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Politik: Sterbehilfe als Ordnungswidrigkeit?

SPD-Politiker in Hamburg will Kusch beschatten und durch die Polizei stoppen lassen

Drei Menschen wollen in den nächsten Wochen aus dem Leben scheiden, dabei helfen will ihnen Roger Kusch, ehemaliger Justizsenator in Hamburg. Glaubt man Kusch, haben die drei Sterbewilligen – zwei Frauen und ein Mann – die Termine für ihren Tod schon mit ihm vereinbart. „Die Vorbereitungen sind weitgehend abgeschlossen,“ zitiert das Magazin „Focus“ den grundsätzlich öffentlich agierenden Sterbehelfer.

Birgit Weihrauch, Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes, kann kaum fassen, dass diese Aktivitäten legal sein sollen: „Dieser geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid muss ein Ende gemacht werden.“ Das ist aber schwierig, Kusch ist kein Fall für die Hamburger Staatsanwaltschaft. „Wir können das nicht verhindern“, bedauert Behördensprecher Wilhelm Möllers. Der Freitod sei keine Straftat, und die Beihilfe dazu sei es auch nicht.

Rolf-Dieter Klooß, SPD-Politiker und Vorsitzender des Rechtsausschusses in der Hamburger Bürgerschaft, meint trotzdem, man könne Kusch stoppen. Nicht mit dem Strafrecht, aber mit dem Ordnungsrecht. „Das ist ein typischer Fall für die Gefahrenabwehr“, so der Sozialdemokrat gegenüber dem Tagesspiegel. Die Polizei müsse Kusch untersagen, diese Selbstmorde zu ermöglichen. Sollte der diese Verfügung nicht beachten, könne man mit Ordnungsmitteln gegen ihn vorgehen. Dazu zählten Zwangsgelder, aber auch das Mittel der Beugehaft.

Klooß, der selbst Rechtsanwalt ist, verweist auf einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1987: Damals wollte der Arzt Julius Hackethal einer körperlich schwerstbehinderten Frau das Sterben ermöglichen. Die Polizei in Baden-Württemberg untersagte ihm das, Hackethal klagte dagegen. Das Verwaltungsgericht in Karlsruhe bestätigte die polizeiliche Verfügung letztendlich.

„Leben ist unumstritten das höchste Gut unserer Rechtsordnung“, argumentiert Klooß. Es bestehe auch ein breiter Konsens unter Juristen, dass die Unterbindung von Selbstmorden zu den polizeilichen Aufgaben gehöre: „Wenn einer auf der Brücke steht und springen will, darf ihn die Polizei selbstverständlich daran hindern.“

Die Hamburger Polizei sieht derzeit keine Möglichkeit gegen Kusch vorzugehen. „Wenn wir wüssten, wo und wann diese Selbstmorde stattfinden, dann müssten wir eingreifen“, erklärt Ralf Meyer, Sprecher der Hamburger Polizei. Denn die Polizei habe die Pflicht, Leben zu retten. Das Gefahrenabwehrrecht erlaube dann sogar, Kusch in Gewahrsam zu nehmen, um ihn an seinem Handeln zu hindern. Ohne konkrete Informationen sei aber nichts machbar. Klooß sind die Hinweise auf die bevorstehende Gefahr dagegen konkret genug. In anderen Fällen, in denen Gefahren für Leib und Leben drohe, sei die Polizei schließlich auch in der Lage, sich notwendige Informationen zu beschaffen. „Dann muss man Kusch eben beschatten und ihm so das Handwerk legen.“

Daran, dass es Kusch Ernst ist, muss es jedenfalls keine Zweifel mehr geben. In bereits zwei Fällen hat Kusch Beihilfe zum Freitod geleistet. In der vergangenen Woche starb die 84-jährige Hamburgerin Inge I. an einem tödlichen Medikamentencocktail, auch Bettina S., eine 79-jährige Rentnerin aus Würzburg, vergiftete sich. Sie nahm die Dienste von Kusch im Juni in Anspruch. Für Kusch ein lukratives Geschäft: Nach eigenen Angaben stellt er für seine Tätigkeit bis zu 8000 Euro Honorar in Rechnung. Lediglich die Kontakte bis zum ersten Hausbesuch seien kostenfrei.

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