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Vermeintlich bürgerlich: AfD-Kandidat Jörg Prophet.

© dpa/Martin Schutt

Stichwahl in Nordhausen: AfD könnte erstes Oberbürgermeisteramt erringen

In Nordhausen in Thüringen wird am Sonntag vielleicht der bundesweit erste AfD-Oberbürgermeister gewählt. Die CDU, die FDP und die unterlegene SPD-Kandidatin bleiben vor der Entscheidung auffällig still.

Von Johann Aschenbrenner

Ein paar Kilometer nördlich von Nordhausen in Thüringen stand einst das KZ Mittelbau-Dora, wo Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Heute ist dort eine Gedenkstätte, die an die Verbrechen der Nazis erinnert. In der Gedenkstätte ist man in diesen Tagen alarmiert: Denn in Nordhausen wird am Wochenende der Oberbürgermeister gewählt. In der Stichwahl hat der AfD-Kandidat Jörg Prophet gute Chancen.

Der 61-jährige Unternehmer relativiert die Schuld Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg – ihm wurde vom Thüringer Verfassungsschutz ein „geschlossenes revisionistisches Geschichtsbild“ bescheinigt. Prophet ist Teil des Thüringer Landesverbandes der AfD, der vom Thüringer Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird.

Prophets Gegenkandidat, der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann, kam im ersten Wahlgang vor zwei Wochen auf 23,7 Prozent der Stimmen. Weit abgeschlagen hinter Prophet, der auf 42,1 kam.

Die vier Kandidaten von SPD, CDU, Grünen und der FDP kamen addiert nur auf 34,2 Prozent. Man sollte meinen, die demokratischen Parteien in Nordhausen würden nun alles daransetzen, bei ihren Wählern für Buchmann zu werben.

Doch es ist kompliziert: Buchmann wurde als OB zwischenzeitlich wegen Dienstvergehen suspendiert. Nun ist er zurück im Rathaus, aber das SPD-geführte Landratsamt führt das Verfahren gegen Buchmann fort. Nach dem ersten Wahlgang riefen die Grünen dennoch zur Wahl Buchmanns auf.

CDU und FDP geben keine Wahlempfehlung ab

Und SPD, FDP und CDU? Die unterlegene SPD-Kandidatin und bisherige OB-Vize Alexandra Rieger ließ eine Anfrage des Tagesspiegels unbeantwortet. Stattdessen meldete sich der Ortsvorsitzende: Die SPD Nordhausen werbe durchaus aktiv für die Wahl von Kai Buchmann: Eine langjährige SPD-Oberbürgermeisterin Nordhausens habe sich zu Wort gemeldet.

Als SPD Nordhausen habe man außerdem dazu aufgerufen, wählen zu gehen und dabei nicht die AfD zu wählen. Die SPD Nordhausen hatte überdies einen Wahlaufruf für Buchmann des thüringischen SPD-Chefs Georg Maier geteilt.

Dass Alexandra Rieger selbst nicht für Buchmann wirbt, dürfte damit zu tun haben, dass das Verhältnis zwischen ihr und Buchmann als zerrüttet gilt. Buchmann war Mobbing gegen Rieger, seine Stellvertreterin, vorgeworfen worden.

Amtsinhaber Kai Buchmann: Hat als parteiloser Kandidat kaum Ressourcen für Wahlkampf.

© AFP/Ronny Hartmann

Aber: Alexandra Rieger konnte im ersten Wahlgang immerhin 18,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Dass sie nicht aktiv versucht, diese Wähler von der Wahl Buchmanns zu überzeugen, um Prophet zu verhindern, ist bemerkenswert.

Auch die CDU gewann im ersten Wahlgang Wähler, denen sie jetzt die Wahl Kai Buchmanns ans Herz legen könnte: immerhin 11,2 Prozent. Stefan Nüßle, der Kreischef der Nordhäuser CDU, ließ eine Anfrage des Tagesspiegels unbeantwortet. Zuvor hatte Nüßle gesagt, man wolle die Menschen nicht bevormunden und verwies darauf, dass in Sonneberg Wahlempfehlungen nichts genützt hätten. Im thüringischen Sonneberg war in diesem Sommer der bundesweit erste AfD-Landrat gewählt worden.

Auch auf Bundesebene will man sich bei der CDU nicht äußern: Ein Sprecher aus dem Konrad-Adenauer-Haus sagte dem Tagesspiegel, Empfehlungen bei Kommunalwahlen seien Sache der Kreis- und Ortsverbände.

Die AfD organisiert ein Bürgerfest – der Amtsinhaber hat dafür keine Ressourcen

Auch der Spitzenkandidat der Nordhäuser FDP ließ eine Anfrage unbeantwortet. Auf der Facebookseite der Nordhäuser FDP wird lediglich dazu aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Eine Wahlempfehlung wolle man nicht abgeben: Die Bürger seien mündig und könnten ihre Entscheidung eigenständig treffen.

Deutlicher wird eine Sprecherin der FDP-Bundesgeschäftsstelle auf Anfrage: „Unser Wunsch ist, dass nirgendwo in Deutschland eine Kandidatin oder ein Kandidat der AfD in politische Verantwortung gewählt wird.“

Der parteilose Kandidat Kai Buchmann könnte tatkräftige Unterstützung der demokratischen Parteien eigentlich gut gebrauchen. Am vergangenen Wochenende fand ein Bürgerfest mit dem AfD-Kandidaten Jörg Prophet, dem Bundessprecher der AfD Tino Chrupalla und dem Spitzenkandidaten der AfD für Europa, Maximilian Krah, in Nordhausen statt. Etwa 500 Menschen nahmen teil.

Fragt man Kai Buchmann, ob er noch ähnliche Wahlkampfauftritte plant, sagt der: „Als parteiloser Kandidat habe ich keine Ressourcen, um dergleichen auf die Beine zu stellen.“ Er selbst will sich aber nicht über mangelnde Unterstützung beklagen: Die Unterstützung durch den thüringischen SPD-Landeschef etwa zeige doch, dass die SPD für ihn werbe.

Nach Prophets Einzug in die Stichwahl hat sich in Nordhausen ein Bündnis namens „Nordhausen Zusammen“ gegründet, das gegen die Wahl Prophets mobil macht. Alexander Scharff, sonst Ortsvorstand der IG Metall, engagiert sich bei dem Bündnis. Spontan hätten sich nach dem ersten Wahlgang um die 300 Menschen zusammengefunden, die Prophets Wahl verhindern wollen, erzählt er.

Es gibt einen offenen Brief und auf einem Youtube-Kanal mehrere Anti-Prophet-Spots. Außerdem organisierte das Bündnis eine Demo gegen das AfD-Bürgerfest. Die Nordhäuser Zivilgesellschaft steht also noch einmal auf. Ob das ausreicht, zeigt sich diesen Sonntag.

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