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Das Logo der russischen Gruppe «Memorial» (M) ist neben den Bildern der Friedenspreisträger der vergangenen Jahre im Nobelgarten zu sehen.

© Foto: dpa/ RODRIGO FREITAS

Update

„Interessante Auffassung des Wortes Frieden“: Ukrainisches Präsidentenbüro kritisiert Auswahl von Nobelpreis-Komitee

Den Friedensnobelpreis teilen sich in diesem Jahr zwei Organisationen und eine Person. Für die Auswahl gibt es nicht nur Lob.

Im Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist die Auswahl der Friedensnobelpreisträger kritisiert worden. „Das Nobelpreiskomitee hat eine interessante Auffassung des Wortes „Frieden“, wenn den Friedensnobelpreis zusammen Vertreter zweier Länder erhalten, die ein drittes überfallen haben“, schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Freitag auf Twitter.

Weder russische noch belarussische Organisationen seien in der Lage gewesen, einen Widerstand gegen diesen Krieg zu organisieren. „Der diesjährige Nobelpreis ist „super““, ironisierte der 50-Jährige. 

Zuvor waren das ukrainische Center for Civil Liberties, die verbotene russische Menschenrechtsorganisation Memorial und der belarussische Anwalt Ales Bjaljazki als diesjährige Preisträger bekannt geworden.

Russland ist am 24. Februar auch über die belarussische Grenze in die Ukraine einmarschiert. Die russische Armee nutzt zudem belarussische Flugplätze und Kasernen.

Tichanowskaja zeigt Stolz für nominierten Landsmann

Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat ihrem Landsmann Ales Bjaljazki zum Friedensnobelpreis gratuliert. „Das sind großartige Neuigkeiten! Ales Bjaljazki ist der Stolz der Belarussen. Nun ist das auf der ganzen Welt bekannt“, schrieb Tichanowskaja am Freitag in ihrem Telegram-Kanal.

Bjaljazki war im Juli 2021 festgenommen worden. Zuvor kämpfte er mit der von ihm gegründeten Organisation Wesna viele Jahre lang für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. Große internationale Bekanntheit erlangte er insbesondere im Zuge der Massenproteste nach der als gefälscht eingestuften Präsidentenwahl im Sommer 2020.

Neben Bjaljazki ging der Friedensnobelpreis in diesem Jahr außerdem an die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties.

Tichanowskaja veröffentlichte ein Foto, das sie gemeinsam mit dem Preisträger zeigt. Der Preis sei auch ein wichtiges Zeichen der internationalen Unterstützung an die Familie des 60-Jährigen, der bereits seit mehr als einem Jahr in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik im Gefängnis sitzt.

Leider könne Bjaljazki aufgrund seiner Inhaftierung den Preis nicht persönlich in Empfang nehmen, schrieb Tichanowskaja weiter. „Und das beweist einmal mehr, dass das Regime eine Bedrohung für Frieden und Freiheit des belarussischen Volkes ist.“

Tichanowskaja war von Experten vorab selbst auch als eine Favoritin für die Auszeichnung in diesem Jahr gehandelt worden.

Die Frau des belarussischen Friedensnobelpreisträgers Ales Bjaljazki, Natalja Pintschuk, hat sich überwältigt von der Auszeichnung für ihren Mann gezeigt. „Die Nachricht hat mich in großer Verwirrung erwischt, weil sie völlig unerwartet war“, sagte Pintschuk am Freitag einer Mitteilung des von Bjaljazki gegründeten Menschenrechtszentrums Wesna zufolge.

„Das sind unerwartete, aber erfreuliche Neuigkeiten“, sagte sie demnach weiter. „Ich verspüre jetzt natürlich einen großen Stolz.“ Ihr seit mehr als einem Jahr in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik inhaftierter Mann wisse wohl selbst noch nichts von der frohen Kunde, so Pintschuk. „Ich habe vor, ihm ein Telegram zu schicken und ihm alles zu erzählen.“ 

Baerbock würdigt Mut der Preisträger

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Zuerkennung des Friedensnobelpreises an Ales Bjaljazki, die russische Organisation Memorial und das Center for Civil Liberties aus der Ukraine ebenfalls gewürdigt. Sie twitterte am Freitag, sie verneige sich vor dem Mut der Menschenrechtsaktivisten.

„Dieser Friedensnobelpreis ehrt all jene, die mit enormen Mut und unter hohem Risiko für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen. Gegen das Unrecht des vermeintlich Stärkeren“, schrieb die deutsche Außenministerin. 

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Die Bundesregierung hat den ausgezeichneten Menschenrechtsaktivisten ebenfalls gratuliert. Alle drei Preisträger hätten sich in herausragenden Maße für demokratische Entwicklung, Menschenrechte und bürgerliche Freiheit eingesetzt.

„Sie stehen damit gegen die Unterdrückung und das Vorgehen gegen friedliche zivilgesellschaftliche Kräfte, die wir insbesondere in Russland und Belarus erleben“, ergänzte Regierungssprecher Wolfgang Büchner. 

