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ein Junge vor einem Wohnhochhaus mit Balkonen und Satellitenschüsseln, Trabantenstadt Chorweiler in Köln, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Europa

© mauritius images/United Archives

„Regierung rote Karte zeigen“: Wohnungswirtschaft und Eigentümerverbände nehmen nicht am Baugipfel am Montag teil

Die Verbände Haus & Grund und Gdw fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen. Aus Protest wollen sie dem Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt kommende Woche fernbleiben.

Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft GdW und der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer, Haus & Grund, nehmen nicht am „Wohnungsbaugipfel“ am kommenden Montag im Kanzleramt teil. Das kündigten Axel Geschaschko als Präsident des GdW und Kai Warnecke als Präsident von Haus & Grund am Freitagvormittag an. Die Entscheidung des GdW fiel nach einer Sitzung der Gremien am Donnerstag.

„Der Regierung muss einfach eine rote Karte gezeigt werden“, sagte Gedaschko, der von „Wahrnehmungsverweigerung“ sprach. Die Performance der Regierung sei nicht akzeptabel. „Unsere Unternehmen stellen reihenweise den Neubau ein. Wir brauchen wirklich etwas mit Wumms, damit wir aus dieser Situation wieder herauskommen. Und dass dieses mit Wumms für uns als Bestandteil da passiert, das sehen wir nicht.“ Es werde in Deutschland nicht gefördert, was gefordert wird.

GdW und Haus & Grund zeigen der Regierung die Rote Karte

Angesichts der dramatischen Situation könne es nicht sein, dass in aller Eile bei einem – in erster Linie öffentlichkeitswirksamen – Termin im Kanzleramt wieder nur ein Paket mit kleinteiligen Maßnahmen präsentiert werde, an dem die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft als ausführende Akteure nicht grundsätzlich mitwirken konnten, kritisierten die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung. 

Nach der Absage der großen Branchenverbände sieht Linken-Chef Martin Schirdewan den geplanten „Wohnungsbaugipfel“ schon gescheitert. Das bedeute aber keine Nachteile für Mieter, denn ein öffentliches Wohnbauprogramm wäre ohnehin nicht zu erwarten gewesen, sagte Schirdewan am Freitag in Berlin.

Stornierungswelle im Wohnungsbau

© Quelle: ifo-Institut Itsp/Rita Böttcher

Die FDP will zur Ankurbelung des Wohnungsbaus niedrigere Standards ermöglichen und neue staatliche Vorgaben für sehr sparsame Gebäude abwenden. Vor dem „Wohnungsbaugipfel“ stellten sich die liberalen Baufachleute Carina Konrad und Daniel Föst am Freitag gegen den im Koalitionsvertrag der Ampel für 2025 vereinbarten Neubaustandard EH40. Dieser senkt Energiebedarf und Klimagasausstoß, steigert aber Baukosten.

Die Bundesregierung will die krisengeplagte Baubranche mit weiteren Hilfen stützen. Es werde im Rahmen des Möglichen auf die veränderten Rahmenbedingungen mit deutlich höheren Zinsen reagiert, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Einem Insider zufolge plant die Regierung weniger strenge Vorgaben für Neubauten. So solle der sogenannte EH-40-Standard zur Dämmung von Häusern zeitlich befristet ausgesetzt werden, vermutlich bis zum Ende der Amtszeit der Ampel-Koalition Ende 2025. Außerdem ist ein neues Förderprogramm mit zinsgünstigen Baukrediten für Familien geplant.

Auch andere Verbände aus der Baubranche üben scharfe Kritik an der Bundesregierung und Bauministerin Klara Geywitz (SPD), etwa der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG), der nicht einmal zum Gipfel eingeladen war: „Seit mehr als einem Jahr versuchen wir bei Frau Geywitz einen Termin zu bekommen und haben noch nicht einmal eine Antwort erhalten“, sagte Geschäftsführer Jan Peter Hinrichs dem Tagesspiegel. „Das ist ein unverständliches Verhalten der Ministerin.“

Ob dieser Baugipfel der Branche weiterhelfen wird, ist stark zu bezweifeln. Große Sprünge sind nicht zu erwarten.

Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle.

Hinrichs kritisiert Geywitz vor allem wegen ihrer Ankündigung, keine höheren Effizienzstandards beim Neubau umzusetzen, wie es die Ampel eigentlich verabredet hatte. „Seit Monaten wird über die angeblichen Kosten der Gebäudehülle gesprochen – nur die Beteiligten aus der Branche kommen bei der Ministerin nicht zu Wort.“ Die Gebäudehülle sei nachgewiesenen nicht der Kostentreiber am Bau.

