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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigt eine Reaktion auf die Spannungen auf dem Balkan an, „wenn es nötig ist“.

© dpa/Britta Pedersen

„Sehr, sehr schnell handlungsfähig“: Pistorius will Bundeswehr-Kontingent im Kosovo aktuell nicht aufstocken

Der serbische Angriff hat die Spannungen mit dem Kosovo verschärft. Der Verteidigungsminister hält es aber zurzeit nicht für nötig, mehr deutsche Soldaten für die KFOR zu entsenden.

In der Ampelkoalition wird eine Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents im Kosovo angesichts der Spannungen zwischen dem Balkan-Staat und dem benachbarten Serbien erwogen. Derzeit fänden „Gespräche auf allen Ebenen“ über das Thema statt, teilte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums am Dienstag auf Anfrage mit.

Vor über einer Woche war ein schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp in den Norden des Kosovo eingedrungen und hatte sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. Der kosovarische Regierungschef Albin Kurti warf der serbischen Regierung darauf hin vor, den Angriff initiiert zu haben. Serbiens Präsident Aleksandar Vuciv wies den Vorwurf zurück.

Anschließend zeigte sich die US-Regierung besorgt über einen „beispiellosen“ Truppenaufmarsch Serbiens an der Grenze zum Kosovo. Inzwischen ist die Zahl der Truppen an der Grenze zum Kosovo nach serbischen Angaben wieder verringert worden.

Die Bundeswehr ist im Kosovo nach eigenen Angaben derzeit mit 80 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Nato-Friedensmission KFOR präsent. Nach den Worten von Ulrich Lechte, des außenpolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, ermöglicht das aktuelle Mandat des Bundestages eine Verstärkung des deutschen Kontingentes.

„Hierzu bedarf es einer Abstimmung mit den Partnernationen innerhalb der KFOR“, sagte Lechte dem Tagesspiegel. „Hier vertraue ich auf die Experten des Verteidigungsministeriums.“

Dem Mandat des Bundestages zufolge könnten bis zu 400 Soldaten im Kosovo stationiert werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schloss eine Aufstockung des deutschen Kontingentes nicht aus, fügte aber auch hinzu, dass dies zum gegenwärtigen Stand nicht geplant sei.

„Wir haben die Lage im Auge und werden reagieren, wenn es nötig ist“, so Pistorius. Am Rande eines Besuchs in Niedersachsen betonte der Verteidigungsminister, dass man „sehr, sehr schnell handlungsfähig“ sei, wenn es notwendig werden sollte.

Zuletzt war das Mandat für die Bundeswehr für den Balkan-Staat vom Bundestag im Mai für ein weiteres Jahr verlängert worden. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, hält es für wahrscheinlich, dass das Mandat angesichts der Zuspitzung zwischen Serbien und dem Kosovo „deutlich erhöht“ werde. „Die Union ist hierzu bereit“, sagte der CDU-Politiker weiter.

Auch Deutschland muss sich daran beteiligen.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, über die Verstärkung der Nato-Präsenz im Kosovo

In jedem Fall ist nach den Worten von Hardt in der gegenwärtigen Lage eine Aufstockung des Personals der im Kosovo eingesetzten KFOR-Truppen „unvermeidlich“. Auch Deutschland müsse sich daran beteiligen, forderte er. Die Regierung in London hatte bereits am Sonntag angekündigt, dass zusätzlich 200 britische Soldatinnen und Soldaten stationiert werden.

Der jüngste Überfall des serbischen Kommandotrupps war einer der schwersten Zwischenfälle, seit das Kosovo im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hat. Serbien erkennt die Unabhängigkeit des Nachbarlandes nicht an. Sowohl das Kosovo als auch Serbien wollen Mitglied der EU werden.

Dabei ist Serbien, das seit 2014 Beitrittsgespräche führt, formell auf dem Weg in die Gemeinschaft schon weiter fortgeschritten als der Nachbar. Die jüngste Eskalation hat allerdings Zweifel an einem baldigen EU-Beitritt Serbiens genährt. Staatschef Vucic betreibt schon seit Jahren eine Schaukelpolitik zwischen der EU und Russland.

Serbiens Präsident Vucic betreibt eine Schaukelpolitik zwischen Russland und der EU.

© REUTERS/ZORANA JEVTIC

Um die Spannungen zwischen den Staaten in der Region abzubauen, hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem knappen Jahr die serbische Regierungschefin Ana Brnabic und die Regierungschefs der fünf übrigen Westbalkanstaaten zu einem Gipfel ins Kanzleramt eingeladen. Bei dem Treffen wurden seinerzeit mehrere Abkommen unterzeichnet, die zu einer größeren Mobilität in der Region führen sollen. Vor dem Gipfel hatte es im Kanzleramt seinerzeit aus Berliner Regierungskreisen aber auch geheißen, dass sich Serbien zwischen der EU und Russland entscheiden müsse.

Zuletzt hatte die serbische Regierungschefin Brnabic Ende August bei einer internationalen Konferenz im slowenischen Bled erklärt, dass die lange Wartezeit vor dem Beginn der Beitrittsgespräche zur Skepsis gegenüber der EU in ihrem Land beigetragen habe. „Wir sind geografisch, wirtschaftlich, kulturell und in jeder Hinsicht Europäer“, hatte Brnabic beteuert.

Allerdings wird das in Berlin nicht genauso gesehen. Schon im vergangenen Jahr sagte der FDP-Außenpolitiker Lechte mit Blick auf Serbien, es gebe „keine Voraussetzungen, um weiter über eine Aufnahme in die EU zu verhandeln“. Heute kommt er zu dem Schluss: „Diese Zweifel waren und sind berechtigt. Das haben die letzten Monate mehr als bestätigt.“

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