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Mut der diesjährigen Friedensnobelpreisträger gewürdigt. „Das Nobelpreiskomitee hat den außerordentlichen Mut dieser Männer und Frauen anerkannt, die gegen die Alleinherrschaft aufstehen“, schrieb von der Leyen am Freitag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

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„Sie verdeutlichen die wahre Macht der Zivilgesellschaft im Kampf für die Demokratie“, betonte die Deutsche am Rande des informellen EU-Gipfels in Prag. 

Komitee unterstreicht Bedeutung der Zivilgesellschaft

Das für den Friedensnobelpreis zuständige Nobelkomitee hält oppositionelle Stimmen und eine starke Zivilgesellschaft für entscheidende Werkzeuge im Kampf gegen Kriege und Konflikte.

Man wolle mit der diesjährigen Auszeichnung die enorme Bedeutung unterstreichen, die der Zivilgesellschaft und der Opposition in jeder Gesellschaft - demokratischen wie autokratischen - zukomme, sagte die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Skandinavien.

Berit Reiss-Andersen, die Vorsitzende des Nobelkomitees, verkündet am Freitag im Nobelinstitut in Oslo den Gewinner des diesjährigen Friedenspreises.

© Foto: dpa/ HEIKO JUNGE

Einzelpersonen und Organisationen könnten eine außerordentliche Rolle in politischen Angelegenheiten und in der Ablehnung von Krieg spielen. Die diesjährige Preisvergabe an Menschenrechtler aus Belarus, Russland und der Ukraine ist demnach auch als Botschaft an Autokraten zu verstehen.

„Es ist auch eine Botschaft, dass der Krieg enden muss“, sagte Reiss-Andersen. Das Komitee gehe in der gegenwärtigen Situation auf die Zivilgesellschaft ein, weil es der Ansicht sei, dass sie das effektivste Mittel gegen Autoritarismus und gegen Krieg sei.

Eine starke Gesellschaft verhindere diese Art von Entwicklungen, sagte die Norwegerin. „Man kann zukünftige Gräueltaten verhindern.“ 

Guterres nennt Zivilgesellschaft „Sauerstoff der Demokratie“

UN-Generalsekretär António Guterres hat die diesjährigen Träger des Friedensnobelpreises ebenfalls gewürdigt. Die Auszeichnung werfe ein Schlaglicht auf die Kraft der Zivilgesellschaft, den Frieden zu fördern.

Zivilgesellschaftliche Gruppen seien der „Sauerstoff der Demokratie“ sowie „Katalysatoren für sozialen Fortschritt“, sagte der UN-Generalsekretär. „Sie helfen dabei, Regierungen rechenschaftspflichtig zu halten und tragen die Stimmen der Verwundbaren in die Hallen der Macht.“ Guterres warnte davor, dass der Spielraum für die Zivilgesellschaft weltweit eingeschränkt werde

Die Mitgründerin der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Swetlana Gannuschkina, hat sich „überglücklich“ geäußert. „Was? Memorial? Unser Memorial? Wie das denn, ist doch aufgelöst“, sagte die 80-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Moskau.

„Das ist eine große Anerkennung für diejenigen Menschen in Russland, die diesen furchtbaren Krieg gegen unseren Nachbarn Ukraine nicht unterstützen. Es ist nämlich nicht so, wie oft dargestellt, dass die Russen für den Krieg sind. Viele schämen sich für ihr Land“, sagte die Menschenrechtlerin, die vom Nobelkomitee am Freitag in Oslo auch namentlich erwähnt wurde.

Russische Organisation aufgelöst, aber Strukturen leben weiter

Gannuschkina sagte, dass Memorial zwar aufgelöst sei auf Anweisung der russischen Behörden. Die Strukturen und die Projekte gebe es aber noch. Sie würden weiter geführt. Dafür werde auch Geld gebraucht, sagte sie.

„Ich freue mich vor allem für Ales Bjaljazki, der das am meisten verdient hat, aber auch über die Preisvergabe an die ukrainischen Kollegen“, sagte Gannuschkina, die in Moskau eine Flüchtlingshilfsorganisation leitet.

Weiter sagte Gannuschkina: „Es gibt in Russland eine riesige Bereitschaft und enormes Engagement für Flüchtlinge aus der Ukraine. Diese Hilfsbereitschaft darf nicht vergessen werden. Das zeigt abseits von den Protesten, die gefährlich sind, dass jeder etwas tun kann, um zu demonstrieren, dass er nicht einverstanden ist mit dem Kurs des Landes.“

Die international bekannte russische Menschenrechtsorganisation Memorial wurde im vergangenen Jahr auf Anweisung der Behörden aufgelöst, weil sie gegen Gesetze verstoßen haben soll. Memorial lehnte es ab, den umstrittenen Titel „ausländischer Agent“ zu tragen. Die Organisation setzte sich für politisch Verfolgte und Gefangene ein. Und sie klärte über Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft auf.  (dpa, epd)

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