Laut einer repräsentativen Umfrage des BuVEG verliert die Bevölkerung zunehmend das Interesse und die Motivation beim Klimaschutz. , Die Verbraucher wurden im dritten Jahr in Folge darüber befragt hat, in welchem der fünf Sektoren Energie, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude mehr CO2-Emissionen eingespart werden sollten. Die meisten Befragten (37,6 Prozent) geben an, dass überhaupt nicht mehr bzw. in keinem der Bereiche mehr eingespart werden müsse, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Umfrage wurde am Freitag veröffentlicht.

An das Treffen im Kanzleramt am Montag habe er keine großen Erwartungen. „Ob dieser Baugipfel der Branche weiterhelfen wird, ist stark zu bezweifeln. Große Sprünge sind nicht zu erwarten“, sagte Hinrichs: Die Umfrage zeige, wie sehr die Bevölkerung von der Debatte um den Klimaschutz frustriert sei. „Es herrscht eine Nullbock-Stimmung.“

Keine Tagesordnung aus dem Kanzleramt

Am deutschen Immobilienmarkt mehren sich seit Monaten die Warnsignale. Die Stimmung der Projektentwickler sei eingebrochen, teilte der Branchenverband ZIA zum Barometer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) am Freitag mit. „Weiter steigende Zinsen und immer höhere Baukosten ergeben eine toxische Mixtur“, sagt ZIA-Präsident Andreas Mattner. „Der Staat selbst – Bund, Länder und Kommunen – muss in dieser dramatischen Lage endlich mit der nötigen Härte gegenhalten.“ Der Wohngipfel am Montag im Kanzleramt werde zeigen, „ob die Politik verstanden hat“. Der Staat sei für 37 Prozent der Kosten des Wohnraums verantwortlich, sagte Mattner.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA wird am Gipfel am Montag teilnehmen, bestätigte eine Sprecherin auf Anfrage: „Natürlich müssen wir als Schlüsselbranche mit den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern im Gespräch bleiben“, sagte Mattner: „Das ist wichtiger denn je. Die Politik in Bund, Ländern und Kommunen muss jetzt erkennen, dass die Wohnungsnot nicht irgendein Problem ist, sondern an Dramatik zugenommen hat. Deshalb braucht es Antworten, die zeigen, dass die Verantwortlichen den Ernst der Lage verstanden haben.“

Zu spätes, zu langsames Handeln der Bundesregierung

Die Wohnungseigentumsbildung werde im Bündnis für bezahlbaren Wohnraum nicht vorangestellt, kritisierte Warnecke für seine Klientel, die Immobilieneigentümer: „Das Thema Grunderwerbsteuer wird nicht in der Sache diskutiert, sondern steht für den öffentlichkeitswirksamen Austausch von Parteien. Das sind keine Themen, mit den man spielt.“ Bis heute habe man zudem keine Tagesordnung für den „Wohnungsbaugipfel“ aus dem Bundeskanzleramt erhalten. Das Bedürfnis sei nicht sehr groß, die Bündnispartner über den Ablauf zu informieren, sagte Warnecke.

Es werde ein Gebäudeenergiegesetz verabschiedet, das jeden Eigentümer noch weiter unter Druck setze, sagte Warnecke weiter: „Die EU arbeitet auf Wunsch und mit Unterstützung der Bundesregierung an Zwangssanierungen; die Förderpolitik ist realitätsfremd; das Mietrecht wird seit Jahren ausschließlich zulasten der Vermieter verschärft und der CO2-Preis wird – obwohl als Lenkungsinstrument durch das Gebäudeenergiegesetz GEG entbehrlich – nicht an die Bürgerinnen und Bürger erstattet.“

„Wir werden durch Maßnahmen wie die degressive Abschreibung Afa nicht unterstützt, die hilft nur Projektentwicklern, nicht den Bestandshaltern“, sagte Gedaschko zu einem Vorschlag von Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Aus Sicht der GdW-Unternehmen stelle sich die Situation so dar, dass das, was jetzt passiere, zu langsam, zu spät sei. „Es wird gesprochen von Zinsverbilligungen, eine Zinsverbilligung allein wird es nicht retten“, sagte Gedaschko. Er sprach sich zudem für eine Reduzierung der Umsatzsteuer von 19 auf 7 Prozent aus.

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