 331 Millionen Tonnen klimaschädlichen Treibhausgasemissionen, geht aus dem am Dienstag vorgelegten „Projektionsbericht 2023“ des Amtes hervor.

Die geplanten Maßnahmen werden die Lücke dem Bericht zufolge nicht vollständig schließen können, sodass das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 nicht erreicht werde. Die Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie verfehlen ihre Ziele, während Energiewirtschaft, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft ihre Ziele übererfüllen.

Auch die für den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft festgelegten Zielwerte werden laut Bericht nicht erreicht. „Der Projektionsbericht zeigt deutlich, dass zusätzliche Maßnahmen nötig sind“, sagte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner.

Studien zeigten, dass Maßnahmen wie mehr Schienenverkehr und die Reform der Kfz-Steuer sowie die Beschränkung fossiler Heizungen dringend nötig wären.

Der Projektionsbericht wurde durch ein unabhängiges Forschungskonsortium erstellt, das die Auswirkungen der aktuellen Klimaschutzpolitik auf die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands abschätzt. Das Umweltbundesamt betont, dass diese Projektionen nicht als Prognose für kommende Jahre missverstanden werden sollten. (dpa, AFP)

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