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Armut von Kindern bekämpfen, das ist das Ziel der Kindergrundsicherung, die den Grünen und der SPD wichtig ist.

© Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago images/

Lindner gegen Grüne und SPD: Die Kindergrundsicherung wird zum Grundsatzstreit

Die Grünen empört das Veto des Finanzministers gegen mehr Geld zur Bekämpfung der Kinderarmut, nun protestiert auch die SPD. Doch Lindner bleibt hart.

Seit Wochen hält der Bundesfinanzminister dagegen. Wenn es um die Kindergrundsicherung geht, hat er sich einen Standardsatz zurechtgelegt: Mehr sei immer wünschenswert, aber nicht immer möglich. Was bedeutet: Christian Lindner und seine FDP sind zwar bereit, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenfassung von Leistungen zugunsten von Kindern in ärmeren Familien zu beschließen. Aber es sollen keine Mehrkosten entstehen, weil der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert oder die Leistungshöhe angehoben wird.

Und so ist die Ampel-Koalition in einen handfesten Konflikt geraten, den Lindner am Wochenende einmal mehr befeuert hat. Vor allem die Grünen haben die Kindergrundsicherung als ihr sozialpolitisches Hauptthema definiert, Familienministerin Lisa Paus ist das federführende Kabinettsmitglied und damit qua Amt die zuständige Widersacherin des FDP-Chefs. Mittlerweile hat der Streit um die Finanzierung aber den Charakter eines Grundsatzstreits bekommen – Lindner wirkt wie der Blockierer eines ganzen Vorhabens.

Daher machen nun auch wichtige Sozialdemokraten gegen Lindner mobil. Sie machen deutlich, dass die Kindergrundsicherung nicht nur ein Anliegen der Ökopartei ist. Und sie bringen sich dadurch in die Position der Streitschlichter. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ging Lindner am Montag frontal an. „Einfach nein zu sagen, wird nicht reichen, um die Diskussion zu überstehen", sagte er dem Sender ntv. Kühnert wies darauf hin, dass die Kindergrundsicherung Teil des Koalitionsvertrages ist: „Wir haben eine klare Verabredung - die Kindergrundsicherung soll kommen und wird kommen."

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Da im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei, dass die Bekämpfung von Kinder- und Jugendarbeitslosigkeit ein zentrales Anliegen sei, müsse auch alles dafür getan werden, betonte Kühnert. Dazu würden neben der Finanzierung auch Vorschläge zählen, wie das Geld besser abgerufen werden könne.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, die Leistung solle „ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“. Je nachdem, wie und ob das soziokulturelle Existenzminimum neu definiert wird, könnten sich am Ende die Gesamtkosten gewaltig unterscheiden. Hier liegt der Kern des Konflikts innerhalb der Koalition.

Sie ist qua Amt die Gegenspielerin des Finanzministers im Ringen um die Kindergrundsicherung: Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen).

© Nassim Rad/Tagesspiegel/Nassim Rad/Tagesspiegel

SPD-Parteichefin Saskia Esken sagte der Funke-Mediengruppe: „Ich will, dass der Anteil derer, die die Leistungen in Anspruch nehmen, von derzeit gerade mal 30 Prozent auf mindestens 80 Prozent steigt.“ Über den erleichterten Zugang zu den Angeboten in der künftigen Kindergrundsicherung soll erreicht werden, dass die bereitgestellten Mittel besser ausgeschöpft werden.

Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern.

Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

Damit werden die Ausgaben also in jedem Fall steigen. Mit einer Ausweitung des Kreises der Berechtigten oder einer Erhöhung der Leistungen müsste Lindner noch mehr einplanen. Er gibt zu bedenken, dass Kinderarmut oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet sei. Daher sei „Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern“, hatte er der „Bild am Sonntag“ gesagt. Eine reine Umverteilung von Geld lehnt er ab.

Diese Haltung ist es, die nun den Sozialdemokraten missfällt. SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt warf dem FDP-Chef in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern vor, die Lebensrealität von Eltern nicht zu berücksichtigen. „Viele Eltern, insbesondere Alleinerziehende, können doch gerade deshalb nicht im gewünschten Umfang arbeiten, weil sie Kinder haben und die Kinderbetreuung in Deutschland immer noch ausbaufähig ist."

Allerdings gilt in den Reihen der Sozialdemokraten die Forderung der Familienministerin als überzogen.  Paus hält mindestens zwölf Milliarden Euro zusätzlich für erforderlich. Die Grünen-Politikerin werde diese Forderung bei weitem nicht durchsetzen können und organisiere sich damit eine Niederlage, heißt es in der SPD.

Mit dem Konflikt um den nächsten Bundeshaushalt hat der Streit allerdings nur mittelbar zu tun. Die Kindergrundsicherung soll zum 1. Januar 2025 starten, im nun in der Koalition heftig umstrittenen Etat für 2024 müssen keine großen Summen zur Verfügung gestellt werden. Eher geht es um die Finanzplanung bis 2027 – in der würden die Grünen gern schon jetzt die von ihnen gewünschten Ausgaben dargestellt sehen. Das lehnt Lindner ab.

Umgekehrt ist aber auch nicht beliebig Zeit, die Sache auszudiskutieren. Es soll eine Vielzahl von Leistungen für Kinder zusammengeführt werden, von Kindergeld und Kinderzuschlag über Bürgergeld und Sozialhilfe bis hin zu Auszahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das ist administrativ hochkomplex.

Die Bundesagentur für Arbeit soll damit beauftragt werden, in einem Modellprojekt zu testen, wie die Umsetzung gelingen kann. Diesen Testlauf braucht es nach Ansicht des Familienministeriums, bevor die Kindergrundsicherung in der Breite ausgerollt werden kann. Doch ohne Einigung auf Eckpunkte innerhalb der Koalition kann kein Modellprojekt starten – und so könnte gegen Ende der Legislaturperiode die Zeit knapp werden.

Den nächsten Streit hat Lindner derweil schon begonnen. Es geht um den Austausch alter Öl- und Gasheizungen. Den Gesetzentwurf zu dem Vorhaben, die Umrüstung deutlich zu beschleunigen, hat die Koalition gerade erst vorgelegt. Schon da hat die FDP die Grünen ausgebremst, indem sie ihr Credo der Technologieoffenheit in den Kompromiss hievte.

Zusätzlich will Lindner nun bei der staatlichen Förderung des Austauschs weniger auf soziale Belange achten als auf technische – auch das wiederum mit der Begründung, dass die finanziellen Möglichkeiten des Staates begrenzt seien. Er will die Höhe der Fördermittel daran orientieren, wie alt und schmutzig die zu erneuernde Heizung ist, nicht wie arm oder wohlhabend der Immobilieneigentümer. Aus seiner Sicht ist das auch Sozialpolitik: Tendenziell hätten Menschen, die weniger Geld hätten, auch ältere Heizungen.

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