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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht im EU-Parlament zu den Abgeordneten.

© dpa/Kay Nietfeld

Europa-Rede von Scholz: Der Kanzler wirbt für „wirksamen Außengrenzenschutz“

Vor dem EU-Parlament plädiert der Kanzler für eine weltoffene EU und kontrollierte Zuwanderung. Scholz kann damit aber nicht alle Parlamentarier überzeugen.

Der Europatag am 9. Mai ist ein Tag, an dem sich die EU auf sich selbst besinnt. Doch Eurozentrismus ist nicht die Sache von Olaf Scholz. Der Kanzler hält am Dienstag, eben zum Europatag, vor dem EU-Parlament eine Grundsatzrede.

Darin rückt er gleich zu Beginn die weltpolitischen Verhältnisse zurecht. „Wird Europa das“, zitiert er eine Frage des französischen Schriftstellers Paul Valéry, „was es wirklich ist: ein kleines Vorgebirge, ein Kap des asiatischen Festlands?“

Wie soll es mit der EU in einer Welt, in der weiter Krieg in der Ukraine herrscht und in der die USA und China die dominanten Player geworden sind, weitergehen? Dies ist die Frage, die Scholz in Straßburg zu beantworten versucht.

Im vergangenen August hatte er bei seiner ersten Europa-Grundsatzrede an der Prager Karls-Universität eine stärkere verteidigungspolitische Zusammenarbeit der Gemeinschaft gefordert. Jetzt setzt er in Straßburg einen weiteren Akzent. „Europa muss sich der Welt zuwenden“, sagt der deutsche Regierungschef.

Was das bedeutet, verdeutlicht er an den geplanten Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten, Indien und Indonesien. Als Scholz einen schnellen Abschluss dieser Verhandlungen anmahnt, bekommt er zum ersten Mal während seiner Rede Beifall im Straßburger Halbrund.

Handelsabkommen beschleunigen

Allerdings hakt es etwa beim Abkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten, weil noch nicht klar ist, wie deutlich etwa Brasilien von den Europäern auf einen Schutz des Regenwaldes verpflichtet werden soll.

Aber Scholz warnt davor, dass künftig andere Staaten die Regeln „mit niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards“ diktieren würden, wenn die Brüsseler Verhandlungen nicht bald zum Abschluss kommen.

Olaf Scholz bekommt Beifall im EU-Parlament.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Das zielt vor allem auf China. Der Kanzler beschreibt das Reich der Mitte als „Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale“. Dabei gibt er zu, dass „Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas ohne jeden Zweifel zugenommen haben“.

Reform des Asylsystems ist überfällig

Keine Zeit zu verlieren hat die EU auch bei der geplanten Reform des Asylsystems. Hier versucht die Gemeinschaft schon seit Jahren, den Verhandlungsknoten zu zerschlagen. Scholz mahnt, die Reform noch vor der Europawahl im kommenden Jahr unter Dach und Fach zu bringen.

Dabei wird klar, dass die Bundesregierung in den letzten Monaten ihre Position verschärft hat: Scholz redet in Straßburg einem „wirksamen Außengrenzenschutz“ das Wort.

Denn mit stärkerer Kontrolle an den EU-Außengrenzen, so argumentiert der Kanzler, wachse „die Akzeptanz für eine kluge, gesteuerte und kontrollierte Zuwanderung in unseren Ländern“. Damit „entziehen wir denjenigen die Grundlage, die mit Angst und Ressentiments Politik machen“.

Das veranlasst später in der Debatte die Grüne-Fraktionsvorsitzende Terry Reintke zu der Replik, ihre Fraktion richte sich gegen eine „Asylpolitik, die eine Festung Europa bauen will“.

Während Scholz seine Europarede hält, steht allerdings die Frage im Raum, wie Deutschland sein Gewicht in der EU einbringen will. Scholz wird gelegentlich vorgeworfen, er interessiere sich nicht wirklich für die EU.

Bei den EU-Partnern ist hängengeblieben, dass sich der Kanzler nicht groß um eine Absprache bemühte, als er im vergangenen Jahr mit dem „Doppel-Wumms“ die Folgen der Energiekrise abfederte. Auch der Last-Minute-Einspruch aus Berlin gegen das eigentlich schon beschlossene Verbrenner-Aus verärgerte die EU-Partner.

Die Entscheidungen Berlins im Ukraine-Krieg seien „oftmals zu spät“ erfolgt, moniert EVP-Chef Manfred Weber.

© dpa/Kay Nietfeld

In der anschließenden Debatte kritisiert der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber, denn auch: „Wir brauchen keine weiteren Grundsatzreden.“ Die Debatte über den Verbrenner habe viele „ratlos“ gemacht, sagt der CSU-Vizechef.

Zudem habe das anfängliche Zögern der Bundesregierung bei den Waffenlieferungen an Kiew den Eindruck aufkommen lassen, man würde in Berlin nicht an den militärischen Erfolg der Ukraine glauben, so Weber. Die Entscheidungen Berlins im Ukraine-Krieg seien „oftmals zu spät“ erfolgt, moniert er.

Scholz hört sich die Debatte in der ersten Reihe an, bevor er anschließend erneut das Wort ergreift. Einige der Debattenbeiträge deutscher Abgeordneter hätten der „Sache nicht so immer beigeholfen“, meint er leicht hanseatisch.

Kein Land der EU unterstütze die Ukraine in größerem Maße als Deutschland, hält der Kanzler den Kritikern entgegen. Daran schließt er sein Mantra an: Die militärische Hilfe für Kiew werde so lange fortgesetzt, „wie das nötig ist“. Am Ende gibt es in Straßburg dann doch stehende Ovationen für den Gast aus Deutschland.

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