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Angehörige trauern während der Beisetzungsfeierlichkeiten am Montag um Opfer des Anschlags von Ankara.

© Sedat Suna/dpa/EPA

Nach Anschlag in Ankara: Türkische Gemeinde warnt vor Gewalt auch in Deutschland

Es könnte auch in Deutschland gewaltsame Auseinandersetzungen geben, befürchtet die Türkische Gemeinde nach dem Anschlag in Ankara. Am Sonntag will Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen in die Türkei reisen.

Nach dem jüngsten verheerenden Bombenanschlag in Ankara und einer zunehmenden Eskalation in der Türkei hat der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, vor gewaltsamen Auseinandersetzungen auch in Deutschland gewarnt. "Als (Recep Tayyip) Erdogan Staatspräsident wurde, hat diese Polarisierung in Deutschland angefangen", sagte Sofuoglu dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Sobald in der Türkei etwas passiert, gehen die Leute auf die Straße. Und so wie die Stimmung jetzt gerade in der Türkei ist, befürchte ich eine weitere Eskalation auch hier."

Er beobachte, "dass in den sozialen Medien sehr schnell von allen Seiten zu Demonstrationen aufgerufen wird, die gar nicht genehmigt sind", sagte Sofuoglu. Sowohl auf türkischer als auch auf kurdischer Seite entwickelten sich verschiedene Gruppierungen.

So gebe es auf der einen Seite sogenannte Osmanen in Deutschland, die sich als gewaltbereite Verteidiger des Türkentums bezeichneten. Auf der anderen Seite stünden Anhänger von "Apo", die bei Demonstrationen vermummt aufträten und auf ihren Plakaten teilweise von Vergeltung sprächen. "Apo" ist der Kosename seiner Anhänger für den inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan. Beide Gruppen seien zwar in der Minderheit, betonte der Chef der Türkischen Gemeinde, fügte jedoch hinzu: "Wehret den Anfängen".

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am kommenden Sonntag die Türkei besuchen. In der Hauptstadt Ankara stehen unter anderem Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu auf dem Programm. Als Themen nannte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag den Konflikt in Syrien, die Flüchtlingskrise und den Kampf gegen Terrorismus. Darüber hinaus soll es auch um bilaterale Themen gehen.

Der Besuch findet nur wenige Tage vor der Parlamentswahl in der Türkei am 1. November statt. Seibert sagte: „Eine stabile Türkei ist in deutschem und auch in europäischem Interesse.“ Zugleich verurteilte er erneut die Anschläge vom Wochenende in Ankara.

Hingegen forderte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir die Europäische Union auf, Gespräche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf Eis zu legen. „Wir dürfen bis zur Wahl am 1. November nichts tun, was als Stärkung von Erdogan verstanden werden könnte“, sagte Özdemir dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören. „Jedes Abkommen wäre ein Signal, dass Erdogan für uns ein normaler Gesprächspartner wäre. Das kann aber kein Staatschef sein, der den Tod seiner Bürger, Polizisten und Soldaten in Kauf nimmt.“ Der Türkei kommt bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise eine zentrale Rolle zu.

Die Polizei mache ihre Arbeit nicht - „wie so häufig in jüngster Zeit, wenn Bomben detonierten“, fügte Özdemir an. „Wer sein eigenes Land ins Chaos stürzt, weil er Angst davor hat, im Falle einer Wahlniederlage für seine Untaten zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist kein verlässlicher Partner.“

Die Türkei kündigte an, nach den verheerenden Bombenanschlägen vom Wochenende die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. Innenminister Selami Altinok erklärte nach einem Bericht des Senders CNN Turk vom Montag, man habe die Lektionen aus den Attentaten gelernt. Details wurden zunächst nicht bekannt.

Zwei Tage nach den beiden Explosionen während eines Friedensmarsches in Ankara war die Zahl der Opfer immer noch unklar. Die pro-kurdische Partei HDP gab die Zahl der Toten mit 128 an, während die Regierung erklärte, 97 Menschen seien getötet worden. Am Sonntag hatten Tausende Menschen gegen den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan protestiert, dem sie eine Mitschuld an den Anschlägen gaben.

Die türkische Regierung verdächtigt die Islamistenorganisation "Islamischer Staat" (IS). Nach den Worten des türkischen Regierungschefs Ahmet Davutoglu werde angesichts der Vorgehensweise bei dem Anschlag vor allem gegen den IS ermittelt. Bereits zuvor hatten türkische Medien berichtet, die Ermittler hätten den IS im Verdacht. Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu glichen die in Ankara verwendeten Sprengsätze jener Bombe, mit der ein Selbstmordattentäter im Juli mehr als 30 Menschen in der Stadt Suruc an der syrischen Grenze getötet hatte. Für den Anschlag von Suruc hatte die türkische Regierung den IS verantwortlich gemacht. Laut Zeitungsberichten betrachtet die Polizei den Bruder des Attentäters von Suruc als Hauptverdächtigen für den Anschlag in Ankara. (epd/dpa/AFP)

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