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Sigmar Gabriel bei der IG BCE.

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Update

Koalitionsverhandlungen: SPD will keine Ausnahme beim Mindestlohn

Sigmar Gabriel spricht beim Kongress der Gewerkschaft IG BCE - ein Heimspiel. Der SPD-Chef nutzt den Termin, um vor überzogenen Hoffnungen an Koalitionsverhandlungen mit der Union zu warnen. Beim Thema Mindestlohn gibt sich die SPD aber kämpferisch.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht seine Partei bei den angepeilten Koalitionsgesprächen mit der Union in einer schwierigen Position. Vor dem entscheidenden Parteikonvent an diesem Sonntag warnte er am Freitag in Hannover vor überzogenen Erwartungen an eine mögliche schwarz-rote Partnerschaft. Das starke Wahlergebnis der Union erschwere es der SPD, Ziele wie einen Mindestlohn oder mehr betriebliche Mitbestimmung durchzusetzen.

Sigmar Gabriel warnt vor zu hohen Erwartungen an Koalitionsverhandlungen

„Das macht die Lage, ich will das gar nicht verheimlichen, auch außerordentlich schwierig“, sagte Gabriel auf dem Delegiertenkongress der Gewerkschaft IG BCE. „Ein bisschen ist es jetzt so in der Situation, dass die Sozialdemokratie den Auftrag hat, all diese Dinge durchzusetzen in der Regierungspolitik, obwohl sie dafür kein Mandat bekommen hat.“ Alle Themen der geplanten Koalitionsgespräche seien vor dem Hintergrund zu sehen, dass die SPD angesichts des Wahlergebnisses nicht auf eine gesellschaftliche Mehrheit für ihre Vorhaben verweisen könne, sagte der SPD-Chef: „Ich will damit nur vorsichtig andeuten: Das ist jedenfalls keine leichte Aufgabe.“ Bei der Bundestagswahl vor knapp vier Wochen erzielte die SPD 25,7 Prozent, die Union 41,5 Prozent der Stimmen.

Bundesweit einheitlicher Mindestlohn ist Voraussetzung für Regierungsbeteiligung

Gabriel bekräftigte, die Einführung eines bundesweit einheitlichen Mindestlohns sei Voraussetzung für eine gemeinsame Regierung mit der Union. „Wir wollen in den Koalitionsvereinbarungen ein paar Dinge erreichen. (...) Das ist, jawohl, der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro und zwar ohne Differenzierung zwischen Ost und West.“.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte jüngst ihre Befürchtungen vor zu weitgehenden Regeln bei dem Thema geäußert. „Wir müssen aufpassen, dass wir darüber nicht Arbeitsplätze vernichten“, warnte die CDU-Vorsitzende am Mittwoch ebenfalls auf dem Delegiertenkongress der IG BCE. Zwar bekräftigte sie: „Ich bin dafür, dass jeder Mensch, der Vollzeit erwerbstätig ist, von seiner Arbeit leben kann.“ Doch aus Arbeitnehmern, die ihr Entgelt mit staatlichen Leistungen auf ein auskömmliches Niveau erhöhen müssten, könnten mit dem Mindestlohn rasch Arbeitslose werden.

Auch Andrea Nahles hatte am Morgen die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro als zentrale Forderung der SPD herausgestellt. Einer Forderung aus der Union, bei der Höhe des Mindestlohns die jeweiligen Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen, erteilte Nahles im ZDF-Morgenmagazin eine klare Absage.

SPD will einheitlichen Mindestlohn in Ost und West

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) hatte zuvor im Morgenmagazin gesagt, wo - wie in Ostdeutschland - die Lebenshaltungskosten wesentlich günstiger seien, müssten niedrigere Mindestlöhne vereinbart werden können. „Das ist so nicht akzeptabel“, sagte Nahles. „Wir sagen, überall in Deutschland 8,50 Euro Minimum. Und ich gehe davon aus, dass die SPD einen Koalitionsvertrag, wo das am Ende nicht klar ist, auch nicht unterschreiben wird.“ Zugleich deutete Nahles Bereitschaft an, der Union beim Thema Steuern entgegenzukommen: Bei den Koalitionsverhandlungen sei es wichtig, dass beide Seiten ihre zentralen Forderungen durchsetzen könnten, sagte Nahles. Bei der Union sei dies die Ablehnung von Steuererhöhungen. Die SPD gehe nach den Sondierungsgesprächen davon aus, dass die Koalitionsverhandlungen erfolgreich sein könnten. „Aber wir sind noch am Anfang.“

Für die CDU ist der Verzicht auf Steuererhöhungen zentral

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte zuvor in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ deutlich gemacht, dass der Verzicht auf Steuererhöhungen und Neuverschuldung für die Union zu den „Grundpfeilern der Politik“ gehöre. Für die SPD sei es der Mindestlohn. Der Weg zu einem Mindestlohn sei „bestimmt kein Teufelszeug“, deutete er am Donnerstagabend Kompromissbereitschaft an. Jetzt komme es darauf an, wie der Mindestlohn gestaltet werde.

Keine Festlegung auf Ministerien in der Sondierung

Auch Berichte über Festlegungen der Sozialdemokraten auf bestimmte Ministerien in einer großen Koalition wies Nahles als “Spekulationen“ zurück. “Ich kann ihnen definitiv sagen: dass wir keinerlei Diskussionen mit der Union hatten und auch intern in unserer Gruppe zum Thema Ministerien oder Vergabe von Ministerien oder wer was machen soll“, sagte sie am Freitag dem Deutschlandfunk. “Das stand überhaupt nicht zur Diskussion“.

Die Zeitung “Welt“ hatte berichtet, die SPD-Spitze strebe einen Zugriff auf das Finanz- sowie das Arbeitsministerium an. Für das Finanzminister-Amt seien SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann im Gespräch. Als Arbeitsminister sei Parteichef Sigmar Gabriel gesetzt.

Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Donnerstag bei ihrer dritten Sondierungsrunde in Berlin auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer großen Koalition verständigt. Ein SPD-Parteikonvent soll am Sonntag darüber abstimmen. Die Parteispitze müsse nun bei der Basis um Vertrauen werben, sagte Nahles. Sie rechne damit, dass der Konvent noch einmal klar die für die Basis wichtigen Kernforderungen der SPD formuliere. "Wir müssen tragfähige Brücken haben, wir wollen eine stabile Regierung bilden“, sagte Nahles. „Das heißt aber auch, dass man keine Formelkompromisse macht.“ Besonders wichtig sei der SPD neben dem Mindestlohn auch die Bildungspolitik, die Verbesserung der Finanzsituation bei den Kommunen sowie die Themen Leiharbeit und Werkverträge.

SPD-Mitglieder stimmen über Koalitionsvertrag ab

Am Ende sollen in der SPD die Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Jedes Mitglied solle eine Wahlbenachrichtigung erhalten, mit der Möglichkeit der Briefwahl, sagte Nahles. Sie zeigte sich zuversichtlich, „dass wir einen guten Koalitionsvertrag aushandeln und dass am Ende ein Ja stehen wird.“ (dpa,AFP,Reuters)